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GEFAHREN BEIM RADFAHRENZu viele Räder, zu wenig Platz

Die Zahl der Fahrradfahrer steigt - und mit ihr die Zahl der Unfälle. Der Senat setzt auf neue Radwege, der ADFC will auf großen Straßen die rechte Spur für Räder freigeben.

Ganz so eng ist es auf Berlins Straßen dann glücklicherweise doch nicht Bild: ap

Es ist der Albtraum eines jeden Radfahrers: Man überholt einen anderen Radler, stößt aus Versehen mit ihm zusammen - und fällt in den vorbeirauschenden Autoverkehr. So muss es auch am Dienstagnachmittag in der Mühlenstraße in Friedrichshain gewesen sein. Ein 56-Jähriger und ein 36-Jähriger geraten mit den Ellenbogen aneinander. Der Ältere verliert das Gleichgewicht und stürzt nach links auf die Fahrbahn in einen Lkw. Er wird schwer verletzt, stirbt noch am Unfallort.

Es ist voll auf Berlins Radwegen, manchmal zu voll. Das Sommerwetter treibt die Menschen nach draußen, viele treten lieber in die Pedale, als in Bus oder Bahn zu schwitzen. Damit häufen sich auch die Fahrradunfälle: Am Mittwochnachmittag konnte ein 31-Jähriger am Bebelplatz in Mitte gerade noch einem Bus ausweichen, der nach links ausscherte. Mit Brüchen und Prellungen wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Bereits am Montag hatte es einen Unfall in Friedrichshain gegeben: Eine junge Frau mit ihren zwei Kindern auf dem Rad überquerte eine rote Fußgängerampel und stieß dabei mit einem Auto zusammen. Der einjährige Sohn erlitt eine schwere Kopfverletzung.

Zwar werden die Unfälle im Berliner Straßenverkehr insgesamt weniger. Doch die Zahl der Unfälle, bei denen Radfahrer beteiligt sind, steigt: Im Jahr 2009 waren es laut Polizei 7.056, rund 1.300 mehr als im Jahr 2001. In Mitte, Kreuzberg, Charlottenburg und Prenzlauer Berg krachte es besonders häufig. Oft sind die Radfahrer die Leidtragenden. Im vergangenen Jahr gab es 582 schwerverletzte Radler, 2002 waren es noch 481. "Anders als Autofahrer haben Radfahrer keine Schutzhülle, sie sind verletzbar", sagt Markus van Stegen vom Sachbereich Verkehr der Polizei.

Radeln in Münster

Münster gilt als Fahrradstadt. Kein Wunder, der Verkehrsanteil der Radler beträgt 38 Prozent. Warum fahren in Münster so viele Leute mit dem Rad? "Die Münsteraner werden von klein auf mit diesem Verkehrsmittel vertraut gemacht", erklärt Michael Milde, Abteilungsleiter der Verkehrsplanung in Münster. Denn viele Wege seien kürzer als fünf Kilometer und könnten bequem mit dem Fahrrad bewältigt werden. Zudem sei in den letzten Jahrzehnten eine gute Fahrradinfrastruktur gewachsen.

Allerdings habe auch Münster eine schwierige Sicherheitslage. Deshalb läuft seit 2009 ein fünfjähriges Verkehrssicherheitsprogramm, für das die Stadt jährlich 500.000 Euro ausgibt. Mit dem Geld werden Verkehrsanlagen an die aktuellen Bestimmungen angepasst, Ampeln erneuert und die Beschilderung verbessert. (kru)

Die steigenden Unfallzahlen führt er vor allem auf den zunehmenden Anteil der Fahrradfahrer am gesamtem Verkehr zurück. 2002 wurden nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 10 Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt, heute liegt der Anteil bereits bei knapp 13 Prozent.

Wie mit all den Radlern umgehen, die auf die Straßen drängen? "Wir wollen das Radwegenetz erweitern", sagt ein Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung. Viele neue Radstreifen wurden bereits in den vergangenen Jahren auf die Straßen gepinselt. 4 Millionen Euro wollte der Senat für Neubau und Sanierung der Radwege 2009 bereitstellen, 5 Millionen Euro in 2010. Rund 1.000 Kilometer Radwege gibt es in Berlin derzeit.

