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Antisemitismus in AmsterdamKippa statt Uniform

Erst kamen "Lockhuren" dann"Lockomas", nun wollen die Niederlande "Lockjuden" einsetzen. Undercover sollen so Übergriffe und Gewalt gegen Juden bekämpft werden.

Er ist ein potenzielles Opfer antisemitischer Gewalt: Rabbiner Eliezer Wolff. Bild: ap

Um Täter auf frischer Tat zu ertappen, will die Stadt Amsterdam sogenannte "Lockjuden" einsetzen. Mit solchen Undercover-Polizisten will man gegen Antisemitismus vorgehen. Die Methode ist nicht neu: In den Niederlanden waren verkleidete Polizisten bereits als "Lockhomos", "Lockhuren" und "Lockomas" aktiv.

Aktuell plädiert der Sozialdemokrat Ahmed Marcouch, früher Stadtrat in Amsterdam und neuerdings Haager Parlamentsmitglied, für "Lockjuden". Der marokkanischstämmige Marcouch schlägt diese Maßnahme vor, weil Juden beschimpft, belästigt und bedroht werden und mancher inzwischen darauf verzichtet, eine Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung, zu tragen.

Häufig gehen die Angriffe von Jugendlichen marokkanischer Herkunft aus. "Die Möglichkeiten, die Quälgeister zu finden, sind begrenzt", sagte Marcouch in einem Interview. Lodewijk Asscher, Amsterdams Bürgermeister, will prüfen lassen, ob unorthodoxe Maßnahmen wie "Lockjuden" helfen können, Diskriminierung und Gewalt gegen Juden zu unterbinden. Auch Interims Justizminister Hirsch Ballin befürwortet den Einsatz von Polizisten mit einer Kippa.

Auslöser der aktuellen Debatte ist ein kurzer, mit einer verborgenen Kamera gedrehter Film. Er dokumentiert, dass marokkanischstämmige Jugendliche dem Schuldirektor und Rabbiner Lody van de Kamp und zwei Schülern bei einem Gang durch Amsterdam lauthals "Jude" und "Krebsjude" nachrufen. Zweimal streckt sich ein Arm zum Hitlergruß. Antisemitismus gebe es in allen Zeiten, kommentiert van de Kamp diese Alltagserfahrung. In jüngster Zeit häuften sich allerdings die Vorfälle. Gehe er sechsmal aus dem Haus, werde er dreimal belästigt, so seine persönliche Bilanz.

Ronny Naftaniel, Direktor des Zentrums für Information und Dokumentation Israel (Cidi), sagt in einem Telefongespräch, dass die Meldungen antisemitischer Vorfälle zunehmen. Im Jahr 2009 seien 167 Fälle gemeldet worden gegenüber 108 im Jahr davor. "Es handelt sich vor allem um Drohmails und Beschimpfungen auf der Straße, aber auch um den Hitlergruß, um Vandalismus, körperliche Gewalt." Er begrüßt den Einsatz von "Lockjuden". Die Täter seien sonst nur schwer zu fassen. "Wenn man die Polizei angerufen hat, sind sie schon wieder weg", sagt Naftaniel. Er glaubt, dass "es abschreckend ist, wenn Täter wissen, nicht alle Menschen mit einer Kippa sind Juden, sondern auch Polizisten".

Der Meldpunt Discriminatie für die Region Amsterdam hat 17 gemeldete Fälle von Antisemitismus im Jahr 2008 registriert, 2009 waren es 41. Gestiegen sind dort auch die Fälle von Gewalt gegen Homosexuelle: von 12 auf 18. Henk Krol, Initiator der Legalisierung der Homoehe in den Niederlanden und Chefredakteur der homosexuellen Zeitung GK bestätigt diese Tendenz. "Die geringste Akzeptanz für Homosexualität besteht unter jungen Niederländern türkischer oder marokkanischer Herkunft", sagt er am Telefon. Insbesondere eine sehr kleine Gruppe marokkanischstämmiger junger Niederländer sei auffällig, mit Betonung auf "sehr kleine". "Sie beeinflussen damit das Image einer ganzen Gemeinschaft", so Krol. "Homosexualität ist in den Familien nur schwer ansprechbar und die Erziehung geschieht oft auf der Straße. Das hat in Marokko funktioniert, das funktioniert in den Niederlanden nicht." Es seien chancenarme Jugendliche, fügt er hinzu, auch Neid spiele eine Rolle. "Sie sehen, dass Homosexuelle gut integriert sind, gute Jobs haben, Minister werden können. Das löst Aggressionen aus." Henk Krol findet die Initiative von Marcouch gut. Den Einsatz von "Lockhomos" hält er für problematisch. Meistens passiere dann gerade nichts und man dürfe auch nicht zu Straftaten auffordern.

