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Geplante Castor-ProtesteSchotterer im Visier der Staatsanwälte

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg geht gegen mehrere Abgeordnete und hunderte AktivistInnen vor - weil sie zu zivilem Ungehorsam während der Castor-Transporte aufrufen.

Noch erlaubt: Anti-Atom-Demonstrationen in Berlin mit falschem Castor-Behälter. Bild: ap

BERLIN taz | Vor den Castor-Protesten im November nach Gorleben beginnt jetzt das strafrechtliche und politische Kräftemessen. Nach Informationen der taz will die zuständige Lüneburger Staatsanwaltschaft voraussichtlich am Freitag strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete aus Bund und Ländern sowie hunderte AktivistInnen einleiten. Sie alle haben für den Castor-Transport im November zum "Schottern" aufrufen.

Die AtomkraftgegnerInnen wollen, dass durch kollektiven Ungehorsam die Schienenstrecke des Atommüllzuges unbefahrbar gemacht wird. Hiergegen geht die Lüneburger Staatsanwaltschaft nun juristisch vor. In einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) weist sie darauf hin, dass auch gegen Abgeordnete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Aufrufs zu einer Straftat ("Störung öffentlicher Betriebe") eröffnet würden. Beschuldigte Abgeordnete haben den Brief, der der taz vorliegt, auch erhalten.

Von dem Verfahren sind nach Informationen der taz elf Bundestagsabgeordnete sowie fünf Landtagsabgeordnete betroffen, die alle der Linkspartei angehören sollen. Daneben dürften 300 AktivistInnen mit Post vom Staatsanwalt rechnen - sie haben neben insgesamt 164 politischen Gruppen den Aufruf auf der Homepage der Aktion unterzeichnet, im November die Schienenbetten vom Schotter zu befreien. Die Abgeordneten sehen dem Verfahren gelassen entgegen.

Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel (Linke) sagte der taz: "Das schreckt mich nicht ab." Es gebe vor dem Hintergrund der ungeklärten Endlagerfrage ein höher zu wertendes öffentliches Interesse der körperlichen Unversehrtheit: "Sich in diesem Rahmen gegen Atomkraft zur Wehr zu setzen, ist keine Straftat, sondern legitimer ziviler Ungehorsam."

Ihr Fraktionskollege Jan van Aken sagte: "In diesem Jahr muss man einfach mal einen Schritt weitergehen." Wie weit die Staatsanwaltschaft gehen wird, ist bislang noch unklar. Ob etwa Bundestagsabgeordnete im November damit rechnen müssten, in Unterbindungsgewahrsam genommen zu werden, dazu äußerte sich die Staatsanwaltschaft am Donnerstag nicht.

Mit der Kampagne "Castor schottern" wollen die AktivistInnen den Protest gegen die Atomenergie auf eine neue Stufe heben. Im niedersächsischen Wendland wird zwischen dem 5. und 7. November der nächste Atommüllzug aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague erwartet. Die Anti-Atom-Bündnisse rechnen mit mehreren zehntausend DemonstrantInnen.

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27 Kommentare

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  • D
    Demokrat

    Es ist doch einfach unfassbar, wofür die Staatsanwaltschaften Zeit haben, aber wenn der Staat schwere Körperverletzungsdelikte begeht - siehe S21, oder der Vorwurf der "Agents Provocateures" in S21 im Raum steht und die Staatsanwaltschaft dort noch nicht einmal gegen Ungekannt ermittelt, dann ist für die Staatsanwaltschaft alles in Ordnung. Man sollte diese Anwaltschaft wohl besser in "Regierungsanwaltschaft" umbennen, dann wird wenigstens gleich klar, in wessen Interesse wann wie gehandelt wird.

    Unfassbar unsere Demokratie, jeden Tag unfassbarer!

  • C
    chasen

    Ich habe mich auch gerade - schon aus Protest gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft - in die Liste eingetragen.

    Noch besser wäre es natürlich, wenn endlich mal mehr Leute ihren Stromanbieter wechseln würden. Sonst wird nämlich einfach nur mehr Kohle verbrannt, was ja auch nicht so wirklich viel besser ist...

