Mainzer Überraschung: Spaßbremse mit Seitenscheitel

Mainz 05 stellt mit sieben Siegen in Serie den bisherigen Startrekord der Fußball-Bundesliga ein. Trainer Thomas Tuchel analysiert die Lage dennoch betont sachlich.

Lächeln? Ja, aber nur mit erhobenem Zeigefinger: Trainer Tuchel. Bild: dapd

Seine Spieler standen schon lange auf dem Zaun vor dem Fanblock, als sich auch Thomas Tuchel nicht mehr zurückhalten konnte. Nach dem 4:2-Erfolg über Hoffenheim hatte fast das ganze Stadion seinen Namen gerufen. Und der über das ganze Gesicht strahlende Mainzer Coach lief zusammen mit seinem Assistenten Arno Michels und Torwarttrainer Stephan Kuhnert hinter das Tor.

Schon dies war ungewöhnlich, weil sich der 37-Jährige nach Siegen nur ungern von den Fans feiern lässt, "weil das Momente sind, die der Mannschaft gehören". Noch ungewöhnlicher aber war, dass der jüngste Erstligatrainer nach dem siebten Sieg im siebten Saisonspiel den Anhängern die Schlachtrufe "21 Punkte" und "Spitzenreiter" per Megafon vorgab.

Der sonst so zurückhaltende Coach zeigte sich so ausgelassen wie nie. "Wenn ich schon da oben bin, wollte ich auch keine Spaßbremse sein", begründete der Mann mit dem Dreitagebart und dem Seitenscheitel schmunzelnd, wieso er im Bruchwegstadion den Vorsänger gab. Ihm war anzumerken, dass der dritte Sieg über Ralf Rangnick, seinen ehemaligen Coach, ein besonderer Sieg für ihn war. Wie eine Meisterschaft feierten die Mainzer Fans die Einstellung des Bundesliga-Startrekords von Bayern München (1995/96) und des 1. FC Kaiserslautern (2001/02), während Tuchel sagte, "dass ich während des Spiels nicht einmal an den Rekord gedacht habe".

Hannover - St. Pauli 0:1

Hamburg - Kaiserslautern 2:1

Mainz 05 - Hoffenheim 4:2

Mönchengladbach - Wolfsburg 1:1

Freiburg - Köln 3:2

Nürnberg - Schalke 2:1

Stuttgart - Frankfurt 1:2

Leverkusen - Bremen 2:2

Dortmund - München 2:0

* * *

Tabelle:

1. Mainz 05 18:7 Tore / 21 Punkte

2. Dortmund 18:5 / 18

3. Hannover 11:8 / 13

4. Leverkusen 15:12 / 12

5. Freiburg 11:11 / 12

6. Hoffenheim 13:10 / 11

7. Hamburger SV 12:11 / 11

8. Wolfsburg 12:11 / 10

9. St. Pauli 8:8 / 10

10. Frankfurt 11:9 / 9

11. Nürnberg 7:8 / 9

12. München 5:8 / 8

13. Bremen 11:16 / 8

14. Kaiserslautern 9:13 / 7

15. Mönchengladbach 11:20 / 6

16. Köln 7:13 / 5

17. Schalke 04 8:14 / 4

18. Stuttgart 12:15 / 3

Obwohl der FSV mit einem Sieg über den Hamburger SV am 16. Oktober eine neue Bestmarke setzen kann, ist sich Tuchel sicher, "dass bei uns keiner größenwahnsinnig wird. Wir sind wir - und wir bleiben unserem Weg treu", sagte der Coach. Er sprach vom "Basisziel" Klassenerhalt. "Kein Spieler träumt nun von Champions-League-Spielen gegen Inter Mailand und Juventus Turin", sagte auch Christian Heidel, der keine neuen Ziele als den Klassenverbleib ausgeben will. "Denn da wäre ich ja völlig bescheuert", sagt der Manager. Zwar "lügt die Tabelle nicht, aber es sind ja erst sieben Spiele gespielt", fügt er an.

Am Samstag zeigte sich Tuchel so emotional wie noch nie in dieser Saison. Nach 30 Minuten gestikulierte er an der Seitenlinie wild herum und schrie Christian Wetklo an, weil der Torwart nicht schnell genug einen Angriff eingeleitet hatte. An seinem neuen Liebling Lewis Holtby hingegen gab es so gut wie nichts auszusetzen. Der U-21-Nationalspieler war an allen Mainzer Toren beteiligt. Mit zwei Traumpässen bereitete Holtby die Treffer von Sami Allagui (2.) und Adam Szalai (47.), vor, das 3:1 erzielte er selbst, und vor dem Treffer von Andre Schürrle (74., Foulelfmeter) holte er den Strafstoß heraus. Demba Ba (41.) und Gylfi Sigurdsson (64.) hatten für die Gäste getroffen.

Nach der Galavorstellung von Holtby strich Tuchel dem Blondschopf liebevoll über das Haar und lobte den besten Scorer der Liga überschwänglich: "Lewis verkörpert zu 100 Prozent das, was wir wollen. Er ist auf dem Boden geblieben, bringt eine unglaublich positive Energie mit und hat ein großes soziales Verständnis." Holtby habe den absoluten Biss gefunden, sich in jeder Trainingseinheit zu beweisen und sich weiterzuentwickeln, erklärte Tuchel. Schalkes Trainer Felix Magath hatte für den Linksfuß keine Verwendung gefunden und ihn letzten Winter erst nach Bochum und nun für ein Jahr nach Mainz ausgeliehen.

Auch Bundestrainer Joachim Löw, der am Samstag auf der Tribüne saß, lobte Holtby und Schürrle, die er gerade zum Testspiel gegen Schweden (17.11) nominiert hatte: "Beide sind technisch sehr gut, Holtbys Pass vor dem 1:0 war allein das Eintrittsgeld wert." Holtby selbst staunt über seine rasante Entwicklung. "Es ist Wahnsinn, wenn ich überlege, was allein bei mir in den letzten Monaten passiert ist."

Trainer Tuchel analysiert die derzeitige Lage betont sachlich: "Uns gelingt es im Moment, die Etattabelle auf den Kopf zu stellen." Mit 31 Millionen Euro verfügt Mainz nach Freiburg über den zweitkleinsten Haushalt der Liga. "Diese Phase ist der jahrzehntelangen kontinuierlichen Führung des Vereins geschuldet, aber wir haben nicht den Fußball erfunden", sagt der Coach, der die meisten Interviewanfragen ablehnt, weil er Angst hat, dass es heißt, "jetzt erklärt er den Fußball".

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