piwik no script img

Prozess gegen Pokerturnier-RäuberVon wegen Pokerface

Sie überfielen das Pokerturnier am Potsdamer Platz, jetzt stehen die Täter vor Gericht - und gestehen. Verschollen bleibt die Beute: Nur 4.000 Euro sind aufgetaucht.

Die geständigen Räuber pokern hoch: Wo die Beute ist, sagen sie nicht Bild: korona-pl/CreativeCommons BY 2.0

Für abgezockte Gaunerprofis hatte man sie anfangs gehalten - doch vor der Jugendkammer des Landgerichts stehen am Montag vier eher unbedarfte Jungs. Der 21-jährige Vedat S., der 19-jährige Jihad C. und die beiden 20-jährigen Ahmad A. und Mustafa U. hatten Anfang März das von mehreren hundert Spielern besuchte Pokerturnier im Hotel Grand Hyatt überfallen und genau 241.930 Euro erbeutet. Seit Montag wird ihnen wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung der Prozess gemacht.

Breitschultrig, mit Hemden und gegelten Haaren sitzen die vier Männer hinter Sicherheitsglas. Lächelnd winkt Ahmad Freunden im Publikum zu. Ob die Anklage stimme, ob sie die Täter des Pokerüberfalls seien, fragt Richter Helmut Schweckendieck die Beschuldigten. Mit einem genuschelten "Ja" gestehen diese reihum. Es sei aber nicht ihr Plan gewesen, auch hätten sie nur widerwillig mitgemacht.

Erst am Morgen des Tattages seien sie von dem Onkel von Jihad C., dem 28-jährigen Ibrahim El-M., in ein Schnellrestaurant am Potsdamer Platz zusammengerufen worden. Eine "Tasche ziehen" hätten sie sollen, lässt Jihad C. über seinen Anwalt verlesen - die Tasche mit den eine Million Euro Tagesgeldern vom Pokerturnier. Er habe nicht mitmachen wollen, habe sich aber "getrieben" gefühlt, so der 19-Jährige. Während ein sechster Anwesender abspringt, ziehen die vier mit Sturmmasken, einer Schreckschusspistole und einer Machete los. Ibrahim El-M. wartet im Fluchtwagen.

Dann geht beinah alles schief. Ein Paar Handschuhe fehlt, die gelben Putzhandschuhe will Vedat S. nicht tragen: "zu lächerlich". S. hinterlässt zahlreiche Fingerabdrücke am Tatort, lässt sich von einem Wachmann in den Schwitzkasten nehmen. Jihad C. und Mustafa U. müssen zurückkehren und ihren Freund befreien. Die Sturmhauben haben sie da schon ausgezogen: Kameras filmen ihre Gesichter. Eine Laptoptasche mit einem Großteil der Beute verlieren sie im Durcheinander. Zudem hatte ein Passant die Nummer des Mercedes notiert, mit dem Verdat S. zum Potsdamer Platz fuhr.

Die Beweise sind erdrückend, die Geständnisse keine Überraschung. Sie hätten sich "vom Geld locken lassen", hatte das Quartett beim Haftrichter ausgesagt. Auch habe man die Tat durchgezogen, um sich nicht vor den anderen zu blamieren. Verdat S. räumt ein, zur Tatzeit das aufputschende Schmerzmittel Tilidin genommen zu haben. Jihad C. und Mustafa U. entschuldigen sich bei Wachleuten, die bei den Handgemengen leichte Verletzungen davontrugen.

Zu zwei Fragen aber schweigen die Angeklagten: Wo ist die Beute? Und wer sind die Auftraggeber? Bis heute hat nur Mustafa U. 4.000 Euro seines Beuteanteils zurückgegeben. Jeder der vier habe 40.000 Euro erhalten, so die Angeklagten. Den Rest hatte Ibrahim El-M. einbehalten. Nur U. behauptet, lediglich 5.000 Euro erhalten zu haben.

Als Ideengeber hinter dem Überfall gelten Ibrahim El-M. und der 31-jährige Mohammed Abou-C., die ebenfalls in Haft sitzen. Abou-C. soll beim Turnier mitgespielt und per Handy das Startsignal zum Überfall gegeben haben. Gegen sie wird gesondert verhandelt, beide sind nicht geständig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch nach weiteren möglichen Tätern.

Die vier jetzt angeklagten Jungräuber sind eine Freundesclique. Die gebürtigen Türken und Libanesen wohnen in Kreuzberg und Neukölln. Vedat S. und Mustafa U. kennen sich seit Kindertagen. Keiner von ihnen brachte seine Ausbildung zu Ende. Dafür werden alle vier schon in jungen Jahren kriminell auffällig: Raub, Schlägereien, Diebstahl. Mustafa U. wird als Intensivtäter geführt, er wurde erst im Februar aus knapp dreijähriger Haft entlassen. Vergangene Woche wurde bekannt, dass er und Vedat S. auch in einen anderen Casino-Überfall involviert sein sollen. Vedat S., der wegen seines frühen Geständnisses und der Belastung seiner Komplizen haftverschont war, wurde daraufhin wieder inhaftiert.

"Ich bereue meine Beteiligung sehr", so Jihad C. Nun drohen den vier mehrjährige Haftstrafen. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt, dann will auch Ahmad A. sein Geständnis vortragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!