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Autark in Spanien lebenDorf kaufen, Bewohner casten

Mit Hilfe von Blackberry und Facebook sucht ein junger Mann Mitstreiter für ein autarkes Leben in einem verlassenen spanischen Ort. Auf "Hippies" will er aber verzichten.

Hat Potenzial: Das idyllische Dörfchen Aguaviva in Ostspanien. Ist aber leider noch bewohnt. Bild: dpa

Im Februar war Zoltan Dominic Graßhoff bei einer Astrologin. Sie hat Karten gelegt, Schablonen studiert und Sternenkoordinaten berechnet. Bald kommt da etwas ganz Großes, hat sie versprochen. Damals wusste Graßhoff noch nicht, was das sein könnte. Heute ist er sich sicher: Das unbestimmte Große ist sein Dorf.

Zoltan Dominic Graßhoff, 35 Jahre alt, sitzt in Berlin auf einer Holzbank an der Spree, nippt an seiner Holunderbionade und guckt auf das Wasser. Mit seinem schwarzen Polohemd, den sorgfältig rasierten Wangen und zurückgekämmten Haaren könnte er auch ein aufstrebender Jungunternehmer sein. Und vielleicht ist er das sogar irgendwie. Auch er hat einen Traum, einen Plan: Zoltan Dominic Graßhoff möchte ein verlassenes Dorf in Spanien kaufen. Mehrere hundert davon soll es allein in Südspanien geben. Dort will er mit dreihundert Mitstreitern leben und arbeiten, einmal im Jahr soll die gesamte Dorfgemeinschaft ein Musikfestival organisieren.

Zurzeit ist Graßhoff in der "Leutefindungsphase", wie er es nennt. Denn "coole Leute" seien für dieses Projekt das Wichtigste. Dafür tourt er durch ganz Deutschland: München, Düsseldorf, Hamburg, aber auch Städte in der Schweiz und Österreich. Heute ist er dafür in eine Berliner Strandbar gekommen. Ein "Chill and Grill"-Treffen hat er in seiner Facebookgruppe angekündigt. So möchte er Mitstreiter finden.

taz

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Graßhoff zieht sich seinen dunkelgrauen Wollmantel über, wickelt seinen pinkfarbenen Palästinenserschal fest um den Hals. Es ist frisch direkt am Wasser, der kühle Wind bläst ihm ins Gesicht. Der Sommer ist zu Ende - für Graßhoff und sein Projekt ist das gut, das weiß er. Seine Gleichung ist einfach: Je schlechter das Wetter in Deutschland ist, umso mehr Leute wird er für sein Projekt begeistern können. Spanien verspricht Wärme und Sonne - das zieht.

Wie für jedes Start-up gibt es auch für Graßhoffs Unternehmen einen optimalen Zeitpunkt, sein Projekt hat im Herbst und Winter Konjunktur. Bei Facebook gründete er vor ein paar Monaten eine Gruppe "Ein malerisches Dorf in Spanien am Wasser" heißt sie, über 1.000 Anhänger hat sie schon. Seine Idee sei eingeschlagen wie eine Bombe.

Die Sehnsucht nach dem Aussteigen ist nicht neu, und doch möchte Zoltan anders sein als alle Aussteiger vor ihm. "Diese ganzen Hippies und Indienfans brauchen wir nicht", sagt er und zieht an seinem Joint. Die würden nur reden und nicht handeln. Was für Leute sucht er? Die Antwort kommt schnell. Cool sollten sie sein, er benutzt das Wort schon wieder, cool auf jeden Fall. Leute, die teilen können. Schließlich sind in der Dorfgemeinschaft alle gleich.

Fünf, die sich vielleicht bald mit ihm auf den Weg nach Spanien machen könnten, sind heute in die Bar an der Spree gekommen. Dort sitzt Margareta, sie ist Heilerin und Yogalehrerin und sagt, dass sie sich das Ganze erst mal angucken möchte. Margareta hat schon in vielen Ländern gelebt, Russland, Ukraine - und jetzt Deutschland. Spanien, das klingt für sie gut, nach Sonne, Meer. Yogakurse kann sie überall geben, warum nicht auch in Spanien? Oder Ruwen, er ist Schreiner, möchte sich selbständig machen. Wo, das ist ihm egal. Spanien würde ihm auch gefallen.

