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Duplitzer über Antidoping-Agentur"Das ist wie Arrest"

Die Europameisterin im Degenfechten, Imke Duplitzer, hat für die taz eine Kurzgeschichte über eine schwierige Beziehung mit Adam S. von der Antidoping-Agentur geschrieben.

Duplitzer nach ihrem Sieg in der Europameisterschaft. Bild: dpa

Mit zunehmendem Alter und Stress habe ich die Vorzüge entdeckt, allein sein zu dürfen. Keiner, der mir ein Gespräch aufdrängt, fragt, wo man herkommt und hin will. Ins Auto setzten, losfahren und sehn, was das Wochenende bringt. Herrlich waren diese Zeiten! Aber diese Zeiten sind vorbei. Denn ich habe eine neue Beziehung. Toll, denken Sie jetzt. Aber ich bitte von Glückwunschtelegrammen abzusehen. Ich bin damit nicht glücklich. Es handelt sich eher um eine Art Zwangsehe. Aber fangen wir ganz vorne an.

Vor einigen Jahren trat Adam S. in mein Leben. Er wurde mir in einem Trainingslager vorgestellt, und sofort beschlich mich ein ungutes Gefühl. Sie kennen das bestimmt. Schon beim ersten Treffen wollte er meine persönlichen Daten haben und wissen, wann ich mich wo befand. Na ja, am Anfang will man höflich sein. Er und ich arbeiten in derselben Branche. Im Sport ist es ja gang und gäbe, dass man sich sofort aufdringlich duzt und auch kaum Geheimnisse voreinander hat. Ich war kooperativ, gab meine Daten preis und zermarterte mir den Kopf, wo ich mich in den nächsten drei Monaten befinden würde. Ich verstand zwar nicht, warum er etwas wissen wollte, was noch nicht mal ich wusste. Aber es war ja zum "Wohle des Sports".

Ein Jahr verstrich, ich schrieb und schickte brav alle drei Monate neue Daten. Hin und wieder tauchten unangemeldet Angestellte von Adam S. bei mir auf und ließen mich unter Aufsicht einer Frau in einen Becher pinkeln, damit im Labor nach unerlaubten Substanzen gesucht werden konnte. Nie habe ich in der Vergangenheit infrage gestellt, was mein Job so mit sich brachte, denn Doping ist der bedrohlichste Faktor für den Sport und die Athleten. In letzter Zeit passierten Dinge, die mich nachdenklich gemacht haben.

Adam S.

Adam S. - steht für das elektronische Datenerfassungssystem Adams der Antidoping-Agenturen.

Adam S. hat ein Internetportal eröffnet und fordert seitdem, dass man meldet, zu welcher Tageszeit man sich wo befindet und wann man länger als 24 Stunden von zu Hause weg ist, wo beziehungsweise bei wem man sich aufhält. Ich fand, dass es ihn nicht wirklich etwas anginge, wann, wo und mit wem ich meine Freizeit verbringe. Ferner musste ich ihm eine Stunde am Tag gewähren, in der ich ohne Suchen oder Nachfragen zu hundert Prozent erreichbar war. Ich hatte quasi Arrest. Freunde von mir reagierten mit Unverständnis auf meine neue Lebenssituation. Sie verstanden nicht, dass ich nachts um 11 von Kontrolleuren belagert wurde und mein gesamtes Privatleben auf einem Server hinterlegen musste.

Langsam regte sich in mir Widerstand. Musste ich wirklich all das mit Menschen teilen, die ich gar nicht kannte? Gab es wirklich keine andere Möglichkeit, des Dopings Herr zu werden? Und wenn das die optimale Lösung war, warum gab es immer wieder positive Tests von Athleten, die sich nicht davon abschrecken ließen? Als ich beobachtete, was mit Menschen passierte, die gegen diese Praxis protestierten, hielt ich lieber meinen Mund und gehorchte dem System. Zu unübersichtlich war die Sachlage. Man wusste nicht, ob es sich bei den Protestierenden um Betrüger handelt oder um Menschen, die nur ihre Freiheit verteidigen. Zu hitzig die Debatte und Berichterstattung in den Medien. Schließlich ist es ja nur alles zum Wohle des Sports, und wir machen Sport schließlich freiwillig. Wenn uns die Regeln nicht passen, dann können wir ja gehen. Aber wohin?

Also tippte ich fleißig jedes Quartal meine Daten in dieses Portal, dessen Bedienung einen in Nervenkrisen stürzte. Zu kompliziert waren die Vorgänge. Um drei Monate einzugeben, hockte ich teilweise einen Tag am Rechner. Man hat zu bedenken, dass das System immer informiert werden muss, wenn sich Pläne spontan ändern. Die Frage "Weiß das System wirklich, wo ich bin?" ist zum ständigen Begleiter geworden, und mindestens einmal am Tag trete ich mit Adam S. in Kontakt, weil meine Pläne sich geändert haben. Ich bin Mitte 30 und muss mich via elektronischen Zettel von meinem Wohnort abmelden.

