Kolumne Lustobjekte: Nerz aus der Dose

Ein spanischer Designer sprüht Models Hemden direkt auf den Leib. Diese Idee wird die Mode revolutionieren! Aber das kapiert eben nicht jeder.

Früher musste man hart arbeiten, um sich ein bisschen Luxus leisten zu können. Schlagsahne zum Kuchen etwa. Die wurde von Hand mit dem Schneebesen steif geschlagen - und plumpste trotzdem kraft- und formlos vom Löffel. Eine fürchterlich unästhetische Angelegenheit. Erst die Erfindung der Sprühsahne brachte Erotik in die Sache, mittlerweile gibt es außerdem Sprühbutter, Sprühkäse und Sprühkondome. Was kann da noch kommen? Die Antwort liefert ein spanischer Designer: Mode aus der Sprühdose.

Manel Torres hat zusammen mit einem Chemiker zehn Jahre lang an einem Material getüftelt, das flüssig aufgesprüht und erst auf der Haut zu Stoff wird. Das funktioniere praktisch mit allen Fasern, jubeln die Erfinder. Außer Baumwolle und Wolle haben sie auch schon Nerz auf nackte Haut gepustet. Nach der Molekularküche kommt jetzt also die Molekularmode.

Der Clou: Formiert sich der flüssige Stoff erst mal auf dem Körper, kann das Kleidungsstück sogar ausgezogen und gewaschen werden. Liebe Leserinnen und Leser, das ist eine Weltrevolution, sozusagen Bodypainting 2.0! Niemals wieder den halben Kleiderschrank einpacken und dann im Urlaub merken, dass außer dem Bikini eigentlich alles überflüssig ist. Nein, in Zukunft kann der gut informierte Reisende einige Dosen Baumwolle und Wolle, womöglich auch Seide und Leder, in sein Köfferchen packen und ist für jede Situation gerüstet. Ist der Sommerabend frischer als erwartet, sprüht man sich einen Schal. Merkt man im Laufe des Abend, dass man doch zu overdressed ist, kann man sich schnell das Dekolleté pudern gehen.

Es wird Guerilla-Designer geben, die vermummt durch die Straßen sausen und verdutzten Passanten ein neues T-Shirt verpassen. Banksy wird zum Fashion-Artist umschulen und wer ein von ihm designtes Stück an den Leib gesprüht bekommt, hat für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Bergsteiger am Mount Everest werden ihr Gepäck auf ein Minimum reduzieren. Geraten sie in einen Schneesturm, rettet sie die selbstgesprühte Daunendecke vor dem Erfrieren.

Ehrgeizige junge Frauen werden mit selbstkreierten Stücken im elterlichen Wohnzimmer schaulaufen und die Videos bei YouTube hochladen. Mark Zuckerberg wird pleitegehen, da ein neues Netzwerk, eine Mischung aus Ebay, MySpace und Dawanda.de, das Internet erobert.

Die Schneiderinnen und Näher werden ihr Hartz IV in einem Museum aufbessern, wo sie demonstrieren, wie man in alten Zeiten Kleidung hergestellt hat. "Ach Gottchen", werden die jungen Leute rufen und verächtlich ihren Coffee to spray einatmen, "ist ja voll retro!"

Die Mode aus der Dose ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie ist nicht nur effizient, sondern auch hochindividuell. In Zukunft werden einem keine Kleiderklone mehr auf der Straße begegnen, die alle in Parkas von H&M, Schuhen von Goertz und Jeans von Levis herumlaufen. Wie einst bei der Sahne wird die Sprühdose wieder einmal die Welt verändern.

Heute kam meine Freundin Martha zu Besuch, sie brachte Kuchen mit. Während ich Teller auf den Tisch stellte, rief ich: "Kleidung zum Aufsprühen, also wirklich: ein Meilenstein in der Geschichte der Mode." "Hmm", murmelte Martha abwesend, "sag mal, hast du Schlagsahne?" Ich öffnete den Kühlschrank und wedelte mit der Sprühsahne. Martha verzog das Gesicht. "Boah, ist ja eklig. Schon mal was von richtiger Sahne gehört?" Meine Freunde sind manchmal ganz schön konservativ.

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Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

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