piwik no script img

Hamburgs Fußball-DerbyKnapp vorbei am Fußballgott

Die erste Partie von St. Pauli und dem HSV nach acht Jahren endet mit einem friedlichen 1:1. Nicht ganz so friedlich waren einige HSV-Fans.

Kurze Freude: St. Paulis Fabian Boll nach seinem 1:0 jubelt neben dem geknickten HSV-Mittelfeldmann Jarolim. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es war eine einzige Szene, die Fabian Boll zum Hamburger Fußballgott hätte machen können. Der gerade eingewechselte Gerald Asamoah hatte sich gegen die HSV-Abwehr durchgesetzt, der Ball landete bei Boll, der nicht lange fackelte und aus 15 Metern flach und platziert ins linke untere Eck abzog. Rost kam zu spät, der Rest war grenzenloser Jubel. Nach 33 Jahren stand der ewige Underdog des Hamburger Fußballs erstmals wieder vor einem Pflichtspielsieg gegen den HSV.

Doch die Freude währte nur zehn Minuten. In der 87. Minute nahm der eingewechselte Petric den Ball volley aus 15 Metern und jagte ihn unhaltbar zum 1:1 Endstand ins Tor. "Ich muss mich zwingen mich über das Unentschieden zu freuen", grantelte St. Pauli-Sportchef Helmut Schulte nach dem Spiel: "Der Ausgleich war große Scheiße".

HSV-Abwehrchef Joris Mathijsen räumte ein, dass das "Remis sehr glücklich für uns war." Der HSV habe "nur mit langen Bällen agiert und das Fußballspielen vergessen."

Das Spiel hatte mit leichter Verspätung begonnen, weil aus dem HSV-Block blaufarbige Rauchbomben das Millerntor eingenebelt hatten. In dem mit 24.360 Zuschauern seit Wochen ausverkauften Stadion neutralisierten sich beide Teams zunächst im Mittelfeld und schafften es kaum, Chancen herauszuspielen.

Für die offensiven St. Paulianer gab in der achten Minute Boll aus 20 Metern einen Warnschuss ab, der nur knapp am Gebälk vorbeirauschte. Der HSV kam dann mehrfach über seine linke Seite gefährlich vor den Kasten der Hausherren, versagte aber beim finalen Pass. Erster Aufreger vor dem Tor der Gastgeber war nach 35 Minuten ein Westermann-Kopfball nach einem Freistoß, bevor nach 41 Minuten Rincon aus 30 Metern abzog und das von Kessler gehütete Tor nur knapp verfehlte.

Auch in der zweiten Spielhälfte verlief das Duell auf Augenhöhe, aber die Partie verflachte zusehends. Beide Mannschaften versuchten mit langen Bällen das Mittelfeld zu überbrücken. Nach 64 Minuten hatten die St.-Pauli-Fans den Torschrei bereits auf den Lippen, als Bruns mit einem Heber den in die Gasse startenden Naki bediente, der gegen Rost aber zu spät kam.

Neuer Jubel brandete auf, als Asamoah nach 74 Minuten zu seinem ersten Pflichtspieleinsatz kam. Drei Minuten später lagen sich die rund 20.000 St.Pauli-Anhänger endlich in den Armen. Besonders die Pauli-Fans hatten dem Spiel entgegegengefiebert, seit über 48 Jahren hatte kein Pflichtspiel der Rivalen mehr am Millerntor stattgefunden.

Das Spiel wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Mehrere angrenzende Straßen blieben für den Verkehr komplett gesperrt. Bereits zwei Stunden vor dem Spiel war es zu ersten Zusammenstößen am Hans-Albers-Platz gekommen, als eine Gruppe von HSV-Anhängern die Polizei mit Flaschen, Pflastersteinen und Knallkörpern bewarf. Die Beamten gingen mit Wasserwerfern vor und nahm zahlreiche Personen in Gewahrsam.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • U
    Urgestein

    @Meckerecke

     

    Das "Gewaltpotential" tummelt sich beim FC St. Pauli in Relation zum Gesamt-Fanaufkommen ganz ähnlich - leider.

     

    Natürlich war es die größtmögliche Dummheit derer, die keine Karte zum Spiel ergattern konnten, zur "Besetzung" des Stadtteils und der Kneipen des Gegners aufzurufen. Gerade die grossen Fanclubs "Chosen Few" (CFH) und "Poptown" (PT) haben gezeigt, dass sie ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Hier sollte der Verein mit der gebotenen Härte reagieren. Entweder findet in diesm Spektrum ein Umdenken und eine radikale Abkehr von der Gewalt statt, oder der Verein sollte sich von diesen Gestalten rigoros trennen.

