piwik no script img

Görlitzer Park wird ObstplantageEssbare Landschaften

Nachdem aus dem Pamukkale-Brunnen im Görlitzer Park nichts wurde, wollen Anwohner Obstbäume pflanzen, auch zur Selbstversorgung.

Ernten darf, wer drankommt. Bild: AP

Die Sonne knallt vom Himmel, aber unter den Pfirsich-, Kirsch- und Apfelbäumen im Görlitzer Park ist es angenehm kühl. Wer Zeit hat, setzt sich auf eine der schattigen Holzbänke rund um die Stämme. Ab und zu steht einer auf und pflückt sich einen Apfel. Ein Frau spuckt Kirschkerne in hohem Bogen in den Mülleimer. So lässt es sich leben im Sommer in Kreuzberg.

Eine Utopie, die bald Wirklichkeit werden könnte: Eine Gruppe von Anwohnern will das Areal rund um den ehemaligen Pamukkale-Brunnen mit Obstbäumen bepflanzen. Das Bezirksamt unterstützt die Pläne. "Wenn alles gut läuft, können wir im Frühjahr, spätestens im Herbst 2011 die Bäume setzen", sagt Rahel Schweikert, Musikpädagogin und Anwohnerin. Sie arbeitet bei der Klimainitiative "In Transition SO36" mit, die das Obstbaumprojekt mit dem Türkisch-Deutschen Umweltzentrum Berlin verwirklichen will.

Geld vom Bezirk bekommen Schweikert und ihre Mitstreiter nicht. 500 Euro kostet ein Baum, schätzt sie. Um wie geplant 20 bis 30 Bäume pflanzen zu können, müssen sie über Stiftungen und Sponsoren 10.000 bis 15.000 Euro auftreiben. Die Pflege wollen die Anwohner selbst übernehmen. Den Baumfreunden geht es dabei nicht nur um Parkverschönerung. "Wir wollen essbare Landschaften schaffen", erklärt Schweikert. Zum einen hofft sie, dass die Besucher sorgsamer mit dem Park umgehen, wenn sie von den Bäumen einen konkreten Nutzen haben. Zum anderen sollen die Pflanzen auch der Ernährung dienen. "Die Bäume tragen zur Selbstversorgung bei. Wenn die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird, wenn das Erdöl knapp und der Transport von Lebensmitteln schwierig wird - dann können sich die Kreuzberger vor Ort mit Obst eindecken."

Weil der Park eine öffentliche Grünfläche ist, gehören Äpfel und Birnen grundsätzlich allen. "Wir wären schon sehr glücklich, wenn das Obst überhaupt reif würde", sagt Schweikert. Sie befürchtet, dass die Bäume frühzeitig geplündert und die Früchte von Kindern als Wurfgeschosse missbraucht werden könnten. "Deshalb sollten wir Bäume mit hohen Stämmen pflanzen."

Ob hoch oder tief - mit den Bäumen werden sich die Kreuzberger einen Teil des Parks zurückerobern, der lange verrottete. 1998 hatte der Bildhauer Wigand Witting hinter dem Spreewaldplatz einen Brunnen nach dem Vorbild der Kalksteinterrassen im türkischen Pamukkale gebaut, als Symbol deutsch-türkischer Verbundenheit. 3,5 Millionen Mark kostete das. Doch der aus Portugal importierte Stein vertrug den Berliner Frost nicht, schnell bildeten sich Risse, die Anlage wurde stillgelegt.

Jahrelang tobte ein Rechtsstreit zwischen Künstler und Bezirk, der Brunnen selbst blieb gesperrt. 2008 entschied das Kammergericht: Witting ist schuld. Rund 1,1 Millionen Euro Schadenersatz muss der Bildhauer dem Bezirk zahlen. Endlich wurde der poröse Stein des Brunnens abgetragen und auf den Betonterrassen Rasen ausgerollt.