Offenbar nicht genug: Er sehe selbst, dass beispielsweise die Busspuren mit Bussen und Fahrrädern oft überfüllt seien, sagt der Sprecher. "Es gibt auch zu wenig Fahrradstellplätze." Derzeit werde ein neuer Stadtentwicklungsplan für Verkehr für den Zeitraum 2015 bis 2025 entwickelt. Sowohl eine grüne Welle für Radfahrer als auch mehr Fahrradstraßen, auf denen man nebeneinander radeln darf, seien in der Diskussion. Fahrradstraßen könnten auch zu einem lokalen Netz ausgebaut werden. "Noch ist aber nichts entschieden."

Der Fahrradbeauftragte des Senats, Arvid Krenz, betont, dass man aus seiner Sicht vor allem mehr Radwege bauen muss. "Wenn es mehr Ausweichrouten gibt, wird das Gedrängel auch nicht so groß."

Dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) geht all das nicht weit genug. "Wenn die Radwege nicht ausreichen, muss man auf den Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt die rechte Spur eben ganz für Radfahrer freigeben", fordert die Berliner Vorsitzende Sarah Stark. Auch die Busspuren müssten breiter werden. Als Problem sieht sie zudem das unvollständige Wegenetz. "Die derzeitigen Routen sind Stückwerk, sie sollten aber durchgängig sein."

Claudia Hämmerling, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, sieht die Verantwortung für die Unfälle an mehreren Stellen. Viele Radfahrer seien sich der Gefahren ihres Handelns im Straßenverkehr nicht bewusst und würden sich daher nicht an Verkehrsregeln halten. Eine bessere Aufklärung sei daher notwendig.

"Auf der anderen Seite entstehen Unfälle dadurch, dass Infrastruktur fehlt", sagt sie. So müsse es mehr Radstreifen geben, bessere Umfahrungen von Baustellen und die Aufhebung der Benutzpflicht für Radwege. Zudem fordert sie Tempo 30 an Unfallschwerpunkten sowie mehr Verkehrskontrollen, um etwa eine Blockierung von Radwegen durch parkende Autos besser zu verhindern. Sie sieht den Senat in der Pflicht: "Wenn mehr Radfahrer unterwegs sind, muss mehr für die Sicherheit getan werden", sagt sie.

Bis es so weit ist, sollten Radfahrer gut auf sich aufpassen. Markus van Stegen von der Polizei empfiehlt allen Radlern, einen Helm zu tragen. "Sicher, das wirkt nicht unbedingt cool. Aber so ein Helm kann tatsächlich Leben retten."

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12 Kommentare

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  • TK
    Tilman Kluge (Bad Soden (Ts.)

    Es ist nichts neues, daß es dann, wenn es mehr Ausweichrouten gibt, das Gedrängel nicht so groß wird wie bei konzentrierten verkehrsflüssen. Daß aber ausgerechnet der Fahrradbeauftragte des Senats, Arvid Krenz, betont, dass man dazu aus seiner Sicht vor allem mehr Radwege bauen muss, ist eher peinlich. Wenn ich in Berlin unterwegs bin, wasmehrmals im Jahr politikhalber vorkommt, dann vor allem mit dem Fahrrad und selbsit ich als Auswärtiger kenne viele "Schleichwege", die einen Radweg jeweils überflüssig machen. Zu Radwegen siehe im übrigen http://www.irre-radwege.de".

  • S
    Staatssekretär

    Es gibt keine Radwegebenutzungspflicht.

