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CDU-Mann wirbt für Türkei als EU-MitgliedEin Buch für den Beitritt

Bislang wehrte sich die CDU geschlossen gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Nun tanzt Ruprecht Polenz aus der Reihe und stellt sein Buch "Besser für beide" vor.

Kanzlerin Merkel möchte eine privilegierte Partnerschaft - mehr aber auch nicht. Bild: dpa

Ein türkisches Sprichwort besagt: Wenn zwei Herzen eins sind, wird die Hütte zum Palast. Dass die große Romantik zwischen der EU und der Türkei bisher ausblieb, ist nicht zuletzt der deutschen Christdemokratie geschuldet.

Nun taucht aber ausgerechnet aus deren Reihen ein Rebell auf, der - wie im Vorwort seines gerade erschienenen Büchleins "Besser für beide. Die Türkei gehört in die EU" (edition Körber-Stiftung, Hamburg 2010) zu lesen ist - "gegen die öffentliche Meinung und die eigene Partei" anschreibt. Jener Sonderling heißt Ruprecht Polenz und ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. In dieser Funktion macht man sich so seine Gedanken über Wohl und Wehe des Abendlandes, wie man am Mittwochabend im Allianz-StiftungsForum am Brandenburger Tor in Berlin erfahren konnte.

Dort präsentierte Polenz in privilegierter Partnerschaft mit dem ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher seinen 100 Seiten starken Standpunkt zur Türkei-Debatte.

Sind die Kopenhagener Kriterien erfüllt, so müsse die Türkei der EU beitreten. Wumms! Man dürfe den Islam nicht eindimensional als Gefahr betrachten. Hört, hört! Europa sei kein homogenes Gebilde, daher gäbe es auch keinen Grund, eine künstliche Kultur-Grenze zu ziehen. Fast schon kulturtheoretischer Rock n Roll!

Und last, but not least bringe eine verschwisterte Türkei ja auch so ihre Vorteile für die europäischen Mitgliedsstaaten, wenn man beispielsweise an die Energiesicherheit denke.

Diese könne eine verbündete Türkei als Brücke nach Zentralasien und in den Nahen und Mittleren Osten nämlich vorerst sicherstellen. Und für Frieden und Stabilität im Mittelmeerraum, Europas elementares Interesse, könne die Türkei ebenfalls sorgen, so Polenz, der auch Kuratoriumsmitglied der Christlich-Islamischen Gesellschaft ist. Dass die Türkei, auch als Folge der Hinhaltetaktik seiner eigenen Partei, sich gerade von Europa ab- und willigeren Verbündeten in arabischen Gefilden zuwendet, bezweifelt Polenz, dieser romantische Träumer vom großeuropäischen Palast. Dies sei aber nur ein vorübergehendes Phänomen und würde sich sicher von selbst erledigen, wenn Europa die Türkei nur endlich ernst nehmen würde.

Ein frommer Wunsch. Aber angesichts der aktuellen Entwicklung stellt sich die Frage, ob die Türkei Europa noch ernst nimmt. TOBIAS NOLTE

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13 Kommentare

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  • P
    pinetop

    "Man dürfe den Islam nicht eindimensional als Gefahr betrachten" So, so! Der Islam anerkennt keine durch Menschen in einem demokratischen Prozess entstandenen Gesetze, sondern nur göttliche Gesetze. Er bestreitet die Gewissensfreiheit. Der Islam teilt die Menschen in gläubige Herrenmenschen und verachtenswerte Untermenschen. Die Antwort auf die Frage, wie eine Theokratie in eine freiheitlich-demokratische Grundordnung zu integrieren sei, bleibt er schuldig.

  • P
    pinetop

    Hier bedarf es vier Anmerkungen:

    1. Was ist denn eine Brückenfunktion? Wenn ein Staat vollständig in eine Staatengemeinschaft integriert ist, kann von einer Brückenfunktion nicht mehr die Rede sein, egal was das sein mag.

    2. Die gegenwärtigen Probleme der EU sind nicht geeignet, über Erweiterungen zu spekulieren. Notwendig ist jetzt eine längere Konsolidierungsphase.

    3. Es darf nicht sein, dass Politiker Beitrittskandidaten vorstellen wie der Zauberer ein Kaninchen. Die europäischen Völker haben über die Ausdehnung von Europa zu diskutieren und die Politiker können nur die Erfüllungsgehilfen sein.

