Männer: Stirb langsam!
Marathonläufe und Bruce-Willis-Filme haben viel gemeinsam. Helden werden gemacht. Wenn das bloß die Läufer verstünden.
Es ist kein gutes Zeichen, wenn einen der Gedanke anfällt: So wie ich müssen sich Hunde fühlen. Sie und ich laufen wie blöde, hecheln unästhetisch, und dabei denken wir nicht viel mehr als: Ah, ein Hintern vor mir. Noch ein Hintern vor mir. Überall wackelnde Hintern! Kurzum: So ein Marathonlauf bringt merkwürdige Seiten eines Mannes an den Tag.
Am vergangenen Sonntag lief ich wieder 42,195 Kilometer, diesmal in New York. Die Sonne schien, und die Wolkenkratzer standen Spalier. Statt mich darüber zu freuen, fragte ich mich wie jedes Jahr: Warum mache ich diesen Quatsch? Marathonlaufen ist so unsinnig wie das in Schottland gepflegte Frittieren von Schokoriegeln oder "Tanz der Vampire - Das Grusical".
Jetzt habe ich eine Antwort.
Sie hat mit Bruce Willis zu tun.
Die "Stirb langsam"-Filme mit Willis in der Hauptrolle waren auch deshalb so erfolgreich, weil sie ein bestimmtes Männlichkeitsbild transportieren. Der Held nimmt eine schier aussichtslose Aufgabe an. Ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrtheit meistert er sie. Am Ende sieht er ziemlich mitgenommen aus.
Aber er hat obsiegt.
Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.
Männlichkeit, heißt das nach diesem Verständnis, ist nichts biologisch Gegebenes wie die weibliche Fähigkeit, Kinder zu gebären. Sie muss errungen werden - und kann deshalb auch verloren gehen.
Das ist ziemlich stressig. Der Marathonlauf ist demnach eine domestizierte Heldenkür. Je schneller der Lauf, desto größer die Tat.
Schmerzende Beine und blutende Füße sind die dazu passenden Accessoires. Wenn das bloß die Läufer um mich herum verstanden hätten. Stattdessen prangten auf etlichen Trikots Hinweise, wem die Männer ihren Lauf "widmeten". Einer lief angeblich, um "Malaria bis 2015 zu stoppen". Vermutlich rennt er immer noch.
Ein älterer Herr wies schriftlich darauf hin, er sei "Kellys Dad", ein jüngerer lief "für Mom".
Ein Mann wollte angesehen werden als "Pervert 69".
Er lief allein.
Am besten gefiel mir noch ein Brite, der sich als "Captain Nasty" outete.
An seiner Seite lief seine "Nasty Wife".
Diese Neigung, die eigene "Heldentat" eines Marathonlaufs zu ironisieren, offenbart sein Zwitterwesen: Denn einerseits gilt Ausdauersport ja als gesund. Auf seine Gesundheit zu achten, ist jedoch, dem hergebrachten Männlichkeitsideal nach, uncool.
Andererseits ist so ein Marathonlauf ungesund, eine Ausnahmebelastung für Gelenke, Herz und Knochen. Also cool nach "Stirb langsam"-Verständnis. Russische Männer pflegen die Tradition maskuliner Selbstverstümmelung besonders erfolgreich, weshalb sie konsequenterweise im Durchschnitt siebzehn Jahre früher als ihre deutschen Geschlechtsgenossen sterben.
Ich zog es daher vor, ohne T-Shirt-Aufschrift, hechelnd und wackelnde Hintern begaffend, mein Rennen zu bestreiten. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.
Deshalb freute ich mich nicht sonderlich, als ich ein Schild am Straßenrand sah, auf dem stand: „If Sarah Palin can do it, so can You“. Umso zufriedener war ich, als ich eine mürrisch blickende Frau erblickte, die ein Plakat hoch hielt, auf dem zu lesen war: „You're all crazy.“
Leser*innenkommentare
bobinbrooks
Gast
you're all crazy sagt unübertroffen alles und selbst konstruiert ist Männlichkeit irgendwie smelly *_*
wird Zeit, daß ihr Jungs den Weltraum erobert.
Thomas
Gast
Ich frage mich allen Ernstes, was mir der Autor mit seinen Worten sagen will.
Ich habe selbst einige Marathons hinter mich gebracht und kenne auch viele Marathonis. Unstrittig ist, dass der Marathon allein nichts mit Gesundheit zu tun hat - ganz im Gegenteil
Das Ganze aber mit Gewalt in irgenwelche archaischen Rollen reinzwängen zu wollen: Helden etc... Total daneben.
Nachdem ich die 5KM, 10... kennengelernt hatte ging es nun um eine weitere Distanz.
Eine Herausforderung ist jede Distanz
Georg
Gast
Nette kleine Kolumne. Dennoch sei angemerkt, die Realität lehrt oft, wer Männlichkeit thematisieren muss, hat oft nicht allzu viel davon. Was aber auch egal ist, ob lethargische Hausfrau, schillernde Tunte oder pseudomännlicher Bolzbolzen, Hauptsache es handelt sich um gute und freundliche Menschen.
rudi ratlos
Gast
"Stirb langsam" habe ich als parodie auf das bild vom mann als "retter der welt" verstanden und ich glaube, so war der film auch gemeint.
im übrigen: masochismus kennt kein geschlecht. nur die formen variieren.
mir fehlt hier ein bisschen, ein tieferes verständnis für die eigenen rollenzwänge.
vielleicht liegt es auch an mir und die hauptsache steht zwischen den zeilen?
Floda Nashir
Gast
Schöner Artikel, aber: Marathon mag Unsinn sein, in New York ist er das für einen Europäer auf jeden Fall.
Und das mit der Männlichkeit ist ja so ein Lieblingsthema vom Matze, das ich hier schon weit besser beschrieben sehe, für das ich mich aber auch in dieser Form immer noch nicht interessiere. Ich finds eher putzig.
Daniel Borchers
Gast
Nach Josef Winkler der beste Kolumnist!
Bitte beide niemals einstellen:)