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BAP-SCHWÄCHEZur blauen Stunde

„Hättest du vielleicht Lust, andere Musik anzumachen?“

Es lief Nick Cave. Zur blauen Stunde in der Lieblingsbar. Gut, das passiert hier öfter, und wenn nicht Nick Cave, dann läuft Portishead. Die ich überaus liebe, schon immer, während ich mit Cave schon immer meine Probleme hatte – Nick Cave, das war Musik zur Geisterbahn mit Whiskeyglas, Kunstblues von weißen alten Säcken. Vielleicht das Richtige zur blauen Stunde in einer kleinen Bar mit fünf bis sechs Whiskeysorten im Angebot. Der Besitzer wischt zur Musik leicht nachdenklich den Tresen.

„Hättest du vielleicht Lust, andere Musik anzumachen?“, fragen wir äußerst höflich. Macht er sogar, man ist wohl nicht umsonst zum Stammgast geworden. Dann aber passiert das Unfassliche: Er schafft es, musikalisch noch eine Liga tiefer zu geraten. Nix Portishead oder irgendetwas wirklich Alt-Cooles wie Nina Simone oder so. Nein, es läuft, man halte sich fest: Element of Crime. Und noch viel unfasslicher: Mein Saufkumpan, selbst nicht immer wackelfest, was Musikgeschmack betrifft (er kann BAP-Platten mitsingen, obwohl er nicht aus Köln kommt), beschwert sich! Das sei ja wohl das Letzte, also mieser als das ginge nicht! Und Sven Regener habe er schon immer gehasst.

Ich bin überrascht und überlege, ob ich ihm demnächst seine BAP-Schwäche mit dem Argument, Niedecken sei der Regener Kölns, ausrede. Oh, er komme eben auch aus Bremen, sagt der Barbesitzer. Das erklärt natürlich einiges. Aber nicht alles! Wir zahlen und gehen. Diese schlechte Schunkelmusik mit Trompete und vorgeblichem Tiefgang hat mich schon immer genervt, sagt er beim Gehen. Seine Bücher seien auch Mist. Und das hat nicht mal etwas mit den Copyright Wars zu tun, fügt er hinzu. Ich summe „Red Right Hand“, den einzigen Nick-Cave-Song, den ich wirklich sehr gut finde, und schwanke in dieser kalten Berliner Februarnacht halbwegs glücklich nach Hause.

RENÉ HAMANN

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