     

    Auf der anderen Seite darf aber auch nicht übersehen werden, dass es aus den Reihen der St. Pauli-Anhänger eine Reihe übler Provokationen gegeben hat. Als der Mannschaftsbus des HSV vor dem Kabinentrakt des Millerntor-Stadions vorfuhr, konnte die Polizei nur mit Mühe und einer Hundertschaft verhindern, dass der Bus angegriffen und beschädigt wurde. Der wütende Mob beschimpfte und bedrohte Spieler und Angestellte des HSV, es waren sogar provokant zum Hitlergruss gereckte Arme zu sehen. Wie sehr man da geistig abgestumpft sein muss, entzieht sich meiner Kenntnis.

     

    Noch im Vorfeld äusserten sich beide Manager dahingehend, dass der HSV etwa 500 Chaoten habe, St. Pauli deren rund 200. Diese Einschätzung dürfte wohl zuteffend sein.

  • T
    Theo

    Werte Meckerecke,

     

    die politische Verortung hat hier nirgendwo stattgefunden, das haben sie sich gerade zusammengereimt. Fakt ist, dass sich die Hamburger NPD im Vorfeld der Partie in einem Schreiben mit allen HSV-Fans solidarisiert hat und sich daraufhin HSV Ultras (die Choosen Few) deutlich davon distanzierten. Link: http://cfhh.net/?p=2024 . Um mal Fakten sprechen zu lassen! Darin wird gesagt: "Kein Fußball den Faschisten!".

  • M
    Meckerecke

    Auch hier hat man wieder sehen könne welches Gewaltpotenzial sich um den HSV tummelt. Bei aller Vertuschung aus Marketingstrategischen Gründen sollte sich der HSV endlich mal seinem Problem, den nach rechts offenen Anhängern, annehmen. Ein Tor zur Welt-Stadtclub mit solch eingeschränkten Gesinnungsgenossen ist eigentlich Paradox, oder? Fragt euch mal selber warum St.Pauli höhere Sympathiewerte erreicht.

  • U
    Urgestein

    Um der Wahrheit mal die Ehre zu geben, es war EINE blaue Rauchbombe, die nicht mal den Auswärtsblock einzunebeln vermochte, geschweige denn "das ganze Stadion", und die verzögerte auch nicht den Anstoss. Da schon eher die weissen, roten und braunen Luftballons im Strafraum vor der Südtribüne.

     

    Kurz unterbrochen werden musste das Spiel dann zweimal in der zweiten Halbzeit, einmal wegen eines Feuers im Auswärtsblock, verursacht durch ein oder zwei Bengalos, das andere Mal damit HSV-Keeper Rost sein Gehäuse von herunterhängenden Klopapierrollen freiräumen konnte. Dank tausender Bierrosetten und der Klopapierfahnen waren in seinem Strafraum die Spielfeldlinien ohnehin nur noch schwach zu erahnen.

     

    Unentschieden allerorten also, möchte man meinen.

  • T
    Theo

    Hallo, ich lese Taz und bin trotzdem HSV Fan, so etwas soll es geben. Und so fällt es mir vielleicht eher auf, dass dieser Bericht die Interviews nach dem Spiel sehr einseitig selektiert. Dazu kommt noch, dass wieder nur die HSV Fans Ärger gemacht haben, was aber auch nicht der Wahrheit entspricht. Wer guten Journalismus machen will, muss immer beide Seiten im Blick haben und nicht nur "die andere". Auch im Fußball ^^. Es war ein schlechtes, darin ausgeglichenes Spiel.

  • E
    erikius

    "Das Spiel wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Mehrere angrenzende Straßen blieben für den Verkehr komplett gesperrt. Bereits zwei Stunden vor dem Spiel war es zu ersten Zusammenstößen am Hans-Albers-Platz gekommen, als eine Gruppe von HSV-Anhängern die Polizei mit Flaschen, Pflastersteinen und Knallkörpern bewarf. Die Beamten gingen mit Wasserwerfern vor und nahm zahlreiche Personen in Gewahrsam."

    Wenn ähnliches bei St.Pauli Fans oder TAZ-Klientel passiert, wird an dieser Stelle erst mal erwähnt wie friedlich doch alles war und das die Polizei ja selber provoziert hätte. Bei HSV-Fans läßt man solche "Richtigstellungen" aus - warum liebe TAZ???

    Für meinen Teil bin ich für ein konsequentes Durchgreifen der Polizei - wie eben bei den HSV-Fans passiert.

  • S
    Sebastian

    Schade das der HSV nicht gewonnen, der ist wesentlich sympathischer als St. Pauli!