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Debatte Unser Israel (7)Kritik ist nicht gleich Kritik

Kommentar von Armin Pfahl-Traughber

Wer israelische Politik mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt, handelt absurd und zynisch. Er muss aber nicht gleich ein Antisemit sein.

W enn über das Verhältnis von Antisemitismus und Kritik an Israel gesprochen wird, dann lassen sich drei Haltungen idealtypisch unterscheiden: erstens eine differenzierte Kritik, die nicht antisemitisch grundiert ist; zweitens eine undifferenzierte Kritik, die ebenfalls nicht antisemitisch motiviert ist, und drittens eine pauschalisierende Kritik, die sehr wohl antisemitisch ausgerichtet ist.

Diese Unterscheidung macht deutlich: Nicht jede Kritik an Israel kann als antisemitisch gelten, was indessen kaum jemand behauptet. Es gibt aber auch eine einseitige und unangemessene Kritik an Israel - ohne Antisemitismus. Genau dies verkennen manche Protagonisten in der nicht selten emotional und unsachlich geführten Debatte. Hinter einer negativen Einstellung gegenüber Israel kann, muss aber nicht Antisemitismus stehen. Es bedarf also der genauen Unterscheidung, um Fehleinschätzungen wie Verharmlosungen zu vermeiden.

Bei der differenzierten Kritik, die nicht antisemitisch ausgerichtet ist, stehen meist menschen- und völkerrechtliche Prinzipien im Mittelpunkt. Eine solche Einstellung kann aber nur dann Glaubwürdigkeit beanspruchen, wenn die Handlungen der politischen Gegner Israels mit gleichem Maßstab gemessen werden. Außerdem bedarf es der Aufmerksamkeit für den politischen Kontext des Konflikts.

47, lehrt als Politologe und Soziologe an der FH des Bundes in Brühl, gibt das "Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung" heraus und gehört zum Expertenkreis Antisemitismus des Innenministers.

Bei Israel handelt es sich nicht um den alleinigen Akteur, sieht sich der Staat doch von feindlich gesinnten Kräften umgeben. Die von der Hamas bis zum Iran bekundete Absicht, das "zionistische Gebilde" zu zerschlagen, steht für eine reale Bedrohung. Auch gelegentliche Raketenangriffe auf Grenzstädte machen deutlich, dass für Israel der Verweis auf legitime Sicherheitsinteressen keineswegs nur eine Schutzbehauptung ist. Eine differenzierte Kritik an israelischer Politik muss diesen Rahmen berücksichtigen, will sie nicht ein einseitiges Zerrbild vom Nahostkonflikt zeichnen.

Genau dies macht eine undifferenzierte Kritik, die aber nicht notwendig antisemitisch sein muss. Einwände in diesem Sinne argumentieren gegenüber Israel mitunter ähnlich wie die Anhänger der erstgenannten Position. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass sie Israel als einzigen negativen Akteur und die Palästinenser nur als passive und positive Opfer darstellen.

Blendet man antidemokratische, gewaltgeneigte und intolerante Tendenzen auf der Gegenseite aus, lässt sich das Vorgehen des israelischen Staates wohl kaum angemessen beurteilen. Genau dies geschieht bei der undifferenzierten Kritik. Aus einer Solidarität mit dem angeblich Schwachen gegen den vorgeblich Starken entsteht ein dualistisches und stereotypes Gut-Böse-Bild. Mitunter bauschen die Protagonisten dieser Position ihre Sicht der Dinge noch mit bedenklichen Gleichsetzungen und Vergleichen auf, wozu auch die Verweise auf angebliche Gemeinsamkeiten mit dem Nationalsozialismus gehören.

Solche Aussagen sind aus historischer Sicht absurd und aus moralischer Sicht zynisch. Derartige Kommentierungen eines Staates, der von ehemaligen Verfolgten der NS-Diktatur maßgeblich mitbegründet wurde, sind mehr als bedenklich. Sie stehen auch nicht für besondere Sachkenntnis zur Geschichte des Hitler-Regimes, verkennen sie doch die Dimension von dessen Vernichtungspolitik nicht nur den Juden gegenüber.

Aber sind solche Auffassungen auch immer und zwingend antisemitisch motiviert? Objektiv relativieren sie die Schuld des Nationalsozialismus und nehmen eine Täter-Opfer-Umkehr vor. Dies kann, muss aber nicht so beabsichtigt sein. Schließlich lässt sich in Deutschland bereits seit geraumer Zeit eine inflationäre Häufung von NS-Vergleichen in den absurdesten Zusammenhängen und Formen ausmachen. Dabei soll ein anderer - meist ein politischer Gegner - durch die Gleichsetzung mit dem Hitler-Regime herabgewürdigt werden, gilt dieses doch in einem moralischen Sinne als besonders verwerflich.

Anspielungen im Sinne einer Gleichsetzung von Israel und Nationalsozialismus dienen daher der politischen Diffamierung des jüdischen Staats. Der historische Unsinn, der damit einhergeht, kann aber nur dann als Ausdruck von Antisemitismus gelten, wenn die konstitutive Eigenschaft dieser Diskriminierungsideologie nachweisbar ist: Feindschaft gegen Juden als Juden. Diese Einstellung steht hinter der Israel-Kritik von Rechtsextremisten, die sich der Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus um dessen moralischer Entlastung willen bedienen.

Doch nicht jeder Diskurs, der Gemeinsamkeiten von israelischem und nationalsozialistischem Vorgehen behauptet, dürfte durch eine Apologie des NS-Regimes motiviert sein. Mehrheitlich geht es denen, die solche Auffassungen äußern, vor allem um die "antiimperialistisch" motivierte politische Abwertung von Israels Umgang mit den Palästinensern. Derartige Gleichsetzungen können um der Sache willen als unangemessen verworfen werden - antisemitisch motiviert müssen sie nicht zwingend sein.

Dies führt zur Betrachtung der dritten Haltung in Form einer pauschalisierenden Kritik, die sehr wohl antisemitisch motiviert ist. Hier bildet nicht eine einseitige oder naive Solidarität mit der arabischen oder palästinensischen Seite die eigentliche Motivation. Hier geht es um die Diffamierung Israels als jüdischen Staat aufgrund dieser besonderen Eigenschaft. Diese Haltung kommt zum Ausdruck, wenn auf klassische antisemitische Stereotype wie den "jüdischen Rachegeist" und die "jüdischen Ritualmorde", den "jüdischen Schacher" oder die "jüdische Verschwörung" rekuriert wird.

Das antisemitische Bild von einem "Weltjudentum" offenbart sich auch objektiv, wenn jüdische Organisationen oder Personen im Ausland für die Handlungen des israelischen Staates verantwortlich gemacht werden. Mit solchen Auffassungen überschreitet man die Ebene der Kritik, die nur einseitig und unangemessen ist. Diese Beispiele einer pauschalisierenden Kritik stehen für eine antisemitische Haltung gegenüber Israel.

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Die vorheringen Beiträge der Debattenreihe "Unser Israel": Gottes verheißenes Land von Georg Baltissen, Das Gespenst des Zionismus von Klaus Hillenbrand, Eine komplizierte Geschichte von Micha Brumlik, Keine innere Angelegenheit von Tsafrir Chohen, Deutsche nach Gaza? von Muriel Asseburg und Feiger Hass von Stephan Kramer.

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