Stoppt Tierversuche!

BLOCKADE Worüber die UN-Artenschutzkonferenz nicht diskutiert: Immer wieder sollen bedrohte Tierarten Bauvorhaben verhindern

 Das ist er: Mit 14 bis 18 Zentimeter Körperlänge ist er der größte einheimische Molch. Bevorzugt vermehrt er sich in sonnigen Gewässern. Wegen des imposanten Rückenkamms wird das balzende Männchen auch „Wasserdrache“ genannt.

 So bedroht ist er: Der Kammmolch bevölkert zwar weite Gebiete zwischen Frankreich und dem Ural, das Zentrum seiner Verbreitung liegt aber in Hessen. Laut Roter Liste gilt die Art speziell dort als stark gefährdet. Sie steht außerdem unter dem Schutz der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU.

 Das sollte er verhindern: Eine tunnelfreie Strecke auf dem sechs Kilometer langen Teilstück der Autobahn A 44 zwischen den nordhessischen Orten Helsa und Hessisch Lichtenau. Ursprünglich hatten die Planer nur zwei kurze untertunnelte Strecken vorgesehen. Dann stieß man aber auf eine der größten Kammmolchkolonien Hessens – laut Gutachtern rund 5.000 Exemplare.

 Das ist draus geworden: Seit Mai 2010 wird nun ein vier Kilometer langer Tunnel gebaut, um den Lebensraum der Lurche zu schützen. Der soll laut Ministerium der zweitlängste Tunnel Deutschlands sein. Zudem auch der teuerste: Wegen der Berücksichtigung der Kammmolche kostet der Tunnel 50 Millionen Euro mehr als geplant. Das macht pro Molch 10.000 Euro. Die Anwohner freuen sich allerdings über den Sicht- und Lärmschutz.

 Das Zitat: „Das richtige Augenmaß im Verhältnis zwischen Mensch und Natur ist verloren gegangen“, kommentierte Hessens Verkehrsminister Dieter Posch die Molchaffäre. DIA

In Ihrer Nähe soll ein Flughafen entstehen, eine Autobahn, eine Fabrik? Manchmal liegt die Lösung nur einen Mausklick entfernt. „Herzlich willkommen bei feldhamsterverleih.de“, dem „Serviceanbieter in Sachen Blockade durch Naturschutz“, steht auf der Homepage des gleichnamigen Anbieters im Netz. Dessen „Standardprodukte“: der Biber (Castro fiber) für 455,10 Euro die Woche, der Feldhamster (Cricetus Cricetus) für 292,50 Euro. Zu teuer? Entscheiden Sie sich für die „Fischotter-Simulation: Anlage eines Imitationsbaus in der Uferzone, Ausbringung von Fischotterspuren (Trittsiegel, Nahrungsreste), zweiwöchentliche Auffrischung der Spuren in näherer Umgebung.“

■  Das ist er: „Der, den man nie sieht“, wird er spöttisch genannt: der 30 Zentimeter lange Wachtelkönig lebt versteckt im dichten Gras und macht sich eher nachts als tags bemerkbar. Der Ruf des Männchens klingt, als streiche jemand mit dem Daumennagel über einen Kamm – rerrp, rerrp.

■  So bedroht ist er: In allen Ländern, in denen der Wachtelkönig vorkommt, reduzierten sich die Bestände zwischen 1970 und 1990 um mindestens die Hälfte. In Deutschland gilt er als „stark gefährdet“.

■  Das sollte er verhindern: „Umwelthysterie – die haben wohl ’nen Vogel“, „Wohnungen oder Wachtelkönig – Was ist wichtiger“, „Alles für den Wachtelkönig: Nasszonen, Anti-Katzen-Zaun“: Der Wachtelkönig hat Schlagzeilen gemacht, weil er die Neubausiedlung in Neugraben-Fischbek verhindern sollte. In dem Hamburger Stadtteil sollten 3.000 Wohnungen entstehen. Der Streit begann in den Neunzigern, hat dann Jahre gedauert.

■  Das ist draus geworden: Nun dürfen doch 1.250 Wohnungen gebaut werden. Der Wachtelkönig ist zum Symbol für den Kampf zwischen Naturschützern und Bauherren geworden.

■  Das Zitat: Uwe Westphal vom Hamburger Nabu hat sich Zeit genommen für die Kameraleute. Er erklärt haarklein, warum der Lebensraum des Wachtelkönigs geschützt werden muss. Irgendwann lässt er sich hinreißen, imitiert seinen Ruf. Im Bericht kam der Oberbaudirektor als Befürworter zu Wort. Dazwischen immer wieder der Satz: „Und was sagt der Nabu dazu?“ Dazu das Bild von Westphal, „rerrp-rerrp“. Mehr nicht. HG

Bedrohte Arten werden vermietet, in eine Region gekarrt, ausgesetzt – in der Hoffnung, dass sich damit ein unbeliebtes Großprojekt kippen lässt.

Sie haben es geglaubt, geben Sie es ruhig zu. Journalisten haben die Webseite auch schon ernsthaft in Artikeln aufgegriffen. Auch sie sind reingefallen auf eine Satire. Wer dahintersteckt, ist unklar. Sie zeigt aber: Das Image des Naturschutzes ist miserabel – unseriös.

■  Das ist sie: Eine kleine knuddelige Fledermaus, mit einer Nase wie ein nach oben offenes Hufeisen und Ohren, so groß und hell wie Augen.

