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Bundesgerichtshof zu "Tötung auf Verlangen"Todeswunsch muss "ernsthaft" sein

Der Bundesgerichtshof verlangt neuen Prozess gegen Mann, der seine kranke Frau erschoss - angeblich auf Verlangen. Die Tochter seiner Frau glaubte die Geschichte nicht.

Das Landgericht verhängte im November 2009 nur eine milde Freiheitsstrafe gegen einen 74-Jährigen von zweieinhalb Jahren wegen Tötung auf Verlangen. Bild: dpa

Bei einer "Tötung auf Verlangen" muss gründlich geprüft werden, ob überhaupt ein "ernsthafter" Todeswunsch vorlag. Das forderte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem außergewöhnlichen Fall aus Niedersachsen.

Ein damals 74-jähriger Geschäftsmann aus Oyten hatte voriges Jahr seine 21 Jahre jüngere Frau und seinen Hund erschossen. Ein anschließender Selbstmordversuch scheiterte, der Mann zerschoss sich nur die Milz. Vor dem Landgericht Verden sagte der Mann, er habe seine Frau auf deren Verlangen hin getötet. Sie habe unter einem schmerzhaften Unterleibsgeschwür gelitten. Allerdings stellte sich bei der Obduktion heraus, dass der zwei Kilo schwere Tumor gutartig war und hätte entfernt werden können.

Die Staatsanwaltschaft und die Tochter der Frau glaubten die Geschichte nicht. Sie nahmen an, dass Finanzprobleme des Geschäftsmannes den Anlass für die Bluttat gaben. Der Mann habe den Gesichtsverlust nicht ertragen. Sie forderten eine Verurteilung wegen Mordes. Der Mann habe seine Frau heimtückisch im Schlaf getötet.

Das Landgericht verhängte im November 2009 nur eine milde Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren wegen Tötung auf Verlangen. Der Mann sei Geldprobleme gewohnt gewesen. Der Fundort der angekleideten Leiche auf einem Sofa spreche gegen einen Mord im Schlaf, weil die Frau stets im Bett geschlafen habe.

Auf Antrag der Tochter hob der Bundesgerichtshof nun das Urteil aus Verden auf. Die Begründung lasse offen, was die Eheleute vor dem Todesschuss genau besprochen haben. So könne der BGH aber nicht prüfen, wie "ernsthaft" der angebliche Todeswunsch der Frau gewesen sei. Immerhin habe die Ehefrau noch Pläne für den bevorstehenden Sommer und die Renovierung des Hauses geschmiedet. Für eine Strafmilderung genüge es nicht, wenn das Tötungsverlangen auf einer "Augenblicksstimmung" beruhe, so der BGH. Erforderlich sei vielmehr eine "tiefere Reflexion".

Der BGH forderte einen neuen Prozess am Landgericht Stade. Auf Mord steht zwingend "lebenslänglich", bei einer Tötung auf Verlangen beträgt die Höchststrafe nur fünf Jahre. Straflos sind in Deutschland nur die Beihilfe zum Suizid und der Abbruch einer künstlichen Ernährung auf Wunsch des Kranken. (Az.: 3 StR 168/10)

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6 Kommentare

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  • AL
    Anna Laszczyk

    Die Frage die sich hier stellt ist, warum war die Frau nicht in ärztlicher Behandlung, bei einem 2 kg schwerem Tumor mit unerträglichen Schmerzen? Kann es sein, dass dem "erfolgreichen Unternehmer" gerade keine finanziellen Mittel für die private Behandlung seiner Frau zu Verfügung standen? Könnte es sein, dass er, anstatt hier reinen Wein einzuschenken, lieber zu Pistole gegriffen hat? In guten Zeiten wird die "Solidargemeinschaft" mit Beiträgen zu Krankenversicherung abgelehnt, aber wenn in schlechten Zeiten nichts mehr in der Kasse ist, was dann? Ich jedenfalls glaube auf keinen Fall an die Erklärung des Ehemannes, dass seine Frau mit 52 Jahren den Wunsch hatte, zu sterben! Und wer das so schnell glaubt, macht sich mitschuldig!

  • M
    Mauro

    @EnzoAduro:Leider ist es ja in unserem Zeitalter so, dass man mit Geld alles bekommen kann, was man haben möchte. Da die Beiden ja auch in einer Villa gelebt haben denke ich, dass sie einst sehr gute finanzielle Mittel hatten, sich eine Pistole anzuschaffen. Und wer weiß,wenn er die Pistole nicht gehabt hätte, wäre sie evtl. an einem noch schrecklicheren Weise gestorben.

     

    @laua wiese: Wie kommts du darauf, dass der Mann der Frau das eingeredet haben soll? Da steht doch nichts davon. Und selbst wenn wäre es dann ja noch schlimmer. Kein Mensch, gar kein Mensch hat das Recht zu entscheiden, ob man die Welt verlassen will oder nicht.

  • LW
    laua wiese

    Was ist wenn Menschen eingeredet wird, das sie sterben wollen. Lässt es nicht imensen Raum für Psychoterror und Psychospiele? Ich frage mich das ernsthaft, auch im Hintergrund von Ereignissen wozu andere Menschen versuchen zu Steuern und fremd zu Bestimmen.

     

    Laura

  • P
    Peter

    @EnzoAduro: Vielleicht weil er sich nicht an die Gesetze gehalten hat? Unerlaubter Waffenbesitz ist ebenso verboten wie Mord. Es gibt in Deutschland 20 Mio illegale Waffen.

     

    Wäre er Jäger oder Sportschütze gewesen, hätte man die Sau längst wieder durchs mediale Dorf getrieben!

  • R
    Rigani

    @EnzoAduro: Stimme zu. Ohne Pistole waere die Frau noch am Leben da es keine anderen Moeglichkeiten gibt, sich selbst oder jemand anderem das Leben zu nehmen. Die Pistole ist wieder einmal schuld. Da stellt sich doch die Frage: Warum ist dann der Mann angeklagt?

  • E
    EnzoAduro

    Und auch hier stellt sich die Frage: Warum hat er eine Pistole???