Kartoffel-Ernte: Mit Soße

Nur ein paar Kilometer von Hamburg entfernt können Städter jeden Alters Kartoffeln ausbuddeln. Ein Besuch auf Gut Wulksfelde im Gefolge der Kita Hohenbuchen.

In der Erde zu finden: Kartoffel oder Regenwurm, aber auf keinen Fall Kartoffelchips. Bild: Ulrike Schmidt

"Wäspäh, Wäspäh, Wäspäh", singen die Kinder. Lassen sich aber nicht aus der Ruhe bringen und mampfen weiter Apfelschnitze, Gurkenscheiben, Vollkornbrot mit Wurst, Laugenstangen, Kekse, Vollkornbrot mit Käse, getoastetes Brot mit Nutella, Möhren, Vollkornbrot mit Marmelade. "Ich bin nicht allergisch", erklärt Otto, fünfeinhalb, seinem Nachbarn, "nur gegen so Giftsachen". Der Nachbar nickt.

Die Kinder kommen von der Kita Hohenbuchen, Poppenbüttler Hauptstraße 44, getragen von der Arbeiterwohlfahrt. Tangstedt ist nur ein paar Kilometer von Hamburg entfernt. Es ist kurz vor zehn. Um zehn sind Kinder und Erzieherinnen mit den Mitarbeitern des Gutshofs Wulksfelde in Tangstedt verabredet. Genauer gesagt mit Sabine, Katharina und Tim von der Ökomarkt Verbraucher- und Agrarberatung e. V. in Hamburg, die solche Termine fürs Gut übernehmen. Nun ist es zehn vor zehn und die Kinder haben Hunger. Also Brotzeit. In ihren Rucksäcken haben sie Stullen in kleinen Plastikdosen, auf einer, ganz in schwarz, prangt unübersehbar der Totenkopf des FC St. Pauli.

Es sind 26 Kinder und sie sind zwischen vier und sechs Jahre alt. Erzieherin Martina Kummerfeldt fragt, was man so mit Kartoffeln anfangen kann: Brei, Puffer, Chips, Pommes, sagen die Kinder. Auf Klöße kommt keiner. Keiner, auch nicht die ganz Kleinen, glauben, dass in der Erde Pommes wachsen.

Dann gehen die Kinder, einige Hand in Hand, über die Straße und in ein Haus und setzen sich hin und hören, was Sabine über die Kartoffel erzählt. Dann stellt Sabine Fragen. Die sind leicht. "Wo sind die Kartoffeln?" "In der Erde", sagt Torben. "Und was kann man damit machen?" "Ähm, man kann sie kochen", sagt ein anderer. "Und wie isst man sie?", fragt Sabine. "Mit Soße." Genau. Auf die Frage, wie Kartoffeln aussehen sollen, rufen alle "gehelb".

Die Lebensmittelindustrie versucht den Kindern per Werbung zu suggerieren, dass im Meer Fischstäbchen schwimmen, und im Boden Kartoffelchips wachsen. Diesen Eindruck zu erwecken ist wichtig, weil dann keiner mehr merkt, was mit der Nahrung alles passiert, bevor wir sie essen. Dagegen helfen Kartoffeln buddeln, Disteln und Regenwürmer.

Zum Kartoffelbuddeln haben die Kinder hier auf Wulksfelde 42 Hektar, also genügend Platz. Katharina erklärt der einen Gruppe, dass die Kartoffeln unter den kleinen Hügeln in Gängen sitzen, und sich manchmal verstecken. Und dann geht es los. "Da guckt eine raus", ruft Paul. Und Achim: "Da sind noch viele." Und da ist ein Regenwurm. Alle gucken. Poh, Mensch, hej, ein Regenwurm. "Ich möchte den, ich möchte den", ruft Henrik. Dann sitzt der Regenwurm auf seiner Hand und Henrik streichelt ihn.

Ab diesem Moment gibt es Kinder, die nach Kartoffeln buddeln, und Kinder, die eher nach Regenwürmern Ausschau halten. Achim findet "ne ganz große Kartoffel" und Paul "ne ganz kleine - das ist ne Babykartoffel". Kommt zu den großen in die grüne Kiste, die bald voll ist. Es beginnt ein Wettbewerb um die kleinste Kartoffel. Achim hat in eine Distel gegriffen, vergisst das aber sofort wieder, weil er eine "ganz dicke Kartoffel findet". Guck mal. Die ist aber groß.

Tim hilft den Kindern, indem er mal ein bisschen mit dem Spaten arbeitet, aber Achim braucht das eigentlich nicht. Auch die Mädchen, nach kurzem Zögern, weil man sich doch ziemlich schmutzig macht, buddeln mit Begeisterung. Auch ganz weit unten, wo man es nicht mehr vermutet, stecken noch Kartoffeln.

Sabine erzählt, wie der Biobauer Rolf Winter, der ja weder Insektizide noch Pestizide verwendet, mit den Kartoffelkäfern fertig wird. Meistens hält sich die Käfermenge in Grenzen und der Bauer macht nichts, aber wenn die Käfer doch zur Plage werden, und zu viele Pflanzen schädigen, dann hängt er einen Käferstaubsauger an den Trecker, der die Käfer, die auf den Pflanzen sitzen, abschüttelt und dann einsaugt. Und dann? "Werden die Käfer ersäuft", sagt Sabine. Ui.

Nach einer Stunde sind die Körbe voll. Leonie schaut ihre letzte Kartoffel genau an: "Die ess ich heute." Nun müssen die Kinder die Kisten zu den Schubkarren tragen. "Das ist schwer, Leute", hat Paul gleich gemerkt. Geht nur gemeinsam.

Einer hat die Hände in den Taschen und feuert die anderen an: "Hau ruck." Nun bekommt jeder eine Tüte mit Kartoffeln für zu Hause. "Ich hab schwarze Hände", sagt eines der Mädchen. Also gehen sich alle die Hände waschen, müssen sich aber beeilen, denn irgendwann geht nun auch der Bus.

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