piwik no script img

Berliner Tafel und Co.Bezahlte Helfer werden knapp

Organisationen wie die Berliner Tafel warnen vor dem Verlust von 1-Euro- Jobbern. Das Jobcenter Mitte hat die Vergabe geförderter Stellen seit Juli auf Eis gelegt.

All das, was keinen Käufer findet, landet hoffentlich bei Organisationen wie der Berliner Tafel. Bild: AP

Der Weddinger Verein "Menschen helfen Menschen" sammelt Lebensmittelspenden und verteilt sie jeden Monat an 2.200 Bedürftige. Die Frage ist, wie lange noch: 18 Stellen für 1-Euro-Jobber, die das Essen gemeinsam mit 20 Ehrenamtlichen einsammeln, sortieren und ausgeben, seien bedroht, klagt Gründer Horst Schmiele. Sie liefen dieses Jahr aus, das Jobcenter Mitte wolle sie vielleicht nicht neu genehmigen. Schmiele sagt: "Wenn diese Stellen wegfallen, haben wir ein echtes Problem. Dann müssen die Ehrenamtlichen 80 Stunden die Woche arbeiten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten."

Tatsächlich hat das Jobcenter Mitte die Vergabe von geförderten Stellen seit Juli auf Eis gelegt. Das bestätigt Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne). Grund sei eine interne Prüfung des Jobcenters, die zeige, dass die bisherige Vergabe oft unrechtmäßig ablief. "Rund 1.000 Arbeitssuchende hätten im Juli und August einen Maßnahmenplatz bekommen sollen, der aber nicht eingerichtet wurde."

Betroffen ist auch die Berliner Tafel: Deren Chefin Sabine Werth berichtet, dass bislang zwischen 50 und 70 1-Euro-Jobber bei ihnen arbeiteten. Viele Stellen seien inzwischen ausgelaufen. "Die meisten Betroffenen machen bis jetzt zum Glück ehrenamtlich weiter", erzählt Werth. Ob das auf Dauer so bleibe, wisse sie aber nicht. "Wenn die Arbeit finanziell nicht mehr anerkannt wird, kann es schon sein, dass der Frustpegel irgendwann so hoch ist, dass sie nicht mehr regelmäßig kommen."

Fragt man bei den Jobcentern nach, weisen die die Vorwürfe zurück. "Bisher wurde beim Jobcenter Mitte nichts eingestellt oder gestoppt. Wenn Förderungen auslaufen, dann frühestens Ende September bis Ende Dezember", erklärt Andreas Ebeling, Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen. Allerdings überprüften die Jobcenter die Maßnahmen bei allen Trägern stichprobenartig.

Von einer Stichprobe kann beim Jobcenter Mitte keine Rede sein. Auch die Berliner Morgenpost berichtet über die Fehler, die bei der Vergabe der Jobs bisher gemacht wurden. Ungelernte erhielten teilweise Zuschüsse von 1.150 Euro monatlich - eigentlich das Salär für besser qualifizierte Arbeitslose. Auch hätten Mitarbeiter des Jobcenters die Arbeitslosen in vielen Fällen in Maßnahmen vermittelt, ohne den Sinn zu hinterfragen.

Von Dassel hält die Kritik in vielen Punkten für gerechtfertigt. "Wenn Gärtner in Seniorenfreizeitstätten eingesetzt werden, bringt das für die Integrationsbemühungen wenig." Die Prüfer seien aber teilweise über das Ziel hinausgeschossen. Zum Beispiel bei der Berliner Tafel: Weil das Sammeln und Verteilen von Lebensmitteln Zweck des Vereins sei, könnten 1-Euro-Jobber, die genau dies machen, echte Jobs verdrängen. Die Zusätzlichkeit sei nicht mehr gegeben, so die Kritik. "Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Zusätzlichkeit heißt manchmal auch zusätzliche Quantität", sagt von Dassel.

Sehr ärgerlich findet der Stadtrat auch, dass aufgrund des Vergabestopps zwischen 10 und 25 Millionen Euro für die Jobförderung verloren zu gehen drohen. "Das wird noch Wellen schlagen." Kleine Hoffnung für die Vereine: Von Dassel zufolge wollte das Jobcenter ab September wieder Stellen genehmigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • FS
    Frau Schmitz

    Das ist wirklich widerlich, Viele Tafeln verschweigen auch, das sie von der Arge pro 1 Euro Jobber, mindestens 300 € monatlich erhalten.

    Zudem, wenn die Arge mit ihren Sanktionen aufhören würde(die meisten sind eh ungerechtfertigt)und ihre Arbeit vernünftig, gesetzlich erledigen würde,Zum beispiel die Anträge zügig berarbeiten etc. dann müßten viele Leute gar nicht zur Tafel, um dort zu betteln.

