ANN-MONIKA PLEITGEN, ILJA BOHNET: „TEILCHENBESCHLEUNIGUNG“
: Plaudernde Geisterteilchen aus dem Jenseits

Die Handlung wird weniger von klugen Schlussfolgerungen als von arg konstruierten Zufällen vorangetrieben

Das Marketing mancher Verlage hat dem Regionalkrimi zu einiger Verbreitung verholfen – und zu einem zweifelhaften Ruf. Sind Regionalkrimis wirklich so provinziell? Das will diese Serie in loser Folge ergründen.

Mit Krimis ist es wie beim Kochen, es kommt auf die richtige Rezeptur an. Und das Mutter-Sohn-Autorenduo Ann-Monika Pleitgen und Ilja Bohnet Pleitgen hatte für seinen dritten Hamburg-Krimi „Teilchenbeschleunigung“ alle Zutaten für einen passablen Krimi beisammen: Eine patente weibliche Hauptfigur, ein Setting, das fachliche Kompetenz und Milieukenntnisse gut zur Geltung bringen kann, und einen Plot, der erst ganz am Ende alle Fäden zusammenbringt.

Die Protagonistin Nikola Rührmann ist eine promovierte Physikerin, deren Forschungsdrang sich nicht auf das Gebiet der Naturwissenschaft beschränkt. Sie spielt auch gern mal Detektivin. Das Forschungszentrum Desy möchte sich Rührmanns erprobte Neigung zu detektivischer Umtriebigkeit zunutze machen und betraut sie mit einer Sonderaufgabe: Sie soll einem der profiliertesten Mitarbeiter des Forschungszentrums ein Gutachten entwenden.

Das Gutachten, so die Vermutung der Institutsleitung, könnte die Entdeckung von sogenannten Geisterteilchen in einer der Beschleunigungsanlagen bestätigen. Inmitten einer mörderischen Gemengelage aus akademischem Ehrgeiz, verletzten Eitelkeiten und machtpolitischem Gerangel steht nicht nur die Zukunft des Forschungszentrums auf dem Spiel, sondern die der Grundlagenforschung. Denn die Entdeckung der Geisterteilchen wäre eine Sensation, die das Standardmodell der Teilchenphysik widerlegen könnte.

Eigentlich sind das ideale Voraussetzungen für einen spannenden Wissenschaftskrimi. Doch das Resultat bleibt fad. Bohnet und Pleitgen haben sich entschieden, die Hauptfigur – und mit ihr die Leser – über weite Strecken grandios uninformiert zu lassen. Mit der Folge, dass Rührmann kaum Gelegenheit hat, ihr kriminologisches Talent unter Beweis zu stellen. Die Handlung wird weniger von klugen Schlussfolgerungen als von arg konstruierten Zufällen vorangetrieben und außerdem wiederholen sich die Erzählmuster: Ständig fühlt sich Rührmann „von Kopf bis Fuß“ beäugt und belanglos oft wird erwähnt, ob eine neue Bekanntschaft einen selbstbewussten Eindruck macht oder nicht. Angesichts einer Leiche sagt Rührmann dann auch schon mal Sätze wie „Der Tod hat ein trauriges Gesicht.“

Tot, aber putzmunter ist dagegen der Großvater der Protagonistin. Als eine Art plauderndes Geisterteilchen aus dem Jenseits kommentiert er ständig das Geschehen mit den abgedroschensten Sprüchen. Das ist nicht nur unlustig, sondern führt literarisch zu Bauchschmerzen.

„Teilchenbeschleunigung“ ist also eher ein Krimi aus der Hobbyküche. Bei den vielen Klischees hätte etwas mehr Abgründigkeit für die nötige Würze gesorgt. Aber vielleicht ist das zu viel verlangt, wenn Mutter und Sohn zusammen am Herd stehen.  SAMUEL MOON

Ann-Monika Pleitgen und Ilja Bohnet, Teilchenbeschleunigung, Argument Verlag, 252 S., 11 Euro