  • A
    alcibiades

    Es wird wohl Zeit, sich ein Konzept für umfangreiche Verkehrsschulungen auszudenken: für Ordnungshüter, die laut hupend und durch ihr Mikro blökend Radler auf vermeintliche Einbahnstrassen hinweisen wollen und nur nicht checken, dass diese Strasse sehr wohl für Räder in beiden Richtungen erlaubt ist; für die irren Busfahrer vom Moritzplatz, die auch bei Schnee und Eis kein problem haben, mit ihrem Bus radfahrern die Vorfahrt zu nehmen - mit ca 30 cm Abstand; für die jungen telefonierenden Mütter vom Prenzlberg, die mitsamt ihren Blagen in tiefster Dunkelheit in Schlangenlinien gegen die Fahrtrichtung anderen entgegenkommen (hatte der dreijährige ein Glück, dass ich sowohl licht als auch hervorragende Bremsen habe). Liste natürlich lang fortsetzbar, kennt ja jeder. Mit der alten Ideologie, dass zuerst das Auto und dann irgendwann alle anderen kommen, geht es jedenfalls nicht weiter, das Fahrrad ist bei den Dauerstaus und bei S-Bahn-Ausfällen en masse einfach unverzichtbar. Fahrschulen sollten Autofahrer in spe darauf hinweisen, dass sie nicht alleine auf der Strasse sind (nicht nur in der Stadt, hütet euch vor OHV oder BAR!). Und die Radler könnten sich endlich mal Lampen anschaffen, das kann doch nicht so schwer sein. Auf dem Weg von Niederschönhausen zum Alex war ich heut abend ausser einer einzigen rühmlichen Ausnahme bei ca 25 Begegnungen mit Radlern der einzige mit Licht. Danach reden wir vielleicht mal über Helme, sowas hab ich aber selber noch nicht, zugegeben.

    PS@Rainer Sommer: Die Schönhauser ist echt kacke zu fahren, anders kann man es nicht sagen. War schon mal als Helfer dabei, als eine 20jährige von der Strasse gekratzt wurde. Zu eng für die fussgänger, auch für die Radler. Warum haben die Autos da zwei Spuren? Dort gibt es schliesslich eine U-Bahn für die, die ihre Beine nicht gebrauchen wollen.

  • SA
    s aus b

    ich fahre in berlin überhaupt nicht mehr mit dem fahrrad.

    zu oft schon landete ich auf motorhauben, einmal zu oft wurde ich fast überfahren, unzählige male übersehen oder meine vorfahrt mißachtet.

    dann wurde ein freund von mir letztes jahr vom auto überfahren und hat eine lange zeit im krankenhaus verbracht, die folgen davon sind immer noch nicht komplett verheilt.

    unnötig zu erwähnen das er den unfall nicht verschuldet hat und der autofahrer fahrerflucht begehen wollte.

    ne, da laufe ich lieber oder schwitze im öffentlichen nahverkehr.

  • RS
    Rainer Sommer

    Wenn man in der Statistik der Polizei liest, dass die Schönhauser ein Fahrrad-Unfall-Schwerpunkt ist, weiß man: Unfälle passieren nicht - sie werden verursacht. Dort ist die Unfallursache eindeutig der Radweg: Zu wenig Platz auf dem Gehweg, zu schmaler Radweg, zuviele Hindernisse in der Bahn des Radwegs, was eine kurvenreiche Führung erfordert. Kurz - das ist kein Radweg, sondern eine Zumutung, die bei der Frequentierung dort Unfälle einfach provozieren muss. Aber die Verantwortlichen dafür (hier der Senat) die Alleinschuld auf die schiebt, die von ihnen zur Nutzung verdonnert werden.

  • U
    Ulle

    Ein Netz von Fahrradstraßen ist meiner Meinung nach der einzige Weg, die Radfahrer vor sich selber zu schützen. Leider sind es großteils die "Familiengespanne" die meinen das ein Römer Jokey die Regeln außer kraft setzt. Ich als Fußgänger und Autofahrer kenne beide Seiten. Als Fußgänger auf "Fußweg" umgemöllert zu werden und im Auto dann z.B. beim Linksabbiegen "mit" grünem Pfeil, Warnwesten-und Helm-Vatis die dann bei Rot in den abbiegenden Verkehr "eintauchen". Ich kann nur empfehlen sich den Wahnsinn im P-Berg mal anzuschauen. Bei schönen wetter auf den Rennpisten die bergab nach Mitte führen. Ein Traum! Wenn dann noch eine geführte Touristengruppe aus dem Odenwald auf ihren Mieträdern in das geschehen eingreift ist man versucht A und B Noten zu verteilen.

  • W
    Wolf.G.B

    Hallo, Tom Kanzow, Sie also!!! waren das, ich habe mich schon gewundert, einen Rennrad-Fahrer zu sehen, der einen völlig überfüllten - "benutzungspflichtigen" - kombinierten Rad-/ Gehweg benutzt.

