„Angst vor der Zukunft“

VORTRAG Ein Astronaut erklärt, warum die Raumfahrt nützt und Bremen Aversionen hegt

■ 59, ist Physiker und Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. 1993 war er als Astronaut im All.

taz: Herr Walter, der Raumfahrt wird oft vorgeworfen, zu teuer zu sein und zu wenig Nutzen zu haben. Was entgegen Sie dieser Kritik?

Ulrich Walter: Ich könnte Ihnen lange Vorträge darüber halten, was wir von der Raumfahrt haben. Aber das würde diesen Rahmen sprengen. Wie definiert man überhaupt diesen Nutzen? Und was haben wir beispielsweise davon, dass wir jetzt das Higgs-Teilchen kennen? Nichts, könnte man sagen. Dabei fließt in diese Forschung viel mehr Geld als in die deutsche Raumfahrt. Nur ist da diese Kritik nie zu hören.

Woran liegt das?

Raumfahrt steht für Zukunft – und wir haben Angst vor der Zukunft. Wir sind eine alternde Gesellschaft und wollen möglichst wenig Veränderung. Das ist kein speziell deutsches, sondern ein europäisches Phänomen. Mit ihrer Zukunftsfreude und Innovationsfreudigkeit laufen uns China und Indien langsam den Rang ab. Wir sind sehr stark auf unsere Kultur und in die Vergangenheit orientiert – der ganze Münchner Kernbereich etwa besteht aus lauter Museen. Außerdem ist unsere Gesellschaft gespalten. Das Geistige scheint uns wichtiger als das Faktische. Wenn wir von Intellektuellen, also der Kulturelite, sprechen, dann meinen wir keine Wissenschaftler und Ingenieure, obwohl jene in Deutschland etwa 60 Prozent des Bruttosozialproduktes erwirtschaften. Wir sprechen von Kultur und Wissenschaft und implizieren damit, dass Wissenschaft und Technik keine Kultur sind. Einerseits schätze ich die geistige Kultur sehr – andererseits stellt sich auch eine Frage der Ausgewogenheit.

Ist das in Bremen, das sich sehr stark als Luft und Raumfahrtstandort vermarktet, besser?

Aus einem gegebenen Anlass habe ich mich einmal mit dieser Frage genauer befasst. Wenn man hier am Flughafen landet, wird man mit Modellen aus der Raumfahrt empfangen. Das finde ich super. Das sollte in vielen Städten so sein. Bremen ist zwar einerseits stolz auf einschlägige Unternehmen wie OHB oder EADS, aber das liegt nicht zuletzt daran, dass viele Menschen dort ihr Geld verdienen. Tief drin gibt es im stark grün geprägten Bremen eine Aversion gegen Luft und Raumfahrt. Es gibt zum Beispiel an der Bremer Universität keine Studiengang für Luft und Raumfahrt.

Liegt das daran, dass man sie oft mit dem Militär in Verbindung bringt?

Auch, dabei ist das gerade bei der Raumfahrt wenig berechtigt. Und auch die Bundeswehr ist Teil unserer Gesellschaft.

Interview: Jan Zier

18.30 Uhr, Sparkasse Am Brill