Baseball-EM in Deutschland: Grausiges Wetter, wenige Zuschauer

Weil das Wetter bei der Europameisterschaft arg schlecht ist, finden die sehenswerten Auftritte der deutschen Mannschaft vor schlecht besetzten Rängen statt.

Der deutsche Pitcher Claus Hendricks Bild: imago

STUTTGART taz | Dort unten schuften sie wieder. Hetzen übers Feld. Hauen sich rein. Über ihnen hängen dunkle Wolken, der nächste Platzregen droht, aber sie geben nicht auf. "Das da", Jürgen Elsishans zeigt hinunter auf den vor Nässe triefenden Platz und die Männer, die sich dort tapfer gegen die Naturgewalten stemmen, "das sind die wahren Helden dieser Europameisterschaft."

Diese Europameisterschaft ist die im Baseball und läuft seit vergangenem Wochenende in Baden-Württemberg. Jürgen Elsishans ist Vizepräsident des Deutschen Baseball und Softball Verbandes (DBV) und dort für den Spitzensport verantwortlich. Doch an diesem regnerischen Tag in Stuttgart spricht er nicht über das Aushängeschild seines Verbandes, die Baseballnationalmannschaft, sondern über die sogenannte Groundcrew. Der "Groundkeeper" und seine Helfer sind dafür zuständig, das Spielfeld zu präparieren - eine Herkulesaufgabe angesichts der Wetterlage.

Daran schuld ist "Silke". Das Tief hat "eine Katastrophe" verursacht, findet Elsishans. Wegen des immer wieder einsetzenden Regens war der Spielplan der EM beständig Makulatur. Vollständig abgesagt wurden bereits das Gros der Platzierungsspiele. Die Groundcrew absolvierte bis zu 20-stündige Arbeitstage, und vor allem, so schätzt Elsishans, fehlten in den Stadien in Stuttgart, Heidenheim und Neuenburg bislang "zehn- bis fünfzehntausend Zuschauer".

Vom Wetter abgesehen aber läuft es prächtig für den DBV. Die deutsche Mannschaft, die nach vierten Plätzen bei den beiden vergangenen Europameisterschaften unbedingt eine Medaille gewinnen will, liegt auf Kurs. Am Donnerstag gelang gegen Griechenland ein weiterer Erfolg. Nach dem 17:8, dem fünften Sieg im sechsten Spiel, befindet sich die DBV-Auswahl, so ihr Trainer Greg Frady, "in einer großartigen Position, um das Finale zu erreichen".

Die einzige Niederlage kassierte seine Mannschaft bislang gegen die Niederlande. Dabei hielt sie das Spiel gegen den Titelverteidiger und Topfavoriten nicht nur lange offen, sondern bot auch noch bewundernswerten Einsatz gegen "Silke". Als in Heidenheim nach einem abermaligen Wolkenbruch der Spielabbruch drohte, betätigten sich waschechte Nationalspieler als Reinigungskräfte. Pitcher Tim Henkenjohann schob einen Besen übers Infield, und Kapitän Simon Gühring griff sich eine Schaufel; das ganze Team unterstützte eine gute Stunde lang die Groundcrew, um die Pfützen zu beseitigen. Schließlich lag man nur 0:1 zurück, eine Sensation schien im Bereich des Möglichen. Doch der Erfolg der Putzaktion blieb zwiespältig: Das Spiel konnte zwar fortgesetzt werden, endete jedoch mit einem 3:0 für die Holländer, die als einziges Team ungeschlagen in die Endrunde gingen.

Die geht nun am Wochenende in die entscheidende Phase. Und das mit hoffentlich besserem Wetter. Denn bei dauernd drohendem Regen und erbärmlichen Temperaturen waren selbst die seit der Leichtathletik-WM 1993 als hemmungslos sportbegeistert verschrienen Stuttgarter nicht zu bewegen, der EM einen würdigen Rahmen zu verschaffen. Nur am vergangenen Sonntag, beim deutschen Sieg gegen Belgien, kamen immerhin 2.500 Zuschauer. Beim Spiel gegen Griechenland allerdings verloren sich dann gerade mal 600 auf den Zusatztribünen, mit denen der Baseballplatz der drittklassigen Stuttgart Reds auf ein Stadion mit einer Kapazität von 3.600 ausgebaut wurde.

Das soll sich nun endlich wieder besser füllen. Die Wettervorhersage gibt Grund zur Hoffnung, noch mehr aber das Spiel der deutschen Mannschaft. Beim Sieg gegen Griechenland konnte das Team sogar eine eher wacklige Leistung von Enorbel Marquez kompensieren. Der gebürtige Kubaner, sonst der mit Abstand beste deutsche Pitcher, hatte ungewohnte Probleme mit der Platzierung seiner Würfe und kam des Öfteren in Schwierigkeiten gegen eine Mannschaft, die sich systematisch mit US-Profis griechischer Herkunft verstärkt hat. Die meisten von ihnen waren im Vorfeld der Olympischen Spielen 2004 in Athen eingebürgert worden.

Damals war Baseball noch olympisch, die Deutschen waren nicht qualifiziert, und Hellas schlug sich vor heimischem Publikum einigermaßen achtbar. Mittlerweile ist das griechische Team überaltert und von den Deutschen überholt worden. Die haben, im Gegensatz zu anderen in Europa führenden Nationen, neben den Griechen vor allem Italien und Spanien, nie systematisch versucht, amerikanische Profis mit deutschen Omas aufzuspüren. Stattdessen hat der DBV auf den eigenen Nachwuchs gesetzt und die eigenen Strukturen in den vergangenen zehn Jahren professionalisiert.

Mit Erfolg: Uneinholbar scheint nur noch der 20-malige Europameister Niederlande, der immer wieder durch Spieler aus den ehemaligen Kolonien in der Karibik verstärkt wird. Doch dahinter scheinen sich die deutschen Baseballer als zweite Kraft in Europa zu etablieren, obwohl bei der EM im eigenen Land mit Kai Gronauer, Donald Lutz und Max Kepler-Rozycki sogar drei der Besten fehlen, weil sie momentan versuchen, sich in den USA als Profis durchzusetzen.

Eine Finalteilnahme für das deutsche Team, meint Jürgen Elsishans, wäre deshalb nicht nur logisch, sondern auch "ein Highlight, das man verkaufen kann". Jetzt muss nur noch "Silke" mitspielen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.