     

    Danke dafür!

     

    Bei uns draußen fahren die Berliner Radrennfahrer zu zweit immer in mindestens 4 Reihen nebeneinander,wir tragen unsere Autos ja schon zur Arbeit :)

     

    gruß wolf

  • M
    möchtegernlancearmstrong

    Kann Tom Kanzow nur beipflichten. Aus dem fahrenden Streifenwagen angeblafft zu werden man habe den Radweg zu benutzen, spricht nicht für besonders für unsere Freunde und Helfer.

    Zudem ist die Beschilderung der Radwege in Berlin ein ums andere Mal undurchsichtig.

    Höhepunkt im letzten Jahr, ein Selbstjustiz ausübender Autofahrer drängt mich zuerst ab, reißt dann die Fahrertür auf und hindert mich an der nächsten Ampel am weiterfahren indem er sich vor mich stellt und sagt: "Papiere her ich zeig Sie jetzt an." Er wurde dann noch handgreiflich. Wegen einer Ordnungswidrigkeit meinerseits hat sich der gute in den Bereich mehrerer Straftatbestände begeben. Ich denke, dass sagt einiges aus über die Zustände auf den Straßen gerade wenn es richtig heiß ist.

    Gut war auch der Rollerfahrer gestern der mich auf den Radweg aufmerksam gemacht hat und dann fast in ein abbiegendes Auto gekracht wäre.

     

    Nehme mich selber nicht davon aus teilweise zu wenig Rücksicht zu nehmen.

  • MW
    Matthias W..

    Jeden letzten Freitag im Monat, überall auf der Welt, Critical Mass. Viele Radfahrer treffen sich zufällig und fahren vollkommen legal auf der Straße! Eine CM kann es auch sonst immer geben.

     

    Ansonsten stelle ich als regelmäßiger Radler mit konsequenten Fahrstil auch fest, dass viele, sehr viele unsichere Radfahrer unterwegs sind. Das ist auch ein Problem, neben dem großen Problem: Autofahrer. Da hilft nur ein ständiges Mitdenken für alle Verkehrsteilnehmer rundum.

     

    Um das Image von Helmen zu verbessern - aus Eitelkeit trägt den niemand. Bei Kollisionen mit Autos, bleibt der Kopf heil und das Auto geht kaputt. Man könnte durchaus von einer win-win-Situation sprechen. Denn wer täglich fährt kennt "Beinahe-situationen" nur zu gut.

  • I
    Ichwersonst

    Am schlimmsten sind die ganzen möchtegern jan ullrichs die meinen sie müssen für ihre tour de farce auf Landstraßen zur haupt Berufsverkehrszeit trainieren.

  • P
    pedala

    auch sehr schön ist es sich als radler im kreisverkehr (=vorfahrt)von autofahrern anblöken zu lassen, weil man nicht stehen bleibt und ihrer ausfahrt den vorzug gibt - egal wie lange und wie weit man mit dem linken arm wedelnd anzeigt, dass man dem kreisverkehr zu folgen wünscht. zu meinen lieblingssituationen gehören auch die besagten, aufgemalten radspuren, wenn sie gefühlte 100 meter mit rechtsabiegern vollstehen - kürzlich war auch ein streifenwagen dabei, dessen insassen mich anpöbelten, weil ich auf den gehweg ausweichen musste. die lösung: das flugrad, mit dem man kreuzungen einfach überfliegt. nein, spaß beiseite, es gehört sicherlich auch aufklärung über gemeinsame verkehrsregeln für alle beteiligten zu den verbessernden maßnahmen.

  • TK
    Tom Kanzow

    Besonders schön ist dann, wenn man mit Rennrad von einem völlig überfüllten - "benutzungspflichtigen" - kombinierten Rad-/ Gehweg auf die Straße ausweicht und sich dann noch von der Polizei ( ) anschreien lassen darf "da ist ein Radweg!", wie letzte Woche in der Nähe von Bernau. Das zeigt doch recht gut, wie weit die zuständigen Behörden von der Realität entfernt ihr Amtsdasein fristen.