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Kommentar CyclassicsUngehorsam allerorten

Gernot Knödler
Kommentar von Gernot Knödler

Die Vattenfall-Cyclassics sollen direkt gestört werden. Bleibt zu fragen, ob hier nicht das Instrument des zivilen Ungehorsams in einer unangemessenen Weise ausgeweitet wird.

B austellenbesetzungen, Abseil-Aktionen und jetzt eine "direkte Störung" der Cyclassics: Man kann sich fragen, ob hier nicht das Instrument des zivilen Ungehorsams in einer unangemessenen Weise ausgeweitet wird. Die Kampagne gegen Vattenfall operiert in sehr grundsätzlicher Weise und mit Schwarz-Weiß-Positionen in einem komplexen Politikfeld.

Sich hier auf Gewissensentscheidungen zu berufen, ist schwierig: Keiner kann sagen, ob eine radikale Absage an Kohlestrom in Deutschland tatsächlich zu den erwünschten Folgen führt. Vielleicht importieren wir stattdessen in 20 Jahren Atomstrom aus der Ukraine.

Aber auch den Formen des Widerstands gebührt eine differenzierte Betrachtung: Was "Gegenstrom 10" plant, sieht auf den ersten Blick gefährlich aus: 40 Stundenkilometer schneller Radrennfahrer-Pulk rast in Blockade - diese Phantasie dürfte nicht eintreten. Die Kampagne hat sich durchaus subtilere Vorgehensweisen überlegt und legt es ausdrücklich darauf an, das Publikum nicht zu verprellen.

Mit ungewöhnlichen, den Rahmen des Erlaubten strapazierenden Aktionen um Aufmerksamkeit zu heischen, ist legitim - wenn es um eine grundlegende Zukunftsfrage geht. Jetzt kommt es darauf an, dass die Veranstalter und die Polizei unverkrampft mit dem spielerischen Protest umgehen.

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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6 Kommentare

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  • F
    Frank

    Sehr geehrter Herr Knödler,

     

    haben Sie vielen Dank, dass Sie in Ihrem Kommentar indorekt einen Punkt ansprechen, den manche "Aktivisten" in Ihrer Selbstverblendung offensichtlich nicht sehen wollen oder können.

     

    Eine "Störung" des Rennens - hier in Hamburg haben wir ja leider extrem schlechte Erfahrung mit "Widerstand" und "Störungen" - lässt massive Risiken für Leben und Gesundheit der Fahrer und Zuschauer befürchten.

     

    Meine Meinung dazu: Das hohe Gut der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit rechtfertigt niemals eine Einschränkung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit!

     

    Alleine mit der Ankündigung tut sich die Kampagne gegen Vattenfall daher schon keinen Gefallen und im Falle realer Aktionen ist mit Gegenreaktionen zu rechnen. Das wäre für alle Seiten fatal.

     

    Noch eine andere Anmerkung. Sport- und Kulturveranstaltungen können oft nur durch die finanzielle Unterstützung von Unternehmen durchgeführt werden. Vattenfall (wie zuvor schon die HEW) leistet mit dem Sponsoring einen dankenswerten Beitrag und hat sich in den Jahren, die ich an den Cyclassics teilnehme nie in eigener Sache zu Wort gemeldet. Von Greenwashing kann somit gar keine Rede sein.

     

    Ich hoffe auf ein tolles Sport-Event, das friedlich und ungestört stattfinden kann.

  • K
    Katharina

    Sehr geehrter Herr Knödler,

     

    auch ich warte sehr gespannt auf eine Reaktion von Ihnen.

     

    So eine Aussage wie "Keiner kann sagen, ob eine radikale Absage an Kohlestrom in Deutschland tatsächlich zu den erwünschten Folgen führt. Vielleicht importieren wir stattdessen in 20 Jahren Atomstrom aus der Ukraine." kann ich kaum ernst nehmen. Hat Ihnen das etwa ein PR-Berater der Kohlelobby zugeflüstert?

  • M
    martina

    Worte wie "um Aufmerksamkeit heischen" bzw. "unangemessen" bzw. "schwarz-weiß" - will sagen unqualifiziert - ärgern mich.

    Wenn Klima-AktivistInnen den Arsch hochkriegen und sich einmischen, Aktionen ausdenken, dann kommt die Taz und "heischt" um Aufmerksamkeit, anstatt Hintergrundinfos zu Kohle und Atom zu bringen.

    Immer häufiger meinen RedakteurInnen der Taz, unqualifizierte und demotivierende Kommentare schreiben zu müssen, warum?

    Meinungsmache! (Da kann man sowieso nichts machen: In 20 Jahren kommt der Atomstrom dann aus der Ukraine.)

    Der Redakteur hätte sich in Kopenhagen oder anderswo fortbilden können, die Absage an Kohle und

    Atomstrom macht einen wirklichen Ausbau erneuerbarer Energien erst möglich.

  • FD
    Ferdinand Dürr

    Eigentlich würde ich mich ja auch freuen, wenn Gernot Knödler sich noch einmal zu Wort meldet, was er denn mit seinem Lapsus aussagen will!

  • FD
    Ferdinand Dürr

    "Keiner kann sagen, ob eine radikale Absage an Kohlestrom in Deutschland tatsächlich zu den erwünschten Folgen führt." Da drängt sich geradezu die Frage auf: Geht's denn noch? Hat Gernot Knödler die letzten 20 Jahre in der Energiepolitik verschlafen?

     

    Dass Kohlekraftwerke - genauso wie Atomkraftwerke - den Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien verhindern, dass Kohlekraftwerke die schmutzigste Form der Energieerzeugung sind, dass Kohlekraftwerke im Normalbetrieb mehr Radioaktivität freisetzen, als Atomkraftwerke, dass die Kohle in Entwicklungsländern unter Verletzung der Menschenrechte abgebaut wird, um auf der anderen Seite des Globus' verheizt zu werden und nicht zuletzt, dass rund 40 Prozent der CO2-Emissionen der Bundesrepublik aus Kohlekraftwerke kommen.

     

    Ich hoffe, mein Weckruf kommt an!

  • KE
    Konzession entziehen

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    Herr Knödler, mit Ihrem Kommentar bedienen Sie die Wünsche der großen Energiekonzerne, die uns weismachen wollen, dass Atomenergie die Alternative zu Kohle sei.

    Um die erwünschten Folgen muss eben gekämpft werden. Die Volksinitiative "Unser Hamburg - Unser Netz" will erreichen, dass die Netze auf dezentrale Anlagen ausgelegt werden. Das hieße, dass Großkraftwerke, die Atom- und Kohlestrom produzieren nicht brauchbar sind. Deshalb alle unterschreiben. Wir brauchen 10.000 Unterschriften bis Mitte August.