Alle Stricke reißen

Je klarer die Einwände des Bundeskartellamts gegen die Übernahme von ProSiebenSat.1 werden, desto unklarer ist, wie Springer gegensteuern kann

Von Peer Schader

Es müssen trübe Tage für Mathias Döpfner und die hohen Herren in der Chefetage des Springer-Verlags gewesen sein. Am Freitag wurde bekannt, dass das Bundeskartellamt massive Bedenken hat, die angestrebte Fusion mit ProSiebenSat.1 zu genehmigen (taz von gestern). Am Montag haben die Bonner Fusionskontrolleure nachgelegt, ihre Einwände begründet – und damit endgültig bestätigt, dass es für Springer nicht gut aussieht.

Einerseits befürchtet das Kartellamt eine Verstärkung des Duopols der beiden Mediengiganten Bertelsmann und Springer, in dem es kaum noch Wettbewerb geben würde. Andererseits sorgt die marktbeherrschende Stellung Springers nicht nur auf dem Anzeigen-, sondern auch auf dem bundesweiten Lesermarkt im Segment der Boulevardzeitungen, also explizit die Auflagenstärke der Bild-Zeitung, für großes Unwohlsein bei den Kartellwächtern. Durch die Fusion erhielte Springer die Möglichkeit, die Vormachtstellung seiner Boulevardzeitung über mehrere Medien abzusichern und zu verstärken, glaubt man in Bonn.

Je klarer die Einwände des Kartellamts gegen die Übernahme werden, desto unklarer ist, was Springer tun kann, um die Kartellwächter doch noch zu überzeugen. Gestern berichtete die Financial Times Deutschland (FTD), Springer sei bereit, umfassende Zugeständnisse zu machen, damit der Zusammenschluss doch noch durchgewunken wird. Man könne sich vorstellen, die Hörfunkbeteiligungen und die am Druckkonzern Prinovis zu verkaufen. Sogar eine Veräußerung der Programmzeitschriften (Hörzu, TV Digital) ist laut FTD und FAZ in der Diskussion. Dass Springer aber tatsächlich ein Geschäft verkauft, auf dem Verlagsgründer Axel Springer das Unternehmen nach Kriegsende aufgebaut hat, ist eigentlich nur schwer vorstellbar. „Wenn Springer dem Kartellamt tatsächlich derart weit reichende Zugeständnisse macht, würde mich das sehr überraschen“, sagt Horst Röper, Medienkonzentrationsexperte und Chef des Dortmunder Formatt-Instituts.

Anders verhält es sich freilich mit dem Druckunternehmen Prinovis, an dem Springer gerade einmal 25,1 Prozent hält. Röper: „Der Verkauf dieses Anteils täte Springer nicht weh, sondern brächte im Gegenteil ja noch eine beträchtliche Summe, mit der sich die Übernahme von ProSiebenSat.1 finanzieren ließe.“ Doch selbst wenn Springer all diese Zugeständnisse, die seitens des Verlags bis zum Mittag nicht kommentiert wurden, eingehen würde – dass das Unternehmen bundesweit den Markt für Boulevardtitel anführt, wird Springer wohl kaum entkräften können. Es sei denn, der Verlag verkauft sein Flaggschiff. Und das ist ja nun wirklich kompletter Blödsinn, einfach unvorstellbar.

Bis zum 8. Dezember hat Springer Zeit, zu dem Zwischenbericht des Kartellamts Stellung zu nehmen und eventuelle Kompromisse vorzuschlagen. Die Fusionskontrolleure wollen sich dann bis zum 27. Dezember Zeit lassen, um endgültig zu entscheiden. Nach einem spätweihnachtlichen Geschenk für Springer sieht es derzeit aber nicht aus. Und ob es tatsächlich Sinn macht, gegenüber den Experten damit zu argumentieren, dass Bertelsmann die viel größere Machtzusammenballung besitze, sei auch mal dahingestellt.

„Der Versuch von Springer, sich gegenüber Bertelsmann als kleiner Konzern zu positionieren, ist unlauter“, sagt Medienforscher Röper. „Der Vergleich stimmt nur, wenn man die Gesamtzahlen vergleicht. In Deutschland sind Bertelsmann und Springer auf Augenhöhe.“ Außerdem konkurriere Bertelsmann hierzulande in vielen Feldern mit mehreren Mitbewerbern. Röper: „Eine solche marktbeherrschende Stellung, wie Springer sie im Markt der Boulevardzeitungen hat, gibt es bei Bertelsmann nicht.“