Ob Undercover-Agenten erlaubt sind, darüber entscheidet die Staatsanwaltschaft. Die Methode muss im Verhältnis zur Schwere eines Delikts stehen und es muss sicher sein, dass Täter nicht von ihren normalen Handlungen abweichen. Der Erfolg einer "Lockoma" in der Stadt Gouda gilt als beispielhaft. Eine Polizistin ertappte als ältere Frau verkleidet Taschendiebe auf frischer Tat. Und immer, wenn sich in Gouda irgendwo Diebstahlsdelikte häufen, ist die "Lockoma" wieder am Start.

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10 Kommentare

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  • G
    Galluser

    in Frankfurt-Gallus lauf ich neben meinem Freund her als wären wir nur Kumpels.. Ich will auch einen Lockhomo in diesem Stadtviertel! Hier sind es übrigens die "chancenlosen" Jugos, die trouble machen. Egal ob kroatisch-katholisch, serbisch-orthodox oder bosnisch-islamisch.. In Homohass scheinen sie wieder vereint zu sein, es lebe Jugoslawien..

  • S
    Sebastian

    @ taz Leser

     

    Immerhin ist das schon ein Anfang. Normalerweise werden aus Migranten schnell Deutsche, und aus Murat und Mohammed werden Paul und Christian.

  • TL
    taz Leser

    Wie man diesen Artikel schreiben konnte, ohne das Wort Islam zu verwenden, wird für immer das Geheimnis der Autorin bleiben.

     

    "Chancenlose Jugendliche marokkanischer und türkischer Herkunft". Wir haben verstanden, Madame Neusprech.

  • JJ
    @ Jack

    Holger N ist nicht verbittert.

     

    Er ist Realist und manchmal ist die Realität eben bitter.

  • J
    Jack

    @ Holger N.: Sie klingen wie ein verbitterter alter Mann.

  • HN
    Holger N.

    Man sieht förmlich die Bauchschmerzen, mit denen er Artikel geschrieben wurde... aber immerhin.

     

    "Insbesondere eine sehr kleine Gruppe marokkanischstämmiger junger Niederländer sei auffällig, mit Betonung auf "sehr kleine"."

     

    Natürlich, wenn schon sowas böses und integrationsfeindliches geschrieben werden mus, dann muss man es betonen, dass es nur eine kleine Gruppe sei. Wenn hierzulande 50 NPD-Anhänger eine Demo planen, wird so getan, als wären es Millionen.

     

    "Es seien chancenarme Jugendliche, fügt er hinzu, auch Neid spiele eine Rolle."

     

    Jaja, immer chancenarm, ausgegrenzt, wir weinen gleich. Sollen die jeweilige Sprache lernen, sich nen Job suchen, nicht rumprollen und messerstechen, und dann haben sie die gleichen Chancen wie ich sie auch hatte, und wie andere sie haben.

  • H
    Harm

    Ok, aber "die Niederlande wollen" ist nun schon ein Unterschíed zu "ein Politiker fordert".

    ("Thilo Sarrazin-Effekt")

  • S
    sdfsd

    gelomat, ich will auch bulle werden

  • S
    Sebastian

    Sollte man in Deutschland auch machen, hier ist der Judenhass genau so verbreitet!

     

    Auch erwarte ich von linken Demonstranten mehr Engagement gegen Judenhass, es macht mich einfach nur traurig wenn Linke, Rechte und Migranten zusammen marschieren und die Linken nicht eingreifen wenn Judenhass propagiert wird.

     

    Bei jedem noch so kleinen ausländerfeindlichen Übergriff wird ein Fass aufgemacht, aber wenn Juden oder Israelis betroffen sind ist es ja halb so wild, die haben ja schon allein wegen ihrer Anwesenheit provoziert. Man könnte meinen das Israelis keine Ausländer sind, im Gegensatz zu Indern oder Türken.

  • SM
    Steffen M.

    Zuerst dachte ich dass ich in "Warheit" gelandet bin.

    Es erschien mir einfach zu absurd.

     

    Aber so dumm ist die Idee gar nicht.

    Ich habe einen jüdischen Bekannten in Berlin der nicht mit Kippa aus dem Haus gehen kann weil er sonst sofort angepöbelt wird.