Der trocknet nun vor sich hin. "Der Park wird vernachlässigt. Nur bestimmte Gruppen nutzen ihn noch", sagt Jutta Kalepky, parteilose Baustadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg. Um das zu ändern, rief sie eine Ideenwerkstatt ins Leben. Der Görli lässt viel Raum für Visionen: Außer Obstbäumen wollen die Kreuzberger auch einen großen interkulturellen Garten anpflanzen. Ein Lehrpfad könnte die Parkbesucher über Pflanzenarten aufklären. Mülleimer sollen Deckel bekommen, Wege eine Beleuchtung. Eine Künstlerin wolle gar Eselstouren mit einer Kutsche anbieten, dabei Plastikmüll sammeln und daraus Skulpturen bauen, berichtet Schweikert. "Über einen Großteil der Ideen wollen wir noch in diesem Jahr entscheiden", so Kalepky. Vielleicht kann sogar der Brunnen wiederbelebt werden? Die Baustadträtin sagt: "Wir haben immer noch die Vorstellung, dass irgendwann, in fünf oder zehn Jahren, wieder Wasser fließt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • A
    Anette

    Ich finde das eine wunderschöne Idee (ja, Elstar sollen es sein!). Leider bezweifle ich, dass auch nur ein Baum davon jemals Früchte tragen wird. In der nahe gelegenen Hunsrück Grundschule gibt es einen von Schülern liebevoll angelegten Garten. Leider mussten die Kinder eines Morgens feststellen, dass nachts eine Horde Kinder über den Schulzaun eingestiegen war und den ganzen Garten komplett verwürstet hatte (von Überwachungskamera aufgezeichnet). Im Görli haben Vandalen es noch einfacher, da müssen sie nicht mal über Zäune klettern.

     

    Vielleicht mag ich pessimistisch sein, ich wohne nur schon sehr lange am Görli und weiß um die zahlreichen Probleme des Parks und deren Besucher.

  • R
    rahel

    natürlich haben die obstbäume im görli eher symbolischen charakter, als dass sie den diversen kiezen um den park zur selbstversorgung dienen könnten - das dürfte selbstverständlich sein. dennoch regen sie an, darüber nachzudenken, wie unsere umwelt, unsere "Grün"flächen gestaltet werden können und was wir als anwohner damit zu tun haben, vielleicht auch darüber, was wir essen und wo es her kommt, welche obstsorten es auch noch gibt außer denen im supermarkt...

    und außerdem könnte es ja auch schön sein, im görli ein paar bäume zu pflegen, von denen ab und zu auch eine frucht für einen abfällt - eine obstbaumwiese als kristallisationspunkt von nachbarschaftlichkeit, gartenbau, parkpflege und entspanntem verweilen...

  • S
    so36

    Selbstversorgung ist lächerlich. ich hier an Planungen schon erlebt habe ist es ebenfalls. Mehr Bäume-mehr dunkel - mehr Gefahr, daran denkt keiner. Statt eine ordentliche drainage zu konstruieren, das nicht immer alles unter wasser steht, wenns mal ein bißchen geschifft hat. Licht braucht der Park nicht, denn Licht produziert dunkel in der Nacht. Was es braucht sind Planer, die sich die "Wege" der Benutzer ansehen und danach Wege planen statt sinnlose Pfade anzulegen. Die "Autobahn" in der Kuhle war ihr letzter Schrei. - Idioten - Idioten sind es. Schaut euch die Abgänge an der Liegnitzer Str. an, wenn ihr was feststellt habt ihr es verstanden.

  • J
    JanSebastian

    Da gibt es diese bezeichnende Randnotiz in der Geschichte der BRD. Es wurde ein Birnenbaum vor dem Bundestag in Bonn gefällt mit der Begründung er gehöre niemand und werde nur von Kindern zum klettern genutzt, die auch des Birnbaums Obst essen.

     

    Wenn jetzt tatsächlich eine Verwaltung für Obstbäume auf öffentlichen Plätzen ist, dann ist das ein Meilenstein der zivilisatorischen Entwicklung Deutschlands.

     

    Heureka!

  • TW
    Tobi Wacke

    schönes projekt, aber das thema selbstversorgung ist ja wohl mehr als lächerlich.

    alleine im angrenzenden wrangelkiez wohnen 12.000 menschen, wie sollen denn alleine diese leute von 20- 30 bäumen "satt" werden...

    metropolen sind zwangsläufig immer auf nahrungsimporte aus dem (bestenfalls) nahen umland angewiesen =(