    4. Die EU verlangt einen Rückzug des Militärs aus dem politischen Spiel. Dann ist ein algerisches Szenario durchaus vorstellbar. Ein Politiker, der sich weigert, darüber auch nur nachzudenken, ist ein Hasardeur.

  • V
    vic

    Wäre ich türkischer Entscheidungsträger würde ich dankend ablehnen. 30 Jahre um Aufnahme bitten ist genug.

    Die Türkei braucht die EU nicht, aber die EU braucht die Türkei.

  • R
    Roland

    Gelegenheit!

    Oft macht es Sinn, wenn man mit einem bestimmten Kommentar auf den richtigen Moment wartet. Ich betrachte am heutigen Tag die holländischen Wahlen. Und ich betrachte, was Erdogan in den letzten Tagen für Kommentare von sich gegeben hat. Außerdem berichtet taz, dass die Türkei heute im Stile von China und Iran Google und YouTube sperren ließ. Ob das der richtige Moment ist, für einen EU-Beitritt der Türkei zu werben?

    Mein Kommentar zu den holländischen Wahlen:

    Zwei mal habe ich Jan Peter Balkenende geschrieben, dass er mit seiner EU-Politik daneben liegt. Er meinte im Jahr 2004: „Die Zeit ist vorbei, in der man sagen konnte, die Türkei gehört nicht in die EU, weil sie ein islamisches Land ist.“ Ich habe ihn damals mit sachlichen Argumenten gewarnt. Wenn man heute sieht wo die Türkei steht, wundert es auch nicht, wenn er die Wahl verliert, indem die Volksmeinung ignoriert wird. Noch vielen europäischen Politikern wird es gleich gehen. In ihrer Machtgeilheit interessiert sie nicht, was das Volk will. Zum Glück geht noch bei der Wahl das Recht vom Volke aus, nur hat man oft kaum mehr eine Wahl.

  • T
    thiotrix

    Die Türkei ist gegenwärtig nicht einmal reif für die privilegierte Partnerschaft!

    Offenbar ist Herr Polenz – ebenso wie viele andere CDU-Politiker – von allen guten Geistern verlassen! Mit der Türkei als neuem EU-Mitglied sind Zahlungen von mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr verbunden, fast 10 Milliarden Euro davon müssen aus Deutschland kommen. Zum Dank gibt es eine Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme. Wie blind muß ein Politiker sein, um diese Fakten nicht zu erkennen? Zahlreiche Fakten sprechen gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU, so z. B. die seit Jahrzehnten andauernde Einwanderung von Türken nach Deutschland durch Heiratsmigration und Asylrecht. Seit vielen Jahren ist die Türkei unter den drei wichtigsten Herkunftsländern für Asylbewerber zu finden, auch im Jahre 2009. Nach Irak und Afghanistan kamen die meisten Asylbewerber aus der Türkei. Daran hat sich auch mit Beginn der Beitrittsverhandlungen nichts geändert. Die Türkei muß erst einmal alle türkischen Asylbewerber, die z. T. seit vielen Jahren in Deutschland leben, zurücknehmen und darf diese auch nicht mit Repressalien bedrohen. Das dürften über 100.000 Menschen sein! Und das Land muß die Menschenrechte einhalten, damit kein einziger Türke Asyl in Deutschland beanspruchen kann.

    Seit Jahren gibt es noch eine andere Masche der türkischen Regierung, um die völkerrechtlich zwingende Rücknahme von Landsleuten zu unterlaufen: die Ausbürgerung. Berüchtigtes Beispiel: ein krimineller Clan aus der Osttürkei, der seit 20 Jahren in Berlin lebt. In mühevollen Ermittlungen konnte die Polizei nachweisen, daß diese Leute nicht wie angegeben aus dem Libanon, sondern aus der Türkei stammen. Anstatt eine Rückkehr zu erlauben, hatten die türkischen Behörden die Ausbürgerung veranlaßt- jetzt dürfen die deutschen Steuerzahler diesen Kriminellen lebenslang Sozialhilfe zahlen! Und so ein Land soll in die EU aufgenommen werden?

