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Kolumne Älter werdenFür wen ich (nicht) schreibe

Kolumnenleser- und Leserinnenbeschimpfung - eine Litanei zu Handgebetsmühle und Nasenflöte frei nach Väterchen Franz.

I ch schreibe ich nicht für euch, ihr Sarrazinisten vom unrechten Flügel der Sozialdemokratie, die ihr euch nicht entblödet, mit euren gewichsten Stiefeletten (Italian Style) nach ganz unten durchzutreten. Und nicht für euch skrupellosen und in jeder Hinsicht kreativen Bosse in schwarzen Boss-Rollis, die ihr über schwarze Konten in der Schweiz verfügt, damit die Armut hier, die euch so ankotzt, nicht mit euren Steuergeldern bekämpft werden kann, die ihr zu Weihnachten 100 Euro an Amnesty spendet, weil ihr in euren humanistischen Gymnasium doch postpubertär leicht links sozialisiert wurdet, und eure Jura (oder BWL) studierenden Töchter an den Heckscheiben ihrer saublöden SUVs den Che kleben haben, der aktuell très chic ist.

Und nicht für euch, die ihr euch im Net Günther oder sonst wie nennt und in dieser Politikerblume für Recht- und Linkshaber immer das lesen wollt, was ihr euch selbst so denkt, die ihr zu wissen glaubt, was recht links ist und nie von Zweifeln geplagt werdet. Und nicht für euch, die ihr die Welt schwarz-weiß wahrnehmt, den Farbfilm vergessenhabt und das Entwickeln sowieso. Nein, für euch nicht!

Und nicht für euch, die ihr als Jungredakteure einmal links gewesen seid und jetzt in der Sendeanstalt HR, dem einstigen Rotfunk, eurem gesetzlichen Bildungsauftrag opportunistisch noch nicht einmal mehr ansatzweise gerecht werdet, sondern euch im TV mit Sendungen wie dem ABC der Volksmusik, der Klinik unter Palmen und Hessens beliebteste Schauspieler der Volksverdummung verschrieben habt, und die ihr tatsächlich zu wissen glaubt, dass wir älter werdenden Menschen von My Generation jetzt auch schon so verrückt, blöd und doof geworden seien wie ihr. Und nicht für euch, die ihr glaubt, mit einem Stück Stoff auf dem Kopf, oder weil ihr freitags Fisch esst oder euch an Sabbat nicht die Fußnägel schneidet, näher bei Gott zu sein, die ihr verzweifelt nach dem Sinn des Lebens sucht und dabei vergesst, dass es die eigentliche Aufgabe ist, ES gerecht gegen alle verantwortungs- und genussvoll (im Wissen um seine Endlichkeit) und dabei möglichst viel Liebe gebend einfach zu leben, die ihr zu eifernden Missionaren mutiert und euren Nächsten überall auf der Welt auf den Keks geht.

privat

K.-P. Klingelschmitt, 1970

Und auch nicht für euch Salonkommunisten, die ihr im Entertaineranzug weichgespülte Partisanenlieder zum Vortrag bringt, sirupblöde die Bundespräsidentenwahl zwischen Gauck und Wulff mit der zwischen Hitler und Stalin vergleicht und euch bis heute nicht dafür schämt, mit der Stasi zusammengearbeitet und an Genossen wie Wolf Biermann Verrat geübt zu haben. Nein für euch nicht! Und auch nicht für euch (organisierte) Linke, die ihr glaubt, dass die DDR das bessere Deutschland war und das diktatorische System mit seinen Regalen voller Einweckgläser mit Geruchsproben von Klassen- und Staatsfeinden Sozialismus. Nein, für euch nicht!

Für alle anderen, sich als undogmatisch links definierenden Menschen, die noch immer die Fahne der Französischen Revolution von 1789 hochhalten und hartnäckig Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einklagen, aber schon. Und gerne.

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9 Kommentare

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  • H
    hto

    Jede Revolution ist bisher im (systemrational-kreislaufenden) Ansatz vom (nun "gesunden" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen") Wettbewerb um "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" gescheitert - eben an der stumpf- wie wahnsinnig gebildeten Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche (Konfusion von Wahrheit, durch Blödsinn, Heuchelei und scheinbar unfassbarer Dummheit in Spiritualität und Politik für die Hierarchie in materialistischer "Absicherung")!?

     

    Es mangelt eben am Mut und am Verständnis zur Kommunikation für eine Welt- und Werteordnung OHNE ..., auf der Basis eines bedingungslosen MENSCHENRECHTS auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus MENSCHENWÜRDIG resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten - eindeutige Wahrheit, für geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein, damit ...

  • K
    Klingelschmitt

    Lieber Herr Ehrenmann.

     

    Ich danke für Ihren kritischen Leserkommentar, kann mir aber als - gelernter - Historiker eine auch kritische Replik zu Ihrem Anachronismusvorwurf (Französische Revolution)nicht ganz verkneifen. Muss nicht auch nach Marx zunächst einmal die bürgerliche Revolution vollendet sein, um die "proletarische" (vor der man sich durchaus auch fürchten kann)durchziehen zu können!? Ich jedenfalls, und deshalb die Rückschau, muss konstatieren, dass weltweit (also auch national) alle drei Grundforderungen der bürgerlichen französischen Revolution leider noch immer nur in Ansätzen verwirklicht wurden. Und übrigens: "Undogmatisch links" ist deshalb besser, weil auf dem Weg dorthin (Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit), immer wieder Korrekturen möglich sein müssen.

     

    Herzlichst: Ihr Autor

  • S
    suki

    soll dieser gesinnungs-striptease den faux-pas-kommentar vom letzten mal gutmachen? hui, ein richtiger rundumschlag. aber die sichtweise ist doch die alte: wieder mal von ganz ganz oben.

    ach ja, süßer vogel jugend - da fliegst du hinfort ...

  • TT
    Theo Tiger

    Danke! Danke! Danke!

    Gut dass es die taz mit KPS gibt.

  • V
    vic

    Offenbar haben Sie auch ein wenig für mich geschrieben. Danke

  • MB
    Mr. Bungle

    danke. das musste endlich mal gesagt werden!!!

  • SE
    Samuel Ehrenmann

    Ich habe mich immer gefragt für was das "undogmatisch" steht, das manche "Linke" ihrem "Linkssein" voranstellen.

    Ist das die Entschuldigung dafür, dass sie keine revolutionäre Linke sein wollen? Nach der Lektüre Ihres Artikels denke ich, dass der Begriff auch weitere Verbesserungen zulässt. Die vollständige Weglassung des Begriffs "Links" zum Beispiel. Da gibt es noch Spielraum: Die "Undogmatische". Das klingt doch noch viel besser, so demokratisch und gerecht! Ich kann die Marxlektüre natürlich niemandem verordnen aber heutzutage die Fahne der Französischen Revolution hochhalten? Wir sind hier doch nicht beim Revolutionsstadl! Ist das jetzt einfach nur Kitsch oder schon bürgerliche Ideologie? Ein wenig mehr Geschichtsverständnis wäre schon angebracht, auch wenn das hier nur eine Zeitung ist.

  • A
    A.Grech

    Dieser Text ist mir nix wert.

  • F
    Fandorin

    Danke! Kolummnen dieser Art, gerne öfters!