Das, was bei Graßhoffs Projekt feststeht, ist noch nicht sehr viel: Um ein leer stehendes Dorf zu kaufen, braucht er mindestens 250 Mitstreiter, die je 5.000 Euro investieren. Dann käme er auf 1,25 Millionen Euro. Mit diesem Geld könnten verlassene Häuser von den Eigentümern gekauft und eine Struktur errichtet werden. Später soll jeder Dorfbewohner achtzig Stunden pro Monat für die Gemeinschaft arbeiten.

Auf Graßhoffs Homepage können Interessierte einen Fragebogen ausfüllen. Mit Fragen wie: "Womit verdienst du gerade dein Geld?" Schließlich sei es wichtig, dass die Mischung der Dorfgemeinschaft stimme, sagt Graßhoff. Momentan verdient er seinen Lebensunterhalt mit Pokern, davor hat er in Callcentern und bei einer Fernsehproduktionsfirma gearbeitet.

Gut dreihundert Fragebögen hat er schon bekommen, darunter sind die unterschiedlichsten Berufsrichtungen. Sein Zeigefinger trommelt auf seinem Blackberry, dann liest er vor: Elektriker, Schüler, Barkeeper, auch ein promovierter Mikrobiologe. "Sobald wir das Dorf gefunden haben, wird es voll", sagt er mit dem Selbstbewusstsein eines Unternehmensgründers, der weiß, dass es vor allem an ihm liegt, ob sich das Start-up auf dem Markt behaupten kann. Im Dorf selbst gebe es später "Kompetenzteams" mit Sprechern, alle wichtigen Entscheidungen würden hier gefällt. "Grüße an Angie", sagt er - die nannte ihr Team im Wahlkampf schließlich auch so. Dann sagt Graßhoff: "Wir sind wie eine Firma, wir wollen auch erfolgreich sein." Sieht so ein Aussteiger im Jahr 2010 aus?

"Politik ist kein Thema", sagt Graßhoff. Ja, ökologisch soll es sein, das Dorf. Solarenergie, Nachhaltigkeit sind für uns große Themen, sagt er und klingt dabei wie Umweltminister Norbert Röttgen bei einer Wahlveranstaltung. Und wie bei Röttgen weiß man auch nicht so genau, was letztendlich davon umgesetzt und was nur einfach so dahergesagt wird, um Mitstreiter zu gewinnen.

Denn auch Graßhoff ist auf Stimmenfang, muss Überzeugungsarbeit leisten und die Fragen von Ruwen und Margareta beantworten. Auch die haben wenig von Woodstock und Flower-Power: Habt ihr einen Finanzberater? Gibt es einen Rechtsanwalt? Wie sieht es mit einer staatlichen Förderung aus? Und was, wenn all das nicht klappt? "Dann haben wir alle etwas erlebt und schreiben ein Buch", sagt Zoltan Dominic Graßhoff und zieht noch einmal an seinem Joint. Das wäre dann das nächste Projekt.

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14 Kommentare

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  • LT
    Linda Tutmann

    Lieber Zoltan,

    ein Portrait ist letztendlich natürlich immer auch eine Wertung und Einschätzung deiner Person und des Projektes - und diese Wertung und Einschätzung Aufgabe der Autorin und Journalistin. Diese Einschätzung ist dann natürlich subjektiv, letztendlich überbleibt es dem Leser aber dein Projekt toll zu finden oder auch nicht. Ich denke auch die positiven Aspekte werden beschrieben. VG Linda

  • N
    nemesis523

    Ich find die Idee Klasse. Den Willen aus dieser immer unmenschlicheren Gesellschaft auszusteigen teilen viele. Und wenn ein Konzept dahintersteht ist ein solches Unterfangen auch von Erfolg gekrönt. Das wäre nämlich nicht das erste Dorf was von Deutschen auf diese Art und Weise in Spanien gekauft und wieder mit Leben befüllt wird. Für mich persönlich käme der Einstieg in ein solches Projekt in dieser Phase nicht in Frage, aber später vll. könnte ich mir das als Lebensalternative zu Deutschland gut vorstellen. Ich drücke der Gruppe alle Daumen und wünschen ihnen viel Erfolg.