Die Angst, nicht erreichbar zu sein, Verwarnungen oder gar Berufsverbot zu erhalten ist omnipräsent. Die elektronische Sippenhaft ist legal. George Orwell hätte seine reine Freude. Ich lebe in einer Demokratie, doch bin ich durch meinen Beruf in einem totalitären System gefangen. Überwachung, Kontrolle und Meldepflicht werden im Ernstfall keinen dopingwilligen Sportler abhalten. Zumal die Dichte und Genauigkeit der Kontrollen und das Meldesystem schon innerhalb Europas von Land zu Land variieren - von Schwellen- und Entwicklungsländern will ich gar nicht reden!

Ein Kernproblem ist, dass in der Parallelwelt des Leistungssports nicht das Rückgrat zählt, das Sportler brauchen, um diese Praktiken abzulehnen, sondern nur die um jeden Preis vermarktbare Leistung. Solange der Sport auf willfährige Akteure setzt, die in den Augen der Funktionäre brav und tumb ihren Dienst verrichten, solange Offizielle und Vermarkter ihre Vorteile aus der Leistung anderer ziehen, solange wird Doping nicht effektiv bekämpfbar sein.

"Kinder stark machen", das ist eine Initiative der Bundesregierung, die auch vom Sportbund unterstützt wird. Kinder (oder auch heranreifende Leistungssportler) stark machen, bedeutet aber: Widerworte zu akzeptieren. Doch dafür ist kein Platz in dieser glattgespachtelten Fassade einer vermarktungsorientierten Leistungssportgesellschaft. Winken, nicken und lächeln ist hier die Doktrin. Offizielle des deutschen Sportbundes sprechen gern davon, dass Doping ein gesellschaftliches Problem ist. Doch sollte der Sport nicht Vorbild sein und endlich wieder nach den hohen moralischen Standards streben, die er so erfolgreich verkauft? Es wird Zeit, dass politische Akteure im Leistungssport umdenken. Das Ziel: mündige Athleten. Denn nur, wer eigenverantwortliches Handeln lebt, lernt, zu Doping Nein zu sagen.

Und was mache ich? Ich werde in etwas mehr als zwei Jahren meine Degen an den Nagel hängen und erst mal durch Frankreich fahren. Ohne Ziel und ohne Adam S.!

Autorin: Imke Duplitzer

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5 Kommentare

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  • P
    purplex

    Ich halte so ein System, wie es da beschrieben wird für grob verfassungs und menschenrechtswidrig. Ich würde mich weigern teilzunehmen und es auf eine Verfassungsklage ankommen lassen - gepaart mit einer heftigen Schadenersatzklage gegen die Verbände.

     

    Doping kann man bekämpfen - aber nicht mit totalitären Methoden!

     

    purple

  • F
    Freddy

    Ich kann Frau Duplitzer schon verstehen.

    Es ist ein System, dass sich Leute ausgedacht haben, denen nichts an der Sauberkeit des Sports liegt.

    Es ist eher ein Instrumentarium, das den Medien vorgaukelt: "Hey, schaut mal her - wir tun etwas gegen Doping!"

     

    Die Wahrheit ist - der Fisch fängt am Kopf an zu stinken!

     

    Meiner Meinung nach hängen die Sportverbände doch seit Urzeiten in dem Dopingsumpf mit drin.

    Eine UCI kassiert Gelder von einem Lance Armstrong, damit noch ein ärztliches Attest nachgereicht werden darf.

    Eine FIFA wehrt sich vehement gegen Anti-Doping-Richtlinien.

    etc...

     

    Wenn man etwas im Profisport ändern will, muss die Politik für einen Restart sorgen. Es kann nicht sein, dass sich Sportverbände wie Wirtschaftsunternehmen verstehen.

    Auch Korruption ist hier anscheinend ein großes Problem.

     

    Auf der anderen Seite muss ich genauso konstantieren, dass Frau Duplitzer keine echte Alternative nennt. Die Eigenverantwortung des Athleten ist hier als Argument doch etwas zu schwachbrüstig.

    Was uns die so oft propagierte Selbstreinigungskraft des Sports gebracht hat, haben wir schon zur Genüge erlebt.

     

    Nein, es braucht schon etwas besser greifende Werkzeuge, um die Doping-Mentalität zu beeinflussen.

     

    Mein Ansatz wäre ja folgender:

     

    Ob Doping für den einzelnen Athleten Sinn macht, ist immer eine Kosten-Nutzen-Rechnung.

    Oder besser: Risiko-Abschätzung.

    Ist das Risiko zu hoch, dass man erwischt wird und die Strafen so hoch, dass alles umsonst war, gibt es wohl kaum einen Athleten, der noch zu unerlaubten Substanzen greifen würde.

    Momentan ist es jedoch so, dass die Diagnostik den Doping-Techniken hinterherhinkt UND, was die Sportverbände wieder in einem sehr dubiosen Licht erscheinen lässt, sind C-Proben nicht gestattet.

    D.h., wie im Falle Armstrong, können neue Techniken nicht auf eingefrorene Proben angewandt werden.

