Historiker Pohl über die Ehrenmal-Ausstellung: "Der Glaube an die eigene gute Sache sitzt tief"

Karl Heinrich Pohl von der Uni Kiel kritisiert die Ausstellung in Laboe. Statt einer differenzierten Betrachtung der deutschen Geschichte dominiere bei der Marine noch immer das Bild des U-Boot-Kämpfers als tollem Hecht.

taz: Herr Pohl, Sie und weitere örtliche Historiker opponieren gegen die neue Ausstellung im Marine-Ehrenmal Laboe. Warum?

Karl Heinrich Pohl: Lassen Sie mich kurz grundsätzlich werden: Die neuere Museumsdidaktik ist sich darin einig, dass der Besucher mit mehr Fragen aus einer Ausstellung herausgehen soll, als er hineingeht. Es dürfen mithin dort keine absoluten Wahrheiten verkündet werden, weil es die nicht gibt. Ein Beispiel: die Flottenpolitik und die Kriegsschuldfrage des Ersten Weltkrieges. Die wird in der Geschichtswissenschaft bis heute kontrovers diskutiert - diese Kontroverse muss man wiedergeben. Genau dies geschieht in Laboe nicht: Da ist Europa definitiv nur wegen mangelnden Krisenmanagements in den Krieg hineingeschliddert.

Sie kritisieren auch die finanzielle Unterstützung.

Wenn relativ viel öffentliches Geld ausgegeben wird, hat die Öffentlichkeit ein Recht, dass vorher geprüft wird, ob die Ausstellung wissenschaftlichen Standards genügt. Genau das ist nicht geschehen. Weder die Kieler Hochschule noch wichtige örtliche Gedenkstätten sind einbezogen oder auch nur informiert worden. Wir haben nur durch Zufall von der ganzen Sache erfahren. Privat kann der Marinebund als Träger des Hauses machen, was er will. Aber nicht, wenn er sich eine Ausstellung staatlich subventionieren lässt.

Sie waren mittlerweile vor Ort.

Das Dilemma beginnt schon damit, dass für das gesamte Ehrenmal gilt: "Gewidmet allen auf See Gebliebenen". Ob einer also Handelsschiffe torpediert und später selbst versenkt wird oder ob einer mit einem Handelsschiff untergeht, alle sind sie Opfer. Eine Differenzierung, die gerade für die deutsche Geschichte wichtig wäre, findet nicht statt. Nebenbei: Die Geschichtswissenschaft ist spätestens seit der Wehrmachtsausstellung ein ganzes Stück weiter - und die öffentliche Meinung auch.

ist Professor für Geschichte an der Universiät Kiel und einer der fünf Historiker, die die Ausstellung kritisieren.

Warum fällt es der Marine bis heute so schwer, sich ihrer Geschichte zu stellen?

Ich bin mal gebeten worden mit Studenten eine Konzeption für die geschichtliche Sammlung der Marineschule in Mürwik zu erarbeiten. Dabei hatten wie engen Kontakt mit Marinehistorikern und mussten feststellen: Der Glaube an die eigene "gute" Sache ist tief verankert. Jeder, der etwas dagegen sagt, ist ein eine Art Nestbeschmutzer. Die Verbrechen der Wehrmacht, des Heeres, die sind bekannt. Bei der Marine dominiert dagegen immer noch das Bild des einzelnen U-Boot-Kämpfers, der eigentlich ein toller Hecht war.

Was ist aus Ihrer Konzeption geworden?

Unsere Überlegungen sind dankend zur Kenntnis genommen worden.

Können Sie eine Arbeit zum Thema Marine empfehlen?

Nein. Das muss ich unserer Zunft vorhalten: Man kann nicht immer nur die "konservative Marinegeschichtsschreibung" kritisieren und selbst keine bessere Gesamtdarstellung schreiben. Eine Marinegeschichte - auch als Sozial- und Kulturgeschichte -, die wartet noch. Dabei bietet sich die Marine sehr gut an, zwei verschiedene Traditionslinien aufzuzeigen: die konservative Tradition der Marineführung, die etwa beim Kapp-Putsch mitgemacht hat, und eine demokratische: Schließlich ist die Revolution 1918 von der Marine ausgegangen. Da hätten Sie übrigens die Dynamik der Kontroverse, von der ich eingangs sprach.

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