  • D
    DOM

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    WOLLTE ICH NUR NOCHMAL ERINNERN

  • K
    kakadu

    Ab nach Spanien - Ich bin dabei.

    Gibs da auch Hartz 4 ???

  • MR
    markus r.

    Die Idee und was ich da auf der Facebook Seite ist doch Super?!

  • ZD
    Zotan Dominc Grasshoff

    Schön das Ihr euch ueber mich den Mund zerreist und uns sowie unseren Projekten die unter anderem auch der Umwelt dienen, lächerlich macht!

     

    Das Niveau hier ist ja wirklich beeindruckend!

  • LW
    lukas Wagenmacher

    der typ ist doch selbst ein hippie!

     

    viel reden, kein richtiges konzept, aber am ende dann gut in die eigene tasche wirtschaften!

  • ZD
    Zoltan Dominic Grasshoff

    Liebe Linda, Lieber Leser ...

     

    fangen wir mit der Benotung des Artikels an.

     

    Note : 5 -

     

    ... nach meinem Empfinden!

     

    Ich frage mich warum Ihr euch mit solch einem Thema beschaeftigt - wenn Ihr es verreisst und ins laecherliche zieht. Was habt Ihr davon, ist das Journalismus oder dann doch mehr von oben herab?

     

    Eins weiss ich jetzt aber definitiv. Ihr unterscheidet euch in keinster weise von den grossen boulevardblaettern.

     

    Kommen wir aber jetzt zu den Fakten und Richtigstellungen:

     

    Taz: #Mit Hilfe von Blackberry#

    Grasshoff: Schleichwerbung oder wie... es war ein gewoehnliches Smartphone!

     

    Taz: Auf "Hippies" will er aber verzichten.

    Grasshoff: Falsch, auf Osho Anhaenger und Bagwan Juenger

     

    Taz: Im Februar war Zoltan Dominic Graßhoff bei einer Astrologin. Sie hat Karten gelegt!

    Grasshoff: Frechheit, sie hat keine Karten gelegt und die Begegnung war rein privater Natur!

    Und sich ueber Sternenkunde lustig zumachen, zeugt von nichtvorhandenem #Zeitgeist#schade!

     

    Taz: Mehrere hundert davon soll es allein in Südspanien geben

    Grasshoff: Vom Sueden haben wir nie geredet...eher vom Norden{lach}

     

    Taz:Graßhoff zieht sich seinen dunkelgrauen Wollmantel über,

    Grasshoff: Selbst da seit Ihr nicht ehrlich, ganz normales blau{unglaublich, was bringt sowas-frag ich mich}

     

    Taz: Wie für jedes Start-up gibt es auch für Graßhoffs Unternehmen einen optimalen Zeitpunkt, sein Projekt hat im Herbst und Winter Konjunktur

    Grasshoff: Auch falsch...hab den unguenstigsten moment gewaehlt - im Mai!

     

    Taz:Diese ganzen Hippies und Indienfans brauchen wir nicht"

    Grasshoff: Ich sagte: Leute die nur von Gemeinschft reden aber egoistisch handeln, brauchen wir nicht- ansonsten macht es die Mischung.

     

    Taz:Das, was bei Graßhoffs Projekt feststeht, ist noch nicht sehr viel: Um ein leer stehendes Dorf zu kaufen, braucht er mindestens 250 Mitstreiter, die je 5.000 Euro investieren

    Grasshoff: Es steht fest das wir es gerade umsetzen, 5000 ist die Richtsumme, und 250 bis 300 Leute ist auch nur ein Richtwert! Und das allerwichtigste wurde ausser acht gelassen. Es soll am Wasser sein, nicht unbedingt Meer, Wasser!

     

    Taz:Nachhaltigkeit sind für uns große Themen, sagt er und klingt dabei wie Umweltminister Norbert Röttgen bei einer Wahlveranstaltung.

    Grasshoff: Ohne Worte, ist das etwa Neid!

     

    Taz:Denn auch Graßhoff ist auf Stimmenfang, muss Überzeugungsarbeit leisten

    Grasshoff: Absolut Falsch - ich bin nicht auf Stimmenfang - alles geschieht von ganz alleine.

