ANDREJ IVANJI ÜBER DAS EU-BEITRITTSGESUCH VON SERBIEN
: Serbien spielt die Europakarte

Und schon wieder verspricht Tadić das Blaue vom europäischen Himmel, um seine Macht zu sichern

In einem eindrucksvollen außenpolitischen Endspurt verbuchten Serbiens Präsident Boris Tadić und die von seiner „Demokratischen Partei“ (DS) dominierte Regierung zu Jahresende drei wichtige Punkte: Am 7. 12. ratifizierte die EU ein Handelsabkommen mit Serbien, am 19. 12. wurden die Grenzen der Schengen-Staaten für Serbiens Bürger geöffnet; und als Krönung reichte Tadić, ermutigt von der schwedischen Ratspräsidentschaft, das EU-Beitrittsgesuch Serbiens ein.

Und zwar, obwohl das Land dadurch formale und bisher übliche prozedurale Stufen übersprungen hat. Bevor sie der EU beitraten, sind bisher alle neuen EU-Staaten zuerst Mitglieder der Nato geworden. Auf Nato-Mitgliedschaft hat Serbien jedoch verzichtet, wegen der Luftangriffe des Militärpaktes auf Serbien 1999. Die EU hat auch das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit Serbien wegen ungenügender Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen noch nicht ratifiziert, was normalerweise vor dem Beantragen der EU-Mitgliedschaftskandidatur geschehen sollte.

Das geschickte Marketingteam von Tadić will zeigen, dass Serbien von seinen „europäischen Freunden“ bevorzugt behandelt wird, und allen nationalistischen EU-Skeptikern den Mund stopfen. Brüssel macht mit, weil von der politische Stabilität in Serbien die Sicherheitslage in der ganzen instabilen Region abhängt.

Warum aber spielt die zerstrittene Koalitionsregierung gerade jetzt so starke Trümpfe aus? Es sieht danach aus, dass Tadić und seine DS Neuwahlen in Betracht ziehen, die sie auf der Welle der EU-Erfolge an der Macht bestätigen sollen, bevor die zermürbten Bürger die Wirtschaftskrise 2010 so richtig zu spüren bekommen und die immer stärkeren national-populistischen Kräfte die Oberhand gewinnen. Das Blaue vom europäischen Himmel zu versprechen und auf das Beste zu hoffen – ein Rezept, das Tadić an die Macht gebracht und an der Macht gehalten hat. Zumindest bisher.

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