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Ex-Parteistratege Goergen"Die FDP ist ein Karriereverein"

Rücktrittsforderungen bringen die Macht von FDP-Chef Westerwelle nicht ins Wanken, urteilt Ex-FDP-Stratege Fritz Goergen. Der Fall der profillosen Partei werde aber weitergehen.

"Inhaltliche Leere macht die FDP als Berufspolitiker-Maschine besonders anfällig", meint Ex-FDP-Stratege Fritz Goergen. Bild: dpa
Matthias Lohre
Interview von Matthias Lohre

taz: Nach den Hessen fordert nun auch die Saar-FDP Westerwelles Rücktritt vom Parteivorsitz. Brächte ein schlechtes Abschneiden der FDP bei einer Landtagswahl seine Macht ins Wanken?

Fritz Goergen: Eine Wahl, die richtig schief geht, wird nicht reichen. Kein FDP-Vorsitzender hat die Partei so unumschränkt beherrscht, wie Westerwelle es tut. Er ist sogar mächtiger, als es Genscher je war. Wer sollte ihn da in offener Feldschlacht herausfordern? Er wird sich länger an der Spitze halten können, als es der Partei gut tut.

Wieso lässt die FDP das mit sich machen?

Fritz Goergen

Der heute 68-Jährige war FDP-Bundesgeschäftsführer, später in der Leitung der Friedrich-Naumann-Stiftung. 2002 verließ er die FDP.

Alle Parteien tendieren seit Jahren dazu, die Macht weg von unten nach oben zu verschieben: Früher hatten die Landesverbände das meiste Geld und den größten Einfluss, heute liegt beides bei der Bundestagsfraktion. Die FDP ist in dieser Entwicklung besonders weit fortgeschritten. Die Partei ist ein reiner Karriereverein geworden. Wenn sie schauen, wer da in die Führungspositionen nachwächst, dann finden Sie nur noch Leute, die sich für den Beruf Politiker entschieden haben. Auf dem Weg nach oben verlieren sie ihr politisches Herzblut, oder sie bringen es gar nicht erst mit.

Karrierismus gibt es auch in anderen Parteien.

Aber bei der FDP ist er besonders weit verbreitet. Die Grünen haben ihr Thema Ökologie, die SPD das Soziale. Die FDP nennt sich "liberal". Das wärmt nicht. Viel zu viel Vernunft, viel zu wenig Gefühl. Diese inhaltliche Leere macht die FDP als Berufspolitiker-Maschine besonders anfällig.

Wird die FDP im deutschen Parteiensystem überhaupt noch gebraucht?

Nein. Die FDP ist wieder dort angekommen, wo sie kurz vor dem Mauerfalls bereits war: ganz unten. Seit den 70er-Jahren hat sich die Partei programmatisch verengt. Erst schrumpfte sie zur Wirtschaftspartei und dann, unter Guido Westerwelle, zur Steuersenkungspartei. Kein anderes Thema wird mit der FDP noch öffentlich verbunden. Die Partei versucht auch nicht, andere Themen nach vorne zu stellen.

Kommt die FDP aus dieser Sackgasse wieder heraus?

Mit Sicherheit nicht in dieser Legislaturperiode. Von der Regierung Schröder-Fischer wurde gesagt, sie habe funktioniert, weil sie ein gemeinsames Projekt hatte. Die jetzige Koalition hat nichts dergleichen, ebenso wenig die einzelnen Koalitionsparteien.

In der Opposition erspürte Westerwelle meisterhaft Wählerstimmungen. Warum liegt er nun so oft dermaßen daneben?

Er ist nun Außenminister und Vizekanzler. Höher kann man als FDPler nicht klettern. Womöglich hat dieser Aufstieg alle Kraft aufgefressen. Ihn hat nie ein Thema angetrieben, sondern der Karrierewille selbst.

Könnten jüngere FDPler die Partei neu ausrichten? Generalsekretär Christian Lindner wird da ins Spiel gebracht.

