Autonome Nationalisten: Neonazischläger im Kapuzenpulli
Sie ziehen sich an wie Linke, wettern gegen das Kapital - und greifen Gewerkschafter und Antifa-Aktivisten an. Die Zahl der Autonomen Nationalisten ist den letzten Jahren stark gestiegen.
BERLIN taz | Plötzlich ging die S-Bahn-Tür auf, und die Neonazis prügelten mit Holzlatten los. "Wenn die Polizei nicht massiv Tränengas eingesetzt hätte, hätte es Schwerverletzte gegeben", sagte einer, der dabei war, der taz. Vor zwei Wochen war das, nach einer Demo gegen Neonazis in Hildesheim. Die Angreifer waren: "Autonome Nationalisten".
Seit vielleicht sieben Jahren gibt es "Autonome Nationalisten" in Deutschland. Das sind Neonazis, die neben der NS-Ideologie antiimperialistische Parolen brüllen ("Kapitalismus zerschlagen") und sich auch die Kleidung von den Linksautonomen abgeschaut haben - schwarze Kapuzenpullis, Baseballcaps, Sonnenbrillen.
Während die Zahl der Mitglieder rechtsextremer Parteien sinkt, steigt die der "Autonomen Nationalisten". Auf rund 800 schätzt Verfassungsschutzchef Heinz Fromm ihre Zahl, nachdem es vor drei Jahren noch 400 bis 500 waren. Ballungsräume sind das Ruhrgebiet und Berlin.
"Autonome Nationalisten" sind bekannt für ihre Gewaltbereitschaft - laut Verfassungsschutz ist diese weiter gestiegen. "Wenn die Gewalt eskaliert, sind oft ,Autonome Nationalisten' beteiligt", sagt auch der Rostocker Rechtsextremismusforscher Andreas Klärner. Er wird an diesem Donnerstag bei einer Tagung des Brandenburger Verfassungsschutzes ("Schwarze Blöcke rechts und links") von seinen Erkenntnissen berichten.
Es gibt zahlreiche Beispiele, die die zunehmende Gewalttätigkeit der "Autonomen Nationalisten" belegen. So griffen am 1. Mai 2009 rund 300 von ihnen mit Steinen und Stangen eine Gewerkschaftskundgebung in Dortmund an. In Hamburg waren sie im Jahr davor an den heftigsten Maikrawallen beteiligt, die die Stadt seit Langem erlebt hatte. Im hessischen Wetzlar wiederum wurde im März dieses Jahres ein Molotowcocktail auf das Haus eines kirchlichen Neonazigegners geworfen. Die mutmaßlichen Täter gehören laut Staatsanwaltschaft der "Anti-Antifa Wetzlar" an. Der Landesverfassungsschutz hatte in den Monaten zuvor bereits vor den "Autonomen Nationalisten Wetzlar" und der "Anti-Antifa" gewarnt. Im Netz drohten die: "Wer braune Gewalt sucht, der bekommt sie."
Und noch etwas ist den Verfassungsschützern aufgefallen: Während noch vor wenigen Jahren in der NPD und bei anderen "klassischen" Neonazis das Outfit der "Autonomen Nationalisten" oder auch die Bereitschaft, Anglizismen zu benutzen ("Fight the system"), auf heftige Ablehnung gestoßen war, sei nun "eine zunehmende Verzahnung beider Richtungen zu erkennen", heißt es in dem am Montag vorgestellten Bericht. Das konnte man zuletzt auch am 1. Mai in Berlin sehen. Angemeldet wurde die Neonazidemo von der NPD - am Ende marschierten fast nur Rechtsextreme im Look der "Autonomen Nationalisten" auf.
In den Medien ist diese Entwicklung noch nicht angekommen. Dort werden Neonazis vor allem als Glatzen mit Springerstiefeln und Bomberjacken abgebildet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
US-Präsidentschaftswahlen
Die neue Epoche
Trump erneut gewählt
Why though?
Harris-Niederlage bei den US-Wahlen
Die Lady muss warten
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala