Der Patron der Schönheit ist tot

UNTERNEHMER Am Samstag starb der Kosmetikhersteller Yves Rocher in Paris. Der Patriarch war einer der ersten Industriellen, die auf Schönheitsprodukte aus Heilpflanzen setzten

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Die Erfolgsgeschichte begann in einem kleinen bretonischen Nest, La Gacilly, wo der 14-jährige Yves im Haus der Hutmacherfamilie Rocher mit Heilpflanzen experimentierte. Aufgrund der Ratschläge einer kräuterkundigen Frau fabrizierte er dann zu Beginn der 50er-Jahre eine Salbe zur Linderung von Hämorrhoidenschmerzen, die er in Kleinanzeigen in damals sehr populären Illustrierten anpries. Damit setzte Yves Rocher bereits auf die zwei Grundlagen seines späteren Erfolgs und seines weltweiten Imperiums: die Pflanzen als Basis der Schönheitspflege und den Versandhandel. Am Samstag verstarb der 79-jähriger Yves Rocher an den Folgen eines Hirnschlages, den er in der vergangenen Woche in Marrakesch erlitten hatte.

Für die meisten seiner Millionen Kundinnen und Kunden auf der Welt ist Yves Rocher vielleicht bloß ein Markenname wie L’Oréal oder Dior, der französisches Savoir-vivre oder Pariser Eleganz verheißt. In Frankreich, und vor allem in der Bretagne, ist es der Name eines „großen Industriellen“ und eines „Pioniers der nachhaltigen Wirtschaft“, wie ihn Staatspräsident Nicolas Sarkozy in einem Nachruf würdigte. In La Gacilly war er ganz einfach der „Patron“, der Boss und Schlossherr, der am Dorfrand im Château Glénac wohnte und von dort sein kosmetisches Weltreich leitete. Nur ein Mal wurde Rochers Autorität (kurz) in Frage gestellt: Im März 2008 streikten rund die Hälfte der Arbeiter in La Gacilly während zwei Stunden mit Erfolg für eine Lohnerhöhung um 3 Prozent.

„Ohne Yves Rocher wäre hier Wüste“, sagte die Leute dankbar. Die meisten halten es für selbstverständlich, dass er als Bürgermeister von 1962 bis 2008 auch in der Lokalpolitik den Ton angab. Schließlich war er der einzige nennenswerte Arbeitgeber weit und breit. In seinen Kosmetikfabriken von La Gacilly verdienen noch heute mehr als 1.300 Leute ihren Lebensunterhalt.

Insgesamt arbeiten 15.000 Beschäftigte in dem Unternehmen. Davon rund die Hälfte in Frankreich. 1.700 Verkaufsstellen in 80 Ländern erzielten in diesem Jahr einen Umsatz von mehr als 2 Milliarden Euro. Die Geschäftsleitung hatte Yves Rocher bereits vor zwei Jahren seinem Enkel Bris übergeben, nachdem dessen Vater Didier bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen war.

Yves Rocher war ein paternalistischer Familienunternehmer alter Schule. Als er sich nach der Übernahme der Kinderkleidermarke Petit Bateau von der Bank BNP übervorteilt fühlte, demonstrierte er mitsamt seinen Arbeitern vor der Bankfiliale in Rennes: „Wir wollen unser Geld zurück!“

Heute wird Yves Rocher vor allem als Vorläufer einer natürlichen oder „grünen“ Kosmetik gewürdigt. Ursprünglich war es bloß seine Absicht, aus den bekannten Heilpflanzen ein werbeträchtiges Verkaufsargument zu machen und seine (industriell hergestellten) Produkte von jenen der Konkurrenz abzugrenzen, die ihre Schönheitsmittel wie Pharmazeutik als Ergebnisse