  • T
    Türke

    Wie heißt es doch so schön :

    " Zu wenig , zu spät " .

    Um der Türkei den EU Beitritt wieder schmackhaft zu machen müsste sich die EU reformieren , sowie Finanz als auch Aussenpolitisch, und da dies nie geschehen wird, ist der Beitritt der Türkei in die EU eine Utopie !

    Vor allem hat sich die EU durch die Beitritte der ach so demokratischen und Wirtschaftlich "stabilen" Ländern wie : Bulgarien,Rumänien,Ungarn usw. selbst enorm geschwächt und in eine gefährlich Lage manövriert!

    Wie unterhalten beste wirtschaftlich und vor allem politische Beziehungen zu den reichen Golf - Süd Amerika -ja sogar Afrika (Kongo,Nigeria usw. ) und Turk Staaten ( Azerbaijan,Turkmenistan,Kasachstan,Tadschikistan,Mongolei usw.- auch das Handelsvolumen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit erreicht ungeahnte Höhen und sorgt für stetigen Wachstum , das Potenzial ist aber noch lange nicht ausgeschöpft !

    Wozu brauchen wir die EU nochmal, lassen sie mich raten um die leeren Kassen in der EU zu füllen ?!

    No way ...

    MfG

  • C
    Charlotte

    Die Türkei darf nie in die EU. Herr Polenz ist wohl das Opfer der Mittagsonne geworden. Pfui!

  • T
    tmms

    Kann Art da nur zustimmen.

     

    Nicht nur deshalb finde ich diesen Beitrag vom Stil voll daneben.

  • S
    Sebastian

    Die Türken sollen sich erstmal um ihren eigenen Dreck kümmern, Armenien Frage, mehr Mitleid mit Palis als mit der eigenen Bevölkerung, Islamismus...

  • S
    Stefan

    Die Annahme die Annäherung der Türkei zu seinen arabischen Nachbarn habe etwas mit verschmähter Liebe zur Europäischen Union zu tun ist grundsätzlich falsch. Diese Annäherung erfolgt in erster Linie aus ideoligischen Gründen, wollen doch Erdogan und seine AkP die Errungenschaften Atatürks um eine Öffnung nach der Türkei nach Westen am liebsten ungeschehen machen. In Ankara träumt man längst schon feuchte Träume von der Auferstehung des Osmanischen Reiches und einer Großmachtstellung der Türkei im Nahen und Mittleren Osten. Auch die ungeheuren Drohungen und Provokationen gegen Israel, die mittlerweile iranisches Niveau erreicht haben, dienen allein dem Zweck sich in der Arabischen Welt beliebt zu machen und als Schutzmacht zu provilieren.

    Auch die starken islamisierungstendenzen in der Türkei sowie die neuerlich entfachte Hetze gegen die christlich-armenische Minderheit sollten ein Zeichen sein die Türkei nicht nur in der EU sehr viel kritischer zu beachten, auch die NATO-Mitgliedschaft der Türkei sollte einer genauen Prüfung unterzogen werden.

  • LR
    Lars R.

    Polenz ist durch sein Wunschdenken und Naivität in Sachen Türkei Beitritt schon öfters negativ aufgefallen, ich glaube nicht, dass er in der deutschen politischen Szene ernst genommen wird und das ist auch gut so.

  • R
    Richi

    Man kann es ja auch so sehen, mittlerweile ist die Befürwortung des Beitritts der Türkei zur EU ein populistisches Thema, denn die Zeiten haben sich geändert. Wer traut sich schon noch dagegen zu sein. Ähnlich wie bei Kernenergie oder Genforschung, Befürworter von Genforschung und Atomenergie werden quasi diskriminiert, so sind z.B für mich die Gegner von Kernenergie oder Genforschung Populisten, weil sie nur wegen der veröffentlichten Meinung dagegen sind.

    --> Also, Polenz ist ein neuzeitlicher Populist: immer politisch angepasst, mediengeliebt und dadurch reich und gut versorgt.

  • A
    Art

    Polenz ist mir wegen seiner sachlichen und populismusfreien Haltung u.a. zum EU-Beitritt der Türkei, aber auch zu anderen politischen Fragen, schon vor Jahren positiv aufgefallen. Schade, dass er damit innerhalb der Union eine Ausnahme bildet.