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Lebensqualität für Menschen mit BehinderungenEndlich mal alleine wohnen

Christian Herzog ist behindert. Im Apartmenthaus der Berliner Lebenshilfe hat er zum ersten Mal eine Wohnung für sich. Betreuung ist trotzdem da.

"Hier ist das Bad, da die Abstellkammer und hier drüben der Wohnbereich." Christian Herzog ist sichtlich stolz, als er den Besuch durch seine Wohnung führt. "Ich habe extra aufgeräumt", verkündet er lächelnd.

Es ist eine helle Erdgeschosswohnung, mit großen Fenstern und einer kleinen Terrasse, die zum Garten hinter dem Haus führt. In der Mitte des geräumigen Zimmers steht ein großer runder Esstisch, an der Wand ein schmales Bett. Auf den ersten Blick wirkt sein kleines Reich wie jede gewöhnliche Wohnung eines jungen Mannes. Nur der Haltegriff im Bad neben der Toilette weist darauf hin, dass er manchmal etwas Hilfe benötigt.

Jubiläum: 50 Jahre Lebenshilfe

Was als kleiner Verein begann, der im März 1960 von Eltern behinderter Kinder gegründet wurde, kann nach gut fünfzig Jahren eine erfolgreiche Bilanz ziehen: Die Lebenshilfe Berlin zählt aktuell rund 1.600 Mitglieder und 1.060 Mitarbeiter.

Ursprünglich nannte sich der Verein noch "Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind" und wandte sich mit seinem Angebot an Minderjährige. "Das hat in erster Linie den Grund, dass zu NS-Zeiten rund 200.000 Menschen mit Behinderung ermordet wurden", erklärt Christiane Müller-Zurek, Pressesprecherin der Lebenshilfe. "Daher gab es in den 50er, 60er Jahren kaum noch behinderte Erwachsene."

Mit der Zeit aber sind die Betroffenen älter geworden und neue Angebote haben sich an die neuen Bedürfnisse der Behinderten angepasst. Heute unterstützt die Lebenshilfe mit ihren 100 Standorten in Berlin rund 4.500 vornehmlich geistig behinderte Kinder und Erwachsene in diversen Projekten. So gibt es neben zentralen Beratungs- und Informationsstellen auch verschiedene Angebote betreuten Wohnens, Gesundheitsdienste, Kindertagesstätten, Fortbildungen, Sport-, Freizeit- und Reiseangebote. "Im Zentrum unserer Arbeit stehen die soziale Akzeptanz und der Wunsch, dass Menschen mit Behinderung als gleichwertige Bürger in der Gesellschaft anerkannt werden", sagt Müller-Zurek. "Das ist uns gelungen."

Finanziert werde die Lebenshilfe zu einem großen Teil vom Land und den Bezirken, sagte Müller-Zurek auf Anfrage. Die Gehälter der Geschäftsführer habe man bislang aber nicht veröffentlicht. Andere soziale Träger haben nach dem Treberhilfeskandal ihre Gehälter publik gemacht. Shirin Saber

Ihren 50. Geburtstag feiert die Lebenshilfe am Sonntag von 14 bis 18 Uhr mit einem Sommerfest im Freiluftkino im Volkspark Friedrichshain

Herzog hat eine Behinderung, ist Spastiker, wie er selbst souverän über sich sagt. Er sieht schlecht, trägt eine Brille, seine rechte Körperhälfte kann er nicht gut bewegen. "Dadurch kann ich einfache Dinge nicht alleine machen, wie zum Beispiel Äpfel schneiden oder Brote schmieren. Deshalb ist es gut, dass ich hier wohne."

Hier, damit meint Herzog das Apartmenthaus der Berliner Lebenshilfe. In der Schöneicher Straße in Hohenschönhausen hat die Lebenshilfe acht Zweizimmerwohnungen für Menschen mit vornehmlich geistiger Behinderung eingerichtet. In der "Treffpunktwohnung" kommen die Bewohner regelmäßig zusammen. Dabei stehen ihnen rund um die Uhr Betreuer zur Verfügung. "Wir legen unseren Klienten ans Herz, ihren Alltag so selbstständig wie möglich zu regeln", erklärt Stefan Vogel von der Lebenshilfe. "Wenn sie manche Dinge aber nicht alleine schaffen, wie zum Beispiel einkaufen oder Wäsche zusammenlegen, dann helfen ihnen die Betreuer natürlich."

Normalerweise leben die Behinderten in Zweierwohngemeinschaften. Dass Herzog alleine wohnt, hat er vor allem seiner Beharrlichkeit zu verdanken. "Ich habe schon immer von einer eigenen Wohnung geträumt. Als ich mir dieses Haus zusammen mit meinen Eltern angeschaut habe, war für mich von Anfang an klar: Ich komme - aber nur, wenn ich eine Wohnung für mich allein kriege."

Der Wunsch wurde erfüllt. Seit er im April vergangenen Jahres in die Schöneicher Straße zog, ginge es ihm noch besser, sagt Herzog. "Ich kann mich frei entfalten, bekomme aber ausreichend Unterstützung. Mir war es wichtig, dass ich mal die Tür hinter mir zumachen kann, wenn ich meine Ruhe will. Hier bin ich wirklich aufgeblüht."

Christian Herzog versucht seinen Alltag so normal wie möglich zu gestalten: Jeden Tag um halb sieben wird er von einem Fahrdienst zur Arbeit gebracht. Er ist Pförtner in einer Behindertenwerkstatt am Blumberger Damm in Marzahn. Der Job mache ihm Spaß, sagt Herzog. "Es ist abwechslungsreich, weil man nie weiß, welche Aufgabe man als nächstes erledigen muss. Jeder Tag ist anders." Neben seiner Arbeit ist vor allem das Theater sein großes Hobby. Sieben Jahre lang hat er für das integrative Theater Rambazamba auf der Bühne gestanden, 2001 zum letzten Mal. Seine Texte aber kann er heute noch wie im Schlaf. Wenn er vorträgt, scheint er völlig in seinen Rollen aufzugehen.

Und doch hat er die Theatergruppe vor neun Jahren verlassen. Fast wirkt er ein bisschen wehmütig, wenn er seinen Ordner mit den alten Texten und Erinnerungsstücken hervorholt. "Das Theater hat sehr viel Spaß gemacht, aber es war auch sehr anstrengend", erinnert sich Herzog. "Ich wollte wieder mehr Zeit haben für mich, meine Familie und Freunde." Sie scheint ihm gut zu tun, die dazugewonnene Zeit. Zeit, um aufzublühen.

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1 Kommentar

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  • EW
    ein wissender

    ich dachte die taz wäre ein kritisches blatt, warum über die tolle lebenshilfe schreiben ohne zu erwähnen, das die mitarbeiter viel zu wenig verdienen und dabei immer mehr leisten müssen. klar geht´s den bewohnern gut aber nicht wegen der lebenshilfe, sondern wegen der mitarbeiter, die trotz wenig geld gute arbeit leisten.

    vielleicht wäre druck der presse gut damit man mal erfährt was die da oben so verdienen und ob sie auch für ihr geld ihren rücken kaputt machen und auch unter schlafstörungen leiden!

     

    gruß