Prenzlauer Berg: Boombabys besetzen alte Schulen

Im Herbst eröffnen in Prenzlauer Berg zwei staatliche Grundschulen - in Gebäuden, die vor zehn Jahren schon einmal Schulen waren und geschlossen wurden. Kinder sind inzwischen ausreichend vorhanden, Lehrer werden noch gesucht

Noch ist diese Schule ein Traum für jedes Kind: Am Eingang hängt ein großes Schild "Betreten verboten". Ein Zaun versperrt den Zutritt auf das Gelände, das rote Backsteinhaus selbst ist eingerüstet. Auf dem Schulhof stehen Baucontainer und Betonmischer. Bis zum Ende der Sommerferien sollen sie Klettergerüsten und Tischtennisplatten weichen. Dann eröffnet hier im Hof der Danziger Straße 50 eine von zwei neuen staatlichen Grundschulen in Prenzlauer Berg. Der Grund: In dem Stadtteil quellen die Schulen über.

"Wir haben in Pankow mit Abstand die größte Schülerzunahme in Berlin", sagt Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD). 3.350 Erstklässler würden im August eingeschult, vor vier Jahren seien es noch 800 Kinder weniger gewesen. "Im Sommer 2014 werden es laut Statistik mehr als 4.200 Kinder sein."

Alle fünf Jahre erstelle das Landesschulamt normalerweise einen Schulentwicklungsplan, sagt Zürn-Kasztantowicz. Aus der Anzahl der schulpflichtigen Kinder und der vorhandenen Schulen ergebe sich der Bedarf an Schulplätzen. "In Pankow brauchen wir mittlerweile jedes Jahr einen neuen Plan, da die Entwicklung sehr dynamisch verläuft und wir das Angebot regelmäßig anpassen müssen."

Ende der 1990er-Jahre seien im Bezirk noch zahlreiche Schulen geschlossen worden, berichtet die Schulstadträtin. Dann habe im Prenzlauer Berg der Babyboom eingesetzt, der sich mittlerweile auf ganz Pankow ausgeweitet habe. "Zum Glück sind einige der alten Schulen noch in unserem Besitz und können relativ kurzfristig reaktiviert werden." Mit Neubauten könnte man gar nicht schnell genug auf den großen Bedarf reagieren.

In der Danziger Straße ist es eine einstige Gesamtschule, die nun saniert wird und auf eine neue Nutzung wartete. Die zweite Schule entsteht im Eliashof in der Senefelder Straße wenige hundert Meter entfernt, wo sich bis vor zehn Jahren die Struwwelpeter-Grundschule befand. Hier residierten seitdem Kulturangebote wie das Kinder- und Jugendtheater Murkelbühne, die Musikwerkstatt Klangschmiede und das Puppentheater Prenzlkasper. Die müssen sich nun neue Räume suchen.

"Unsere letzte Vorstellung haben wir schon gespielt", sagt Andreas Ulbrich vom Prenzlkasper. "Gekündigt wurde uns zum 30. Juni." Vor vier Jahren ist er mit seinem Theater in den Eliashof gezogen. Damals sei der Senat an ihn herangetreten. "Gefördert durch EU-Gelder, sollte dort ein Jugendzentrum entstehen. Das klang nach Perspektive und Planungssicherheit." Zwei Klassenräume baute Ulbrich mit seinem Kompagnon zu einem kleinen Veranstaltungssaal um; mit den anderen kulturellen Einrichtungen organisierten sie gemeinsame Projekte. "Der Bezirk hilft uns zwar, neue Räume zu finden, aber die Zusammenarbeit hat dann sicher ein Ende", meint er.

Noch hängt das Schild, das den Eliashof als Kinder- und Jugend- Kulturzentrum ausweist. Doch nach den Sommerferien werden hier 50 Erstklässler über den baumbestandenen Hof toben. Welche Kinder das sein und welche Lehrer sie unterrichten werden, damit beschäftigen sich zurzeit noch Bezirk und Senat.

"Um die Organisation zu erleichtern, gelten die beiden neuen Schulen zunächst als Filialen bereits bestehender Grundschulen", sagt Zürn-Kasztantowicz. Die jeweiligen Schulleiter seien für die Auswahl der neuen Lehrer zuständig und auch die Anmeldung der Kinder laufe über sie. "Zum 1. September sollen die Schulen dann selbstständig werden."

Ingolf Liesegang ist Direktor der Grundschule am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg. "Für die neue Schule in der Danziger Straße haben wir die Umbauarbeiten vorangetrieben und die Einrichtung wie Tische und Stühle ausgesucht." Mit Kindern werde die Filiale versorgt, indem man aus der großen Zahl an Anmeldungen diejenigen in die Danziger Straße schicke, die im nahen Umkreis wohnten. Auch das Personal ist laut Liesegang bereits ausgewählt, was trotz Lehrermangels in Berlin kein Problem gewesen sei. "Man hat uns in diesem Fall besonders unterstützt."

Wie viele neue Stellen besetzt werden, mag er nicht sagen, und auch bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist nicht mehr zu erfahren. "Es wird Lehrer an den neuen Schulen geben", sagt Sprecher Martin Sand. Die Gesamtpersonalisierung sei aber noch nicht abgeschlossen. "Da beide Schulen mit zwei ersten Klassen beginnen, ist der Bedarf zunächst nicht besonders groß." Laut Schulstadträtin Zürn-Kasztantowicz sollen in ganz Pankow zum neuen Schuljahr 16 neue Lehrer anfangen. Sie sagt: "Das Personalproblem bleibt in jedem Fall bestehen."

Die Kosten für die Einrichtung der Schulen muss der Bezirk aus dem laufenden Haushalt decken. "Wir bezahlen neben der Unterhaltung der Räume deren Grundausstattung mit Möbeln sowie Hausmeister und Sekretärinnen", sagt Zürn-Kasztantowicz. Bis die Grundschulen voll aufgebaut seien, komme jedes Jahr die Finanzierung eines neuen Klassensatzes an Tischen und Stühlen hinzu. "Zusätzliches Geld dafür kann erst im nächsten Doppelhaushalt berücksichtig werden."

Bleibt die Frage, was Eltern davon halten, ihre Kinder auf eine Schule zu schicken, mit der noch niemand Erfahrungen machen konnte und die nicht einmal einen Namen hat. "Bislang hat sich noch niemand mit derartigen Sorgen an uns gewandt", sagt Kathrin Schulz, Vorsitzende des Bezirkselternausschusses für Pankow. Generell gebe es zwar immer wieder Diskussionen, dass aufgrund der angespannten Situation im Bezirk die Elternwünsche bei der Wahl der Schule nur begrenzt berücksichtigt werden könnten. "Für eine neue Schule im Eliashof haben sich die Eltern jedoch selbst stark gemacht." Schließlich ziehe mit der neuen Schule auch die Musikschule aus der Pappelallee in den Hof, wo sie bislang nur eine Filiale betrieben habe. "Die geplante Zusammenarbeit wird von den meisten Eltern begrüßt."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.