  • HS
    Horst S.

    Hallo Leute, bleibt doch alle mal auf dem Teppich. Ich finde es richtig was Andreas M geschrieben hat. Man sollte doch die Tatsache nicht vom Tisch wischen, das Hilfe auf jeden Fall geleistet werden muss. Das dabei Fehler passieren ist unbestreitbar, aber man sollte nicht diejenigen verdammen, welche Hilfe leisten. Es sind eben alles nur Menschen. Wenn es aber all diese Menschen nicht geben würde, würden "die da oben " ihre Politik doch auch nicht ändern. Und wer würde darunter leiden????? Und noch eins ist bei der ganzen Sache bisher gar nicht bedacht worden. Was ist eigentlich mit den Kindern??? Die müssen nämlich das erleiden was die Erwachsenen verzappen. Denen kommt die Hilfe doch auch irgendwie zu Gute. Wenn Eltern ein paar Sorgen weniger haben, ist das Familienleben etwas weniger anstrengend. Alles was an dieser Schieflage beseitigt werden kann, stehen die Politiker in der Verantwortung und nicht die, die helfen.

  • WB
    Willy B.

    Die meisten Ausgabestellen reichen die Spenden

    Lebensmittel, Möbel, Kleidung u. a.

    gegen Geld an Bedürftige weiter.

     

    Die meisten Ausgabestellen bekommen Gelder für die Ein-Euro-Jobber u. a. finanzierte Stellen und bezahlen davon Kosten für Miete, Energie, Telefon, Benzin u. a.

     

    "Gewinne" und die Verwendung der "Gewinne" werden nicht kontrolliert; weil vereinsintern.

    Hinweise an das Bezirksamt über angeblich private Verwendung wurden in der Vergangenheit nicht aufgegriffen.

     

    Die Berliner Tafel hat eine Stiftung eingerichtet und sammelt Geld für schlechtere Zeiten oder?

     

    Die Not der Bedürftigen ist zum Geschäft geworden.

    Das Geschäft mit der Not ist für die Politik kein Thema, weil keine Alternative gewollt ist.

  • W
    Wolf

    Bei 1€-Jobs von "Bezahlung" zu sprechen traut sich nicht einmal die ARGE.

    Die Tafel wird nicht nur die "billigen", per Eingliederungsvereinbarung "freiwillig" herangezogenen Mitarbeiter vermissen, sondern auch einen ganzen Batzen Geld (Förderung). Für jeden "angestellten" 1€-Jobber bezahlt die ARGE den Trägern der "Maßnahme" bis zu 500€. Da sind die 150€ "Lohn" für den Jobber die kleinste Ausgabe.

    Das hat in Braunschweig z.B. den Effekt, daß ganze Gruppen von 1€-Jobbern, die z.B. Zigarettenkippen aufsammeln müssen, mit den modernsten Kleinbussen durch die Gegend gefahren werden - das Fördergeld muß ja schließlich gut angelegt werden.

  • A
    AndreasM

    Dies ist ohne Zweifel ein schwieriges Thema. Und ich kann (mal wieder) nur zur ruhigen und sachlichen Diskusion mahnen.

    Es stimmt schon das die Tafeln für das Sozialsystem kontraproduktiv sind da sie die Versorgungslücken kaschieren. In einem vernünftigen sytsem sollten sie nicht nötig sein. Solange sie jedoch keinen Gewinn erwirtschaften haben sie im momentanen System die Förderung verdient.

    Meiner Meinung nach sollte in Deutschland vieles grundlegend auf den Prüfstand (Bildungs, Steuern, Soziales, usw usf).

  • K
    kawilger

    Unglaublich....

    was die Armutsindustrie sich einbildet. Die Berliner Tafel fordert mehr 1-Euro Jobber. Arbeiten für 1 €uro plus eine Kante Brot inkl. Süppchen. Alleine die Tatsache, das es 1 Euro Jobs gibt, ist schon ein Skandal. Unglaublich welche Dummheit und welch eiskalter Egoismus sich hinter diesen angeblich so sozial eingestellten Tafeln verbirgt. Sämtliche Tafeln in Deutschland gehörten abgeschafft und anstelle dieser kontraproduktiven Einrichtungen gehört den Betroffenen mehr Geld zugestanden, damit sie wie jeder andere auch ganz normal einkaufen gehen können. Deutschland ist auf einen fürchterlichen Weg. Das Problem ist nicht die Unterschicht, sind nicht die armen Menschen sondern die Oberschicht.