BUNDESPRÄSIDENTENWAHL: Abweichler erzwingt Münzwurf

Mindestens ein Abgeordneter von SPD, Grünen und FDP stimmt in der Bürgerschaft gegen Gauck. Wulff nützt das nichts - weil ein CDU-Abgeordneter fehlt.

Ist zu busy zum Wulffen: Der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Jörg Kastendiek Bild: kawe

Nur mit Losglück ist es SPD, Grünen und FDP gestern in der Bürgerschaft gelungen, dem DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck bei der bevorstehenden Wahl des Bundespräsidenten vier Stimmen aus Bremen zu sichern. Von 81 abgegebenen Stimmen entfielen lediglich 50 auf die Gauck-Liste, 25 Abgeordnete stimmten für die von der CDU aufgestellten Wahlmänner und -frauen, die den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff zum Bundespräsidenten machen wollen. Sechs Stimmzettel waren ungültig.

Damit gingen zunächst drei der fünf Plätze an die Gauck-BefürworterInnen Jens Böhrnsen (SPD), Sibylle Böschen (SPD) und Tim Weber (für die Grünen), einer an den Wulff-Befürworter Thomas Röwekamp (CDU). Beim fünften Platz gab es, bedingt durch das Auszählungssystem, ein Patt. Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) warf eine Bremer Zwei-Euro-Münze. Deren Oberseite ("Rathaus mit Roland") sicherte dem FDP-Abgeordneten Oliver Möllenstädt als viertem Gauck-Befürworter die Fahrt nach Berlin. In den Landtagen von Hessen und in Nordrhein-Westfalen, wo es ebenfalls zu Patts bei der Bestimmung der Wahlmänner und -frauen kam, hatte das Los jeweils zugunsten der Unterstützer Wulffs entschieden.

Die Zusammensetzung der Bundesversammlung durch Münzwurf zu bestimmen, sei "unwürdig", schimpfte CDU-Fraktionssprecher Gunnar Meister im Anschluss an die Bremer Abstimmung. In diesem Fall hätte die CDU das Glücksspiel indes leicht verhindern können. Ihr stellvertretender Landesvorsitzender Jörg Kastendiek glänzte durch Abwesenheit. Mit seiner Stimme hätte die CDU nicht eine, sondern zwei Personen in die Bundesversammlung entsenden können. "Wir müssen das zur Kenntnis nehmen", sagte Meister, und: "Wir schielen nicht auf die einzelne Stimme." Auch bei der Linken fehlte ein Abgeordneter.

Die Bremer FDP, ob ihrer Unterstützung für Gauck intern zerrissen, feixte, "anders als die Union" sei die eigene Fraktion "anwesend, wenn es drauf ankommt". Kastendiek weilte nach Auskunft seiner Frau "beruflich" in Stuttgart und war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Offensichtlich hatte die CDU, die im Normalfall 23 Sitze in der Bürgerschaft hat, nicht ernsthaft mit einer Chance auf einen zweiten eigenen Wahlmann gerechnet. Denn eigens um diesen zu verhindern hatten sich SPD, Grüne, inklusive des Ex-Grünen Klaus Möhle, und FDP zu einer Zählgemeinschaft zusammengeschlossen. Gegen ihre 51 Stimmen hätte auch Kastendieks nichts genützt. Mindestens ein Abgeordneter der Zählgemeinschaft aber stimmte ungültig oder gar für Wulff. Insgesamt gaben mindestens drei Nicht-CDUler den CDU-Wahlmännern ihre Stimme.

Das Auszählungsverfahren nach dem System von dHondt ist für die Wahl der Wahlmänner und -frauen per Bundesgesetz vorgeschrieben. Um ein 3 : 2-Ergebnis auch bei 51 Gauck-BefürworterInnen erreichen zu können, hätte die CDU insgesamt 26 Stimmen gebraucht.

Welchem Präsidentschaftskandidaten die Wahlmänner und -frauen in der Bundesversammlung letztlich ihre Stimme geben, ist Ihnen selbst überlassen. Die Wahlen dort sind auch geheim. Möllenstädt beteuerte gestern, an seiner Unterstützung für Gauck werde sich nichts ändern. Druck von Seiten der FDP, im Zweifel doch Wulff, den Kandidaten der schwarz-gelben Koalition im Bund, zu unterstützen, fürchtet er nicht. Wulffs Mehrheit, sagte er der taz, hänge aller Voraussicht nach nicht von seiner Stimme ab.

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