die wahrheit: Phantomfüsschen
"Glaubt mir doch, diese Tiere heißen tatsächlich ,Schweißfüßchen!'", rief ich verzweifelt, weil mir keiner der Kollegen im Zug glauben wollte, ...
... dass ich im Frankfurter Zoo eine mir bis dahin völlig unbekannte Tierart namens "Schweißfüßchen" entdeckt hatte.
"Messekoller …", murmelte Kollege R. und sah mich besorgt an. Und Kollege T., der zumindest die Möglichkeit in Betracht zog, ich könne tatsächlich ein Schild mit dieser Aufschrift an einem Gehege entdeckt haben, mutmaßte gnädig: "Vielleicht verarschen die im Zoo ja ihre neuen Auszubildenden: ,Dies hier sind unsere Schweißfüßchen, das da sind unsere Triefnäschen, und dort drüben sind unsere Sabbermäulchen."
Ich ärgerte mich. Denn ich wusste ja, dass ich mir das große Schild bei den drolligen Tieren ganz sicher nicht eingebildet hatte: "Schweißfüßchen - Schweißfüßchen haben etwa hundertmal so viele Schweißdrüsen an den Fußsohlen wie Menschen. Diese Schweißdrüsen bilden einen feuchten Film, der es den Tieren ermöglicht, besseren Halt auf den Felsen zu finden, auf denen sie sich bewegen." Oder so ähnlich.
"Bitte googel die doch mal", bat ich den Kollegen R., der ein tragbares Internet bei sich führte. "Ich werde doch jetzt nicht anfangen, nach Schweißfüßchen zu googeln", empörte sich R. und ließ sich erst nach mehrfachem, hartnäckigem Bitten und Drängeln dazu bewegen, eben dies doch zu tun. Aber nur unter der Versicherung, er werde danach diesen Suchbegriff sofort, aber auch wirklich sofort wieder aus dem Suchprotokoll löschen. Ich war erleichtert, jetzt würde sich ja alles klären.
"Urgh! Igitt!! Bääääh!!!", hörte man R. alsbald stöhnen, "also, da findet man alles mögliche, aber deine komischen Tiere nicht."
Zu Hause angekommen, machte ich mich sofort selbst ans Werk. Wenn der Kollege R. nicht anständig googeln konnte, war das sein Problem, meins sollte das nicht sein. Jedoch: Ich fand tatsächlich alles mögliche, aber meine komischen Tiere nicht. Und auch nicht auf der Homepage des Frankfurter Zoos, auf der eigentlich alle Zoobewohner aufgelistet sind. Mir wurde mulmig, hatte ich doch auf der Messe ununterbrochen allen möglichen Leuten begeistert von den niedlichen "Schweißfüßchen" erzählt. Sollte ich das tatsächlich geträumt haben, wie mir Freunde zaghaft andeuteten? Oder war es vielleicht doch ein kleiner Messekoller?
Eine Mail an den Zoo war meine letzte Hoffnung, und die Antwort kam schnell: "Sehr geehrte Frau Stegemann, bei den von Ihnen gesuchten Tieren handelt es sich um Klippschliefer. Das, was Sie sich als Artname gemerkt haben, ist in Wirklichkeit die Überschrift eines Erläuterungstextes. Deshalb haben Sie die Art auch nirgends gefunden. Falls es ein Trost ist: Sie sind nicht die Erste, die sich die Überschrift als Artbezeichnung gemerkt hat. Mit freundlichen Grüßen, Zoo."
Ich war erleichtert. Doch dann kam der Schock: Auf der Zoo-Homepage, die ich wenig später wieder aufsuchte, gibt es keine Klippschliefer. Und die Mail vom Zoo ist auch verschwunden. Gespenstisch …
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