Lindner, dem ich das durchaus zugetraut hätte, ist merkwürdig still geworden. Überhaupt ist in diese Partei eine große Stille eingekehrt.

Ist die FDP gelähmt, weil sie weiß: Mit Westerwelle geht es nicht, aber ohne ihn auch nicht?

Seit acht Jahren redet nur einer für die FDP: Westerwelle. Er hat alle Konkurrenten zum Schweigen gebracht, er ist die FDP. Daran hat sich die Partei gewöhnt.

Sie waren ein Vertrauter Jürgen Möllemanns, berieten Westerwelle, erfanden das "Projekt 18". Sind Sie mitverantwortlich fürs Image der Machtpartei?

Ach, das ist so ein Klischeebild der Medien. In den 90er-Jahren hoffte ich, ich könnte durch die Mitarbeit beim damals entstehenden neuen Grundsatzprogramm, den "Wiesbadener Grundsätzen", den Kurs der Partei ändern. Ende der 90er-Jahre war klar: Der Kurswechsel blieb aus. Als ich später für Möllemann arbeitete - und auch kurz für Westerwelle - da tat ich das nicht mehr als FDPler, sondern als Kommunikationsberater. Ich machte meinen Job, so gut es ging. Oder so schlecht es schließlich lief.

Lindner koordiniert die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm. Hoffen Sie auf Wandel?

Das intellektuelle Rüstzeug dazu hätte Lindner. Aber die Unterstützung ist gering. Es wäre eine Herkulesaufgabe, der FDP, die noch nie ihren Standort im Parteiensystem gefunden hat, diesen zuzuweisen. Ich glaube nicht, dass die FDP sich ändern wird.

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3 Kommentare

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  • HK
    Hermann K. Stützer, FDP Landesvorsitzender Bayern 1998-2000

    Die FDP unter einem Parteivorsitzenden Westerwelle wird nur von einem Generalsekretär geleitet. Das ist wie wenn in der Gemeinde der Sekretär zum Bürgermeister wird. Mehr als die Technik des Verwaltens hat der in aller Regel nicht drauf. Da wird nichts draus. In der FDP bedeutet das: Etikett statt Marke, Karrierismus statt Inhaltsdynamik, Oberfläche statt Visionen, Überschriften statt Perspektiven usw. Ich nenne diese Leere den "Westerwellismus". Von ihm sind die jungen Parteigenerationen alle infiziert. Wenn man in der FDP etwas erreichen will, muss man sein wie die Maschen ihres karrieristischen Grundmusters - bis hin zur Wahlfälschung. Was am unteren Ende übrigbleibt, ist eine Verengung auf den erkalteten inhaltlichen Bodensatz, etwa die Steuerpolitik. Und auch dort fehlen wirklich durchdachte und reformtaugliche Systemperspektiven dieser Partei, deren Reste eigentlich keiner mehr braucht. Und dabei gäbe es so viel zu formen an der Vision eines zeitgerechten und zukunftsweisenden Liberalismus. Er müsste seinen alten Kern wieder entdecken und epochenbewusst neu definieren: das Streben nach Freiheit. Man könnte beeindruckende politische Ansätze daraus entwickeln. Und das wären dann echte Ausrichtungen, nicht nur Windrichtungen.

  • A
    Amos

    Für mich, ist die FDP eine "Münchhausen-Partei",die sich durch Klientel-Politik bereichert und von anderen Menschen, die durch den Neoliberalismus im Sumpf stecken, verlangt,dass sie sich am eigenen Zopf da raus ziehen. Also quasi, eine Partei der Traumtänzer.Solch eine Partei könnte gut von dem Geld leben, was sie aus der Wirtschaft bekommt und nicht noch zusätzlich von den Diätenerhöhungen profitieren sollte.

    Diese Partei ist nichts weniger als Selbstzweck.

  • L
    Letterman

    Wir brauchen eine liberale Partei in Deutschland. Die FDP braucht niemand.