Der Unterhaltungsfaktor tendierte gegen null

Vier Tage besuchte der Regierende Bürgermeister Israel. Wowereits Interesse galt Projekten, in denen Israelis und Palästinenser zusammenarbeiten

Die Reise auf politisch sensiblem Terrain war anstrengend und unverkrampft zugleich. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist bei seinem viertägigen Israel-Besuch mit Interesse an Austausch und viel Sympathie aufgenommen worden.

Seine Gesprächspartner – von der Stadtverwaltung in Tel Aviv über den Bürgermeister von Jerusalem bis zu Staatspräsident Mosche Katzav – versicherten Wowereit immer wieder, wie gut sich die Beziehungen zu Deutschland im Allgemeinen und zu Berlin im Besonderen entwickelt haben. In der jungen Kunst- und Kulturszene Israels ist Berlin hip und in.

Das löste in der Berliner Delegation angesichts der belasteten Vergangenheit Erleichterung aus. Denn Deutschlands Verantwortung für den Holocaust, bei dem sechs Millionen Juden ermordet wurden, und Israels bedrohte Gegenwart – der blutige Nahostkonflikt mit Selbstmordanschlägen radikaler Islamisten – waren in den Begegnungen allgegenwärtig.

Wowereit bekannte sich zur deutschen Schuld. In fast jeder Rede hob er hervor, dass sich Berlin seiner historischen Verantwortung stellt, rechtsradikale Übergriffe verurteilt und am Ziel einer weltoffenen, liberalen Metropole arbeitet. Auch in einem halbseitigen Namensartikel in der englischsprachigen Jerusalem Post hatte Wowereit das in den Mittelpunkt gestellt. Er wies jedoch auf die tief greifenden Veränderungen Berlins seit dem Fall der Mauer hin.

Daneben versuchte der SPD-Politiker, Kontakte zu vertiefen und neue Kooperationen anzustoßen. Das Besuchsprogramm war dicht gedrängt. Der Unterhaltungsfaktor – ein Kritikpunkt an früheren Auslandsreisen – tendierte gen null. Wowereits Interesse galt vor allem Projekten, in denen Israelis und Palästinenser für eine gemeinsame friedliche Zukunft zusammenarbeiten.

So unterstützte er eine Kooperation der Humboldt-Universität mit dem zweisprachigen Radio All For Peace, besuchte die Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem, die Juden, Muslime und Christen zu gegenseitigem Respekt erzieht, und versprach, sich für mehr Studentenaustausch der Berliner Universitäten mit der Jerusalemer Hebrew University einzusetzen.

Wowereits offene Art im Gespräch, seine Anteilnahme kamen an. In der Gedenkstätte Jad Vaschem sprachen ihn spontan israelische und französische Besucher an, sagten, dass sie es gut finden, dass der Berliner Regierungschef diese weltweit größte Holocaust-Gedenkstätte aufsucht. Auch auf der Straße in Tel Aviv, wo der 52-Jährige einen Kranz an der Stelle des tödlichen Attentats auf den israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin niederlegte, schüttelten Israelis Wowereit dafür die Hand.

Gleich zwei Jerusalemer Zeitungen – die Jerusalem Post und die Ha’aretz – berichteten in Text und Bild von Wowereits Kranzniederlegung in Jad Vaschem. Nach Einschätzung politischer Beobachter vor Ort gelingt das nur wenigen deutschen Gästen. Zuletzt sei Bundespräsident Horst Köhler bei seinem Staatsbesuch im Februar so gewürdigt worden. Auch dass sich Staatspräsident Katzav trotz der aktuellen Regierungskrise im Lande Zeit für einen Ministerpräsidenten nehme, sei eher ungewöhnlich.

Mit Äußerungen zum Nahostkonflikt hielt sich Wowereit zurück. „Das ist nicht meine Zuständigkeit“, sagte er. Er nutzte jedoch intensiv die Gelegenheit, sich auf beiden Seiten aus erster Hand zu informieren. Die Bilanz fiel nüchtern aus. „Man merkt, wie belastend die Probleme der Gegenwart sind, die eine Lösung für die Zukunft erschweren.“ Beide Seiten strebten eine friedliche Koexistenz an. Doch der Weg dahin sei sehr umstritten.

KIRSTEN BAUKHAGE, DPA