  • AA
    Anna & Archibald

    Also wir finden ja, dass Atomkraft Gewalt gegen Menschen (und andere Lebewesen) ist. Und weil wir Menschen sind, sollten wir uns auch wehren dürfen, wenn Gewalt gegen uns angewendet wird.

     

    Ist ja auch eigentlich gar kein so großes Problem wenn die Castoren nicht direkt ins 'Zwischenlager' rollen können. Können ja erstmal in die CDU-Parteizentrale gestellt werden, so als Zwischen-Zwischenlager. Sind doch völlig ungefährlich die Dinger...

  • WS
    Wri sind auch dabei!

    Hi, sollen die uns alle verklagen.

    Haben uns auch eingetragen und wir kommen.

    Die Staatsanwaltschaft sollte mal Richtung

    Atomkonzerne und Atomregierung ermitteln wegen

    Genozid und Massenmord. Büttelschnüffeler

  • M
    Mauermer

    Typisch, Gewalt, ob gegen Sachen oder Menschen, ist gerechtfertigt, wenn dabei linke Ideologien verbreitet werden. Interessant! Es beleidigt zwar den Intellekt, ist aber interessant.

     

    Dass durch solche Aktionen eine akute Gefahr für die Anwohner der Bahnstrecken billigend in Kauf genommen wird, zeigt den wahren Charakter der Protestler. Auch ich bin gegen Atomkraft und besonders gegen das Vorgehen der Junta in Berlin, aber der Müll muss aus der Biosphäre raus und jede Handlung, die die Sicherheit dieser Aktion gefährdet, ist in meinen Augen kriminell. Und ja, es ist mindestens Sachbeschädigung, eine besonders feige Tat, denn die Sache kann sich nicht wehren.

  • JE
    Jetzt erst recht!

    Habe mich gerade in die Liste eingetragen. Machen wir ein schönes Beschäftigungsprogramm für die Staatsanwaltschaft daraus! ;-)

  • U
    Urgestein

    Da es sich bei den Abschnitten, die "geschottert" werden sollen, um Nebenstrecken handelt auf denen AUSSCHLIESSLICH der Castor-Transport rollt, kann nicht von einem "gefährlichen Eingriff in den Schienenverkehr" gesprochen werden. Somit zieht auch das "Gewalt"-Argument nicht. Die Schienen werden weder zerstört noch beschädigt, sie werden lediglich REVERSIBEL unbrauchbar gemacht.

     

    Das wird den Castortransport verzögern, aber nicht aufhalten oder gar verhindern. Die Höhe der Beteiligung und der Umfang der erzielten Verzögerung wird über den Erfolg der Massnahme entscheiden.

     

    Ich begrüsse die Aktion und habe vor mich daran zu beteiligen. Aller laufenden Kriminalisierungsversuche der Bevölkerung durch die gerade mal Herrschenden zum Trotz.

  • P
    p3t3r

    das"unbefahrbarmachen" macht das befahren unmöglich

     

    sinn erfüllt

  • JD
    John Do

    @ Herbert Glotz

    Wieder einmal ein Beitrag der versucht mit einem seltsamen Gewaltbegriff Meinung zu machen.

    Wie sie schon selbst geschrieben haben richtet sich die Aktion nicht gegen Menschen, daher stellt sie keine Gewaltanwendung im soziologischen oder politischen Sinne dar (vergl. Max Weber).

    Auch im Sinne des Strafrechts ist dies keine Gewalt., was seinen Ausdruck darin findet, dass hierfür eigene Strafvorschriften existieren.

  • H
    hinzufüger

    Lieber Herbert Glotz,

    dann möchte ich an dieser Stelle auch nochmal hinzufügen, dass die Strecke einzig und allein dem Zwecke des Castortransportes dient. Es findet dort kein öffentlicher Verkehr statt. Es wird dort niemandem Schaden zugefügt außer der Atomtruppe mit Ihrem hochgradig strahlenden Lager.

    Außerdem sollten sie sich so einen Transport vielleicht mal live ansehen und ihre Vorstellung von Gewalt wird danach mit Sicherheit eine andere sein.

  • HL
    hans lang

    Sollten Menschen zu Schaden kommen,sofort die Imunität

    der Abgeordneten aufheben und die Damen und Herren wegen vorsätzlicher Körperverletzung anklagen.

