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Interview zum Nacktradeln auf der FahrradsternfahrtNackedeis im Fahrradfieber

Wenn sich am Sonntag wieder Zehntausende zur jährlichen Fahrradsternfahrt treffen, werden auch einige Nackte in die Pedale treten. Warum, erklärt Johannes Kathol.

Weiche Sattel sind angesagt, sonst schmerzt der Hintern nach dem Radeln. Bild: ap
Interview von Kristin Ruckschnat

taz: Herr Kathol, Sie organisieren im Rahmen der Fahrradsternfahrt am Sonntag den "Berlin Naked Bike Ride", wobei nackt geradelt wird. Woher kommt die Idee?

Johannes Kathol: Wir versuchen schon seit Jahren den sogenannten "World Naked Bike Ride" (WNRB) auch in Berlin zu etablieren. Mit geringem Erfolg. Es gibt aber schon länger die Idee, den Bike Ride und die Fahrradsternfahrt zu verknüpfen, weil die Anliegen sich überschneiden.

Was sind diese Anliegen, wofür demonstrieren Sie?

Der WNBR demonstriert traditionell gegen die Abhängigkeit vom Erdöl und die Übermacht des Autoverkehrs. Die Fahrradsternfahrt hat die gleichen Ziele, nämlich für die Anerkennung des Fahrrades als vollwertiges Verkehrsmittel und für eine bessere Fahrradinfrastruktur zu kämpfen. Daher möchte ich an der Sternfahrt auch so teilnehmen, wie es mir in meiner Freizeit am liebsten ist, also ohne Kleidung.

Erwarten Sie Probleme mit der Polizei?

Wir erwarten mit der Polizei überhaupt keine Probleme. Ich persönlich habe bei naturistischen Aktivitäten noch nie Kontakt mit der Polizei gehabt. Nacktheit ist in Deutschland weder verboten noch ein Verbrechen. Es gibt kein Gesetz, das mir beim Fahrradfahren die Kleidung vorschreibt. Deshalb kann ich das bekleidungsoptional handhaben.

Ganz gemütlich klingt nackt Fahrrad fahren nicht. Welche Vorteile hat es?

Die Vorteile liegen darin, dass es einmal unheimlich viel Spaß macht, einmal mit weniger Kleidung unterwegs zu sein. Die Auswirkungen der Freikörperkultur bestehen aus einem Gefühl stärkerer Verbundenheit mit der Umwelt, den Mitmenschen und dem eigenen Körper. Zudem verspürt man ein größeres Freiheitsgefühl und macht die Erfahrung, dass es auch mit weniger geht. Wir haben ja hier in dieser Gesellschaft einen weit verbreiteten Bekleidungszwang, der so nicht unbedingt aufrechterhalten werden muss.

Gibt es auch Nachteile?

Ja, man muss sich natürlich auf die Wetterbedingungen einstellen. Da kann es zum Beispiel sein, dass es ein bisschen kälter ist. Oder es kann sein, dass es sehr warm ist. Wir werden am Sonntag 26 Grad und 10 Stunden Sonne haben - das heißt, man muss sich extrem gegen die Sonneneinstrahlung schützen. Auf der anderen Seite wollen wir auch Bodypainting betreiben und müssen jetzt schauen, wie wir das Bodypainting mit dem Sonnenschutz verbinden, indem wir vielleicht unsere Sonnencreme farbig anrühren.

Und wie viele Leute erwarten Sie?

Ich erwarte so gegen 100 Leute, die bekleidungsoptional dabei sind, also mehr oder weniger nackt. Alle können mitfahren, wie sie wollen. Niemand kann ihnen vorschreiben, was die an- oder ausziehen.

Wann und wo gehts los?

Es startet mit der Körpermalaktion 11 Uhr an der Kreuzung Kronprinzessinnenweg/Königstraße unweit des Bahnhofs Wannsee. Und etwa eine Stunde später werden wir uns zum Bahnhof Wannsee begeben, wo es gegen 12.20 Uhr in Richtung Großer Stern losgeht.

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4 Kommentare

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  • D
    defi

    Richtig, dass viele die Nacktheit anstößig finden. Es sollte aber Anlaß sein, mal über den Sinn von Bekleidung (Badebekleidung) nachzudenken. Ich kenne keinen, der zu Hause mit Badeanzug badet, aber in öffentlichen Duschen seinen Dreck lieber unter der Badehose behält.

  • M
    Marco

    Wieder einmal wird das Tragen von Kleidung als "normal" und das Entkleidetsein als "unnatürlich" dargestellt. Ist es nicht eigentlich anders herum?

     

    Die Kritik ist einfach nur polemisch. Einerseits wird Nackten vorgeworfen, unästhetisch zu sein, dann wird wieder argumentiert, Nacktheit sei sexuell anzüglich.

     

    Wie verklemmt oder sexuell ausgehungert muss man sein, um bloße und vollkommen natürliche Nacktheit als sexuell zu empfinden?

     

    Das Verbot und das Aufregen über Nacktheit ist ebenso absurd, wie das Gebot der Verschleierung (natürlich nur von Frauen!) in fundamental islamischen Regionen. Schamgefühl ist kein Normungsobjekt, das die Masse diktieren sollte, sondern eine individuelle Entscheidung. Manche mögen es ohne Kleidung, manche fühlen sich nur in ihrer Burka wohl (was zB in Frankreich ebenfalls verboten ist).

     

    Bekleidung oder Entkleidung schädigt nicht - derartige Verbote sind opferlose Straftatbestände und es ist eine Schande für jedes freie Land, dass diese noch nicht abgeschafft sind.

  • E
    Egon

    Völliger Schwachsinn und interessiert keinen wirklich ob paar verschrumpelte Nackedeis durch die Stadt fahren. Damit kann man heute kein Aufsehen mehr erregen. Darum gehts denen doch eigentlich nur....

  • L
    Lincoln

    Man soll zwar Toleranz im Alltagsleben gelten lassen, aber dort wo Dritte diese Toleranz ausnutzen um eigene Interessen durchzusetzen ist Schluß mit lustig.

    Es gibt Menschen, die finden Nacktheit in der Öffentlichkeit anstößig oder gar als sexuelle Belästigung. Aus welchem Grund gibt sonst ausgewiesene FKK-Badestrände? (obwohl manche sich wie zuletzt an der Krummen Lanke nicht drum scheren) Irgend wie muß man die berühmte Kirche im Dorf lassen, was hier durch Nakedeis auf der Fahrradssternfahrt nicht gegeben ist.