Migration wandert zur Union

Die Chefin der Frauen-Union Maria Böhmer wird Integrationsbeauftragte. Vorkenntnisse hat sie kaum, doch selbst die Grünen loben ihr Engagement. Böhmers Stelle wird beim Kanzleramt angesiedelt und damit aufgewertet. Enttäuschung in der SPD

von SABINE AM ORDE
und LUKAS WALLRAFF

Das war eine überraschende Personalentscheidung der neuen Kanzlerin: Die Vorsitzende der Frauen-Union Maria Böhmer (CDU) wird Integrationsbeauftragte der Bundesregierung – im Range einer Staatsministerin im Kanzleramt. Damit geht das Amt zum ersten Mal seit seiner Einführung 1978 an die Union.

Böhmer war bis vor kurzem noch als aussichtsreiche Kandidatin für das Amt der Kulturstaatsministerin gehandelt worden. Dieses bekam nun jedoch der Bremer CDU-Chef Bernd Neumann. Da drängte sich gestern auch unter Unionspolitikern der Eindruck auf, die Frauenpolitikerin solle mit dem Job der Integrationsbeauftragten getröstet werden. Zumal die Pädagogikprofessorin aus Rheinland-Pfalz, die als loyale Merkel-Unterstützerin gilt, bislang nicht als Kennerin von Migrations- und Integrationspolitik auffiel.

Diesen Einwand wollte Böhmer nicht gelten lassen. Die Frauen-Union habe insbesondere beim Thema „Frauenrechte – Menschenrechte“ viel Vorarbeit geleistet, sagte sie der taz. Und: „Es geht in der Integrationspolitik auch um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.“ Wichtig seien ihr außerdem bessere Bildung und Arbeitsplätze für Migranten – sowie eine Antwort auf die Frage: „Wie können wir Wohngebiete so gestalten, dass sie sich nicht zu Parallelgesellschaften entwickeln?“

Böhmer war bisher als Fraktionsvize für Familie, Frauen, Senioren und Jugend zuständig. Sie sei offen und habe sich sehr für die Interessen von Frauen engagiert, lobte die grüne Frauenpolitikerin Irmingard Schewe-Gerigk. „Da hat sie auch gegen ihre eigene Fraktion agiert.“

Anders als ihre grüne Vorgängerin Marieluise Beck wird die neue Integrationsbeauftragte nicht mehr dem Familienministerin zugeordnet. Ihr Amt wird im Kanzleramt angesiedelt – und gewinnt damit an Bedeutung. Darauf soll Böhmer bestanden haben. Gegenüber der taz sprach sie von einem „Signal, dass die neue Bundeskanzlerin Integration als eines der zentralen Zukunftsthemen verstanden wissen will“. So steht es im Koalitionsvertrag. Inhaltlich untermauert wird das Vorhaben dort nicht.

In der SPD stieß die Personalverteilung auf Kritik: „Es ist schade, dass die CDU alles bekommt, was mit Integration zu tun hat: die Integrationsbeauftragte, das Innenministerium, den Aussiedlerbeauftragten“, sagte die SPD-Abgeordnete Lale Akgün, die selbst als Integrationsbeauftragte im Gespräch war. „Das tut mir weh“, erklärte auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Die SPD werde aber nicht aufhören, Integrationspolitik zu machen. „Jetzt hängt es davon ab, wie sehr wir uns da reinhängen.“

Freundliche Worte für Böhmer fand der neue Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. „Sie hat Standing in der Fraktion und ist für gesellschaftspolitische Fragen sensibilisiert“, sagte Kolat. „Dann wird sie auch Sensibilität für Migranten haben.“ Er fordert jedoch noch einen Vizeposten der Beauftragten, der mit einer Person mit Migrationshintergrund besetzt werden sollte, und einen Bundesbeirat für Integration und Migration.