  • H
    hongde-mogui

    Das wurde auch mal Zeit. Diese Masche mit dem "zivilen Ungehorsam" soll alles rechtfertigen. Demnächst ist Ladendiebstahl auch "ziviler Ungehorsam" gegen das monopolistische Preisdiktat usw.

  • K
    kleingeld

    Herr Herbert Glotz,

    "Gewalt" ist ein sehr weites feld, und auf "gewalt", (gewalt legetimation, gewalt anwendung) baut unser staatssystem auf.

    es ist moralisierender unsinn eine aktion zu kritisiern nur weil sie "gewalt" behinhaltet.

    also lieber die frage stellen:

    bin ich für die ziele des protestes, auch wenn ich nicht alle aktionsformen teilen kann?

  • HR
    Horst Rabatz

    Guten Abend der Herr Gewaltfrei Herbert Glotz,

     

    der Sinn ihrer Argumentation erschließt sich nicht. Gewalt ist: Schottersteine unter Bahnschwellen und Gleisen zu entfernen, um kriminelle Machenschaften zu verhindern. Die armen Schottersteine. Diese werden sehr bald zum Psychoanalytiker gehen müssen, um ihre Traumatas aufzuarbeiten. Sind Sie informeller Mitarbeiter bei Stasi 2.0?

  • W
    wolf

    schwachsinn. es ist keine gewalt. nicht mal gewalt gegen gegenstände. nichts wird irreparabel beschädigt oder ähnliches. dieser neusprech, dass zb sitzblokaden kein friedlicher widerstand sind und schottern als strafttat verklärt wird, machen stutzig.. demnach wäre ghandi ein terrorist gewesen. scheinbar hatte er glück nicht im wendland oder stuttgart zu sein..

    wie nennt man die form von gewalt der die menschen in den uranabbau gebieten (zb niger) unterworfen sind?

  • S
    Schotter-Otto

    @ Herbert Glotz:

     

    na dann zeige uns mal, was man mit Deinem ECHTEN zivilem Ungehorsam erreichen kann. Bin gespannt auf Resultate. Aber bitte nicht ohne Bahnsteigkarte den Bahnsteig betreten, wenn dereinst Revolution sein sollte.

  • GL
    gewalt. los!

    herr glotz,

    das unbefahrbarmachen (...) ist ein eingriff, der das befahren verunmöglicht. AHA.

    deswegen ist es gewalt. AHA.

    sie müssen ein jurist sein...

    aber haben von konzepten des zivilen ungehorsams und gewaltfreier aktion leider keinen plan.

    herzlichst,

    ihr peer definitionem.

  • A
    arribert

    Da stehen ja mittlerweile Hannes Wader, Konstantin Wecker, Dieter Dehm und die Wagenknecht drauf. Es fehlen noch ein paar Grüne, ach die sind ja angepasst. Macht nichts, macht die Qual der Wahl beim der nächsten Wahl einfacher.

  • L
    Loolig

    Natürlich ist das ziviler Ungehorsam.. was denn sonst?

    Wo steht denn das ziviler Ungehorsam immer gewaltfrei bleiben muss?

     

    Die Demonstration und das Behindern des Transports mit allen mitteln ist eigentlich Bürgerpflicht. Da die Politik sich mit den Lobbys verbunden hat steht das Volk (abgesehen von ein paar Linken und Grünen) völlig alleine da.

     

    Bei der Unterhöhlung der Strecke wird niemand zu schaden kommen, wie bereits in den vergangenen Jahren.

    Das Einzige resultat ist eine verteuerung und verzögerung des Transports...und das ist ja auch das Ziel.

     

    Die Antifa hat seit 1993 keinen einzigen Menschen umgebracht, auf die rechten gehen 140 Tote... nur für den Fall das gleich die REchte = Linke Gewalt Keule rausgeholt wird.

     

    Sachbeschädigung ist in diesem Zusammenhang hinnehmbar, damit muss der Staat und die Atom-Lobby leben..

  • B
    Bert

    Am besten diese Kriminellen in den Knast stecken. Dann sind die auch erstmal keine Gefahr mehr für uns.

     

    Vielleicht sollte man aber mal deren Eigentum zerstören, damit dürften die ja dann auch kein Problem haben.