    WARUM NICHT?

     

    Eventuell, weil der UCI nicht daran gelegen ist, dass man alles aufdeckt? -Ich meine, dass diese Frage mit einem klaren "JA!" zu beantworten ist.

     

    Also wie lösen wir das Problem?

    Wie meine Ausführungen erahnen lassen, brauchen wir neu strukturierte Sportverbände und neue Reglements, in denen steht, dass alle genommenen Proben eingefroren und später in neuen Testverfahren eingesetzt werden dürfen.

    So ist jedem Athleten klar, dass er im Grunde kein Präparat nehmen kann, da jedes Mittelchen in Zukunft detektiert werden kann.

  • T
    Tom

    @ Georg S.:

    Wenn sie diesen Aufwand treiben müssten und gleichzeitig wissen, dass es in bestimmten Ländern gar nahezu keine Trainingskontrollen gibt, und diese Leute von dort wundersame Leistungen erbringen, dabei dann Trainingskollegen derer auch trotz der wenigen noch erwischt werden beim Doping, dann würden sie sich aber auch ziemlich beschweren. Falls sie dann jahrelang trainiert haben und auf eine Teilnahme an internationalen Meisterschaften hoffen, die Qualifikationskriterien aber nach diesen wundersamen Leistungen anderer richtet, dann entwickelt sich wahrscheinlich Hass bei ihnen. Vor allem dagegen, dass woanders eben nicht genug gegen Doping getan wird.

  • R
    Ramses

    Ich kann meinen Vorredner in keiner Weise verstehen - wenn ich dopen möchte kann ich das in 23h pro Tag an denen ich gerade nicht ungefragt kontolliert werde, aber wenn ich als sauberer Sportler einfach mal einen Spontantrip übers Wochenende oder allein eine Nacht bei Freunden verbringen möchte, habe ich dieses vorher anzumelden. Es ist geradezu ein profilaktischer Hausarrest - man könnte ja mal in Versuchung geraten.

    Deutschland ein Land für Sportler unter Generalverdacht.

     

    Ausserdem ist das Abschreckung pur für alle Jungsportler die sich mühevoll von ihrem Elternhaus lösen und frei leben möchten...

     

    Von Datenschutz und Recht auf informationelle Selbstbestimmung möchte ich gar nicht erst reden.

    Wenn ich dem Staat schon nicht meine Arbeitnehmer oder Steuerdaten elektronisch anvertrauen kann, dann werde ich das doch ganz bestimmt nicht einem Dubiosen Anti-Doping Konglomerat zutrauen? Wer garantiert bitteschön die Sicherheit der Daten?

     

    Wer davon träumt, dass solche Daten sicher sind, der beantwortet auch die Anfrage per Mail nach Tan und Pin.

     

    Selbst wenn es für den Verband von Interesse wäre diese Daten sicher aufzubewahren, wäre das noch immer ein großes technisches Problem - aber warum sollte man die Daten denn überhaupt sichern? Niemand sollte etwas zu verbergen haben, also warum nicht gleich die Totalüberwachung per GPS? Jeder hat doch mittlerweile ein Handy, und wer keines hat freut sich bestimmt über ein Neues. So geht nie wieder verloren einer verloren.

    Und wenn wir schon dabei sind, warum nicht gleich für alle 82 Millionen potentiellen Betrüger in Deutschland? Dann fühlt sich der Herr Georg S. bestimmt wieder ganz sicher.

     

    Aber mit den Sportlern einer Randsportart kann man es ja machen - ach ja: Wird de Fußball denn auch so überwacht? Oder wäre das ein zu großer Skandal wenn plötzlich das Bewegungsprofil von Podolski, Müller & Co auftauchen?

     

    Bei den Radlern scheint es ja nicht so zu sein, sonst gäbe es ja nicht solche Adressbücher bei dubiosen Dopingärzten, oder sind die einfach nur schlauer als die anderen?

     

    Na dann gute Nacht deutscher Leistungssport - und Ihnen Frau Duplitzer: Wiederstand gegen die Unterdrückung ist das einzige was hilft - Sie schaffen das.

  • GS
    Georg S.

    Imke Duplitzer muss also 4 Tage opfern, um das Antidopingsystem quartalsweise zu füttern. Vermutlich nehmen die täglichen Änderungen dann nochmal 3 Tage in Anspruch. Die Sportlerin verwendet also ca. 7 Tage, um Dopingkontrollen möglich zu machen. 2% des Jahres für mehr Sauberheit im Sport aufzubringen, sind ihr zu viel.

     

    Dazu dann das übliche Rumgeweine, dass woanders angeblich weniger kontrolliert würde. Na und? Soll daraus die Konsequenz sein, in Deutschland auch weniger zu kontrollieren? Ja. Duplitzer meint es reiche aus, wenn Sporler mündig seien (wie bitte?) und vorbildlich und moralisch. Dann würden sie von ganz alleine Nein zu Doping sagen. Klingt logisch - Dopingproblem gelöst.