    Und die fortschritte in den letzten 4 monaten waren gross und wir kurz vor der Gruendung unseres Vereins sowie Stiftung.

     

    Taz:Und was, wenn all das nicht klappt? "Dann haben wir alle etwas erlebt und schreiben ein Buch", sagt Zoltan Dominic Graßhoff und zieht noch einmal an seinem Joint. Das wäre dann das nächste Projekt.

    Grasshoff: Das war eure Frage und die habe ich wie folgt beantwortet: es wird klappen und nehmen wir mal an - es geht schief und wir sind nach einem Jahr wieder hier...dann haben wir eine menge neuer leute kennengelernt sowie freundschaften und immens was dazugelernt.

     

    Hoffe der Joint hat euch auch geschmeckt. Haben ihn ja schliesslich alle zusammen geraucht.Auch Ihr.Danke

     

    Fuer alle die echte Info benoetigen.

    www.spanischesdorf.org

     

    Alles Liebe

  • K
    Kobi

    Sehr lustig geschrieben. :-)

  • G
    guapito

    Die armen Spanier.

    Die Deutschen kommen und werden dann sicher sehr bald erklären wie was geht.

  • G
    Gerhard

    Was für eine Horrorvorstellung – ein ganzes schönes andalusisches Dorf nur mit Deutschen … Ich kenne eine ganze Menge Dörfer in Andalusien und die sind klasse – aber mit Spanieren und möglichst wenig „Aussteigern“, genau da würde ich hinziehen! Was die „Investoren“ für 5.000,— Euro wohl erwarten? Ein winziges Zimmer oder anderthalb in einem maroden Gebäude und dann lauter Leute, die mitbestimmen wollen, wie man zu leben hat – das wird mit Sicherheit nicht lustig. In Spanien (auf Mallorca) haben Deutsche schon versucht, eine eigene Partei zu gründen – eine deutsche Partei. Das wurde zum Glück verboten. Was wohl hier los wäre, wenn beispielweise Türken versuchten, ein komplettes Dorf in Deutschland zu kaufen?!

  • N
    Nofreak

    Was glaubt denn der, wie man Leute bezeichnet, die alles hinter sich lassen um dann in eine Dorfkommune in eine verlassenen Gegend in Spanien zu ziehen um den ganzen Tag mit gemeinschaftlicher Landwirtschaft und Handwerksarbeiten zu verbringen? Banker, Konzernvorstand oder Astronaut? Natürlich sind das Alternative bzw. Hippies! Und das ist gut so. Wir brauchen Idealisten und solche Projekte. Autake Inseln im niedergehenden westlichen marktwirtschaftlichen Gefüge.

  • D
    denninger

    So so, das Dorf soll autark sein, da drängt sich mir als Volkswirtschaftler die Frage auf, wie das vor sich gehen soll. Na immerhin gibt es Jogakurse und eine "Heilerin" haben sie auch schon. Aber vielleicht wären Bauern, Handwerker und andere Praktiker wichtiger als ein Haufen universaldilettantischer Krautraucher und Bionadetrinker (sorry, die gibt's dann auch nicht mehr).

    Vom Telefonknecht zum bekifften Landesfürsten in Spee, das ist doch mal was (CSNR).

    Es ist schon faszinierend, worüber die taz so berichtet.

    Quo vadis taz?

  • U
    Ulf

    Liest sich leider mal wieder wie bekiffte Fantasien von jemanden der hier alles zu eng findet...

     

    In der BRD gibt schon ein neu gegründetes Dorf (1993), wer sich auch nur ein bisschen dafür interessiert und sich Informiert wird merken, das der Traum nett ist und sicher gut ein paar Leute inn´er Bar zu begeistern, aber dahinter unglaublich harte Arbeit.

     

    Der Ansatz der hier gezeigt wird ist aber völliger Schwachsinn und ohne Zukunft:

     

    - 5000€ p.P. reichen niemals

    - 250 Leute(dauerhaft) zu organisieren ist sehr schwer

    - Es hat einen Grund warum die Dorfer verlassen sind.

    - Spanien wird sich freuen