 So bedroht ist sie: Laut Roter Liste ist die Art in Deutschland „mit Ausnahme einiger weniger Kolonien in Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, ausgestorben“. Insgesamt stuft das Papier die Hufeisennase, die vor allem rund um das Mittelmeer vorkommt, aber nicht als akut gefährdet ein.

■  Das sollte sie verhindern: Sie war die Hoffnung von Naturschützern, von Fans des Weltkulturerbes und aller sonstigen Gegner der Dresdner Waldschlösschenbrücke. Das Bauwerk mit dem verwunschenen Namen und der wuchtigen Architektur soll mitten durch das Dresdner Elbtal führen, das die Unesco als Weltkulturerbe ausgezeichnet hatte. Gegner und Befürworter bekriegten sich vor Gericht mit Gutachten über Populationen und Standorte. 2007 verhängten Verwaltungsrichter einen dreimonatigen Baustopp.

■  Das ist draus geworden: Langfristig geholfen hat es nicht: Der Bau der Brücke schreitet voran, mittlerweile diskutiert man über Flussneunaugen und Rapfen. Das sind übrigens Fische.

■  Das Zitat: „Eine Fledermaus bewahrt die Stadt Dresden vor der Peinlichkeit, ausgerechnet am 13. August mit den Bauarbeiten an einem problematischen, umstrittenen Projekt zu beginnen“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse auf einer Demo – in Anspielung auf den Jahrestag des Mauerbaus. SVE

Dabei hat die Gefährdung der Pflanzen und Tiere zugenommen, die Aussterberate ist 100 bis 1.000 mal höher, als natürlich wäre. Delegierte aus 193 Staaten streiten derzeit im japanischen Nagoya über einen weltweiten Plan zum Naturschutz. Der Staatengemeinschaft müsste dringend ein Durchbruch gelingen. Der Verlust der biologischen Vielfalt gilt unter Wissenschaftlern als genauso bedrohlich wie der Klimawandel. Einziger Unterschied: Der Klimawandel ist durch Hochwasser, Stürme, Hitzewellen bei jedem angekommen – der Artenschwund nicht. Über Juchtenkäfer, Wachtelkönig, Feldhamster debattiert die Republik indes leidenschaftlich, sobald sie gegen Bauvorhaben ins Feld geführt werden. Die Tiere aber helfen dem Naturschutz nicht. Im Gegenteil: „Sie bringen ihn in Misskredit“, sagt Jochen Flasbarth. Er ist Chef des Umweltbundesamt, steht also nicht im Verdacht, Artenfreunde bashen zu wollen. Ihn ärgert, wie Politik gemacht wird mit den Tieren. „Natürlich müssen sie rechtmäßig geschützt werden“, sagt er. Darum gehe es aber „nur wenigen“: „Großprojekte sind umstritten, weil Anwohner Baulärm, Autokolonnen, Luftbelastungen fürchten.“ Den Konflikt müsse die Gesellschaft lösen. Flasbarth: „Für die kleinen Tiere ist das zu viel Verantwortung.“ HG

 Das ist er: Ein zwei bis vier Zentimeter langer, unauffälliger Käfer, der auch unter dem Namen „Eremit“ bekannt ist. Er lebt in Baumhöhlen, die er oft sein Leben lang nicht verlässt. Die Männchen produzieren einen Sexuallockstoff, der nach Aprikosen duftet.

 So bedroht ist er: Der Juchtenkäfer gilt laut der Roten Liste Deutschland als stark gefährdet.

 Das soll er verhindern: Das Großprojekt Stuttgart 21: Per Eilantrag versuchte der BUND, das Roden von alten Stuttgarter Schlossparkbäumen zu verhindern, die dem Bahn-Prestigeprojekt im Weg stehen – mit Verweis auf Juchtenkäfer, die in der Rinde dieser Bäume leben sollen. Am gleichen Tag trudelte beim Stuttgarter Regierungspräsidium ein Gutachten ein, in dem das Eisenbahn-Bundesamt ebenfalls Bedenken gegen die Rodung anmeldet. Dumm nur, dass dieses Papier das Präsidium erst kurz vor Anwurf der Kettensägen erreichte.

 Das ist draus geworden: Mission gescheitert: Am Morgen nach dem Eilantrag des BUND waren 25 Schlossparkbäume gefällt und geschreddert. So war nicht einmal mehr nachweisbar, dass darin überhaupt Juchtenkäfer gelebt haben. Das Verwaltungsgericht Stuttgart rügte das Vorgehen der Bahn im Nachhinein. Jetzt hat die Deutsche Bahn ein Jahr Zeit, ein Schutzkonzept für die Käfer vorzulegen. Eine Ansage, die die baden-württembergische Landesregierung nicht gerade in Bedrängnis bringt: Bis Oktober 2011 sollen ohnehin keine weiteren Bäume gefällt werden, so Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Und wollte das als Signal an die Bahnhofsgegner verstanden wissen.

 Das Zitat: „Mit unserem wissenschaftlichem Nachwuchs wollen wir nicht die Bedeutung des Juchtenkäfers erforschen“, sagte Mappus bei der CDU-Regionalversammlung im Oktober. Und versucht so, das Thema Bildung mit der Kontroverse um Stuttgart 21 zu verbinden. MLA