  • H
    herbert

    Marcuse sagte: „...ich glaube, daß es für unterdrückte und überwältigte Minderheiten ein “Naturrecht” auf Widerstand gibt, außergesetzliche Mittel anzuwenden, sobald die gesetzlichen sich als unzulänglich herausgestellt haben. Gesetz und Ordnung sind überall und immer Gesetz und Ordnung derjenigen, welche die etablierte Hierarchie schützen; es ist unsinnig, an die absolute Autorität dieses Gesetzes und dieser Ordnung denen gegenüber zu appellieren, die unter ihr leiden und gegen sie kämpfen - nicht für persönlichen Vorteil und aus persönlicher Rache, sondern weil sie Menschen sein wollen. Es gibt keinen anderen Richter über ihnen außer den eingesetzten Behörden, der Polizei und ihrem eigenen Gewissen. Wenn sie Gewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte.“

  • NT
    Norman Thomas

    "Von dem Verfahren sind nach Informationen der taz elf Bundestagsabgeordnete sowie fünf Landtagsabgeordnete betroffen, die alle der Linkspartei angehören sollen."

     

    Wo sind die Grünen? Ist das nicht eigentlich ihr Thema?

  • B
    Blink

    @Herbert Glotz

    Nach ihrer Auffassung ist jede Lebensäußerung "Gewalt". Wenn ein Mensch morgens aus dem Bett aufsteht und die Decke zurückschlägt, tötet er dadurch tausende von Milben auf einen Schlag (hahaha, die gibts in allen Betten).

    Wie soll denn "ECHTER" ziviler Ungehorsam aussehen? Kann man sich dazu beim örtlichen Parteibüro Flyer mit Handlungsanweisungen abholen?

    In der Art:

    1. Bewahren Sie Ruhe.

    2. Fordern Sie alle anderen auf sich ruhig zu verhalten.

    3. Seien sie ungehorsam und kaufen was sie NICHT brauchen.

    4. Folgen sie den Anweisungen der Polizei.

    5. Gehen sie langsam, aber bestimmt zu ihrer Wohnung.

    6. Schalten sie ihr Fernsehgerät ein und befolgen die weiteren Anweisungen der Bundesregierung.

    7. Seien sie sich bewußt, alle Meldungen sind zu 100% wahr.

    8. Alles ist in Ordnung.

  • N
    never!Land

    Gerade erst wurde ein Krimineller mit dem Friedensnobelpreis geehrt und gefeiert...im eigenen Land sieht es natürlich ganz anders aus - da geht man mit derselben Gewalt vor, die man in China verurteilt...

  • S
    Stefan

    @Herbert Glotz:

    "Gewalt gegen Sachen" ist nicht dasselbe wie Gewalt gegen Menschen. Das zu betonen ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Das, wozu die Aktivisten Aufrufen ist nichts weiter als Sachbeschädigung (wenn überhaupt). Postings wie das Ihre tragen nur zur Entsolidarisierung innerhalb der Anti-AKW-Bewegung bei und nützen bestenfalls Parteien wie FDP/CDU (Aus deren Richtung kommen meist solche Aussagen wie die Ihre) oder Konzernen wie EON.

  • V
    vantast

    Die Staatsanwälte sollten lieber gegen die Organisierte Kriminalität ermitteln, aber dazu haben sie die Hosen zu voll. So ermitteln sie lieber gegen harmlose Bürger, die gewiß nicht die Bahnen gefährden werden, wer will das schon, schließlich protestieren sie für das Leben und nicht dagegen.

  • HG
    Herbert Glotz

    Unabhängig von der zweifelsfrei berechtigten Diskussion um die Castor-Transporte:

    Das Unbefahrbarmachen von Gleisen durch Entfernen der Steine ist ein Eingriff, der das Befahren derselben verunmöglicht. Damit handelt es sich hierbei um "Gewalt". Dass diese Gewalt sich gegen Dinge richtet, und nicht gezielt Menschen gefährdet, ändert nichts daran, dass es Gewalt ist. Damit ist der angesprochene Ungehorsam KEIN "ziviler Ungehorsam", er greift auf "Gewalt" zurück und ist somit eben nicht mehr "zivil". Per definitionem. Ich betone das, weil ich ECHTEN zivilen Ungehorsam für ein wichtiges Element demokratischer Kultur halte.