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Australien gegen Ghana24 Minuten Hoffnung

Australien kämpfte, um nicht vorzeitig aus dem Turnier auszuscheiden. Doch es blieb bei einem Unentschieden. Und Ghana scheiterte in Überzahl am eigenen, überhasteten Sturm.

Schau auf den Bildschirm, Schiri. Australiens Spieler versuchen den Schiedsrichter von der roten Karte abzuhalten. Bild: dpa

Die Australier hatten exakt ein Argument. Denn eigentlich war im Auftaktspiel gegen Deutschland für sie schon alles schief gelaufen, was hätte schief laufen können. Mit den vier Gegentoren hatten die Soccerroos ihr Torverhältnis ruiniert, außerdem war ihr Star Tim Cahill nach seiner roten Karte für das vorentscheidende Spiel gegen Ghana gesperrt. Und doch hatte Australien Hoffnung, dass diesmal alles besser laufen sollte, und diese Hoffnung trug den Namen Harry Kewell.

Der lange verletzte Flügelflitzer von Galatasaray Istanbul sollte es richten. Anfangs sah auch alles gut aus. Kewells Mannschaft war nach einem Freistoß und einem grotesken Fehler des ghanaischen Torwarts Richard Kingson in der 11. Minute in Führung gegangen und Ghana machte kaum Anstalten, daran groß etwas zu ändern. Dann kam die 24. Minute und der erste ernstzunehmende Angriff der Black Stars.

Andrew Ayew hatte sich sich an der Torauslinie den Ball erkämpft und nach innen geflankt, wo Anthony Annan abzog. Der Ball ging an Australiens Torwart Mark Schwarzer vorbei und doch nicht ins Tor. Denn auf der Linie stand Hoffnungsträger Kewell. Nur leider hatte er den Ball mit dem rechten Arm abgeblockt. Oder war er angeschossen worden? Egal, seine WM war nach 24 Minuten schon wieder vorbei. Schiedsrichter Roberto Rosetti (Italien) pfiff und gab folgerichtig Rot für Kewell und Elfmeter für Ghana. Wie im Auftaktspiel gegen Serbien verwandelte Asamoha Gyan sicher zum 1:1 Ausgleich.

Statistik

Ghana - Australien 1:1 (1:1)

Ghana: Kingson- Pantsil, Jonathan Mensah, Addy, Sarpei - Kevin-Prince Boateng (87. Amoah), Annan - Tagoe (56. Owusu-Abeyie), Asamoah (77. Muntari), André Ayew - Gyan

Australien: Schwarzer - Wilkshire (84. Rukavytsya), Moore, Neill, Carney - Valeri, Culina - Emerton, Holman (68. Kennedy), Bresciano (66. Chipperfield) - Kewell

Schiedsrichter: Rosetti (Italien)

Zuschauer: 34.812

Tore: 0:1 Holman (11.), 1:1 Gyan (25./Handelfmeter)

Gelbe Karten: Addy, Annan, Jonathan Mensah / Moore

Rote Karten: - / Kewell (24./Handspiel)

Doch nicht nur für Kewell war die WM damit gelaufen, auch sein Land war nach dieser Szene eigentlich ausgeschieden. Sie hätten nicht nur gewinnen, sondern auch viele Tore schießen müssen, um überhaupt eine realistische Chance aufs Weiterkommen zu haben. Gut für sie, dass Ghanas Kingson, Rekordnationalspieler und gegen Serbien eine sichere Bank, die Geschichte der absurden Torwartfehler bei dieser WM fortschrieb.

Zugegeben, der von Mark Bresciano über die Mauer gezwirbelte Ball sprang tückisch auf, trotzdem hätte Kingson ihn klären müssen. Stattdessen fuchtelte er wild mit den Armen und schaufelte den Ball direkt vor die Füße des heranstürmenden Brett Holman.

Wäre dieses Geschenk nicht gewesen, man hätte sich schon vor dem Spiel fragen müssen, wo die australischen Tore denn überhaupt herkommen sollten. Trainer Pim Verbeek hatte ohnehin nur drei gelernte Stürmer für die WM nominiert und wie gegen Deutschland nahmen die alle auf der Ersatzbank Platz. Zudem fehlte mit Tim Cahill der ansonsten zuverlässigste Schütze. Als dann auch noch Kewell vom Platz musste, war Australien offiziell sturmlos.

Weil auch die Ghanaer sich offenbar mit dem Unentschieden zufrieden gaben, entwickelte sich zunächst eine zähe Partie ohne viele Höhepunkte. Nur der quirlige Ayew sorgte mit seinen Tempodribblings immer wieder für Gefahr. Bei den wenigen Chancen, die sich für Ghana aufgrund der Feldüberlegenheit zwangsläufig ergaben, konnten sich die Australier auf Torwart Mark Schwarzer verlassen. Vor allem gegen Kevin-Prince Boateng parierte er in der 44. Minute prächtig.

Beobachtet wurde das Spiel von Bundestrainer Joachim Löw und seinem Chefscout Urs Siegenthaler auf der Tribüne, die sich den deutschen Gegner für das „Endpiel“ der Gruppe D anschauten. Ghana hatte in der Innenverteidigung gegenüber dem Serbienspiel komplett umstellen müssen. Lee Addy und Jonathan Mensa ersetzten die Verletzten Isahac Vorsah und John Mensa. Im ersten Spiel hatte sich die jüngste Mannschaft des Turniers trotz der verletzten Stars um Michael Essien sprudelnd vor Spielfreude und furchtlos vor dem Gegner präsentiert. Davon war gegen Australien nicht viel zu sehen.

Mit zunehmender Spieldauer entglitt ihnen sogar die Kontrolle über das Spiel. Die Australier, die bis zum Schluss um ihre theoretische WM Chance aufopferungsvoll kämpften, hatten sogar die große Möglichkeit zum Sieg, als Luke Wilkschire nach einem Traumpass des eingewechselten Scott Chipperfield allein auf Kingson zulief. Die Zuschauer, die Ghana - vielleicht die größte afrikanische Hoffnung bei dieser WM - frenetisch anfeuerten, hielten den Atem an. Doch diesmal zeigte Kingson, dass auch er ein guter Torwart ist, und warf sich dem Schuss entschlossen entgegen.

Seine Mannschaft hat sich jetzt die beste Ausgangsposition in der Gruppe D erarbeitet. Mit vier Punkten führt Ghana vor Deutschland und Serbien mit jeweils drei Punkten. Sogar Australien könnte theoretisch noch weiterkommen. Allerdings wird Ghana mit dieser Leistung niemanden im deutschen Team Angst gemacht haben. Aber was heißt das schon in dieser Gruppe, in der anscheinend keine Mannschaft konstant spielen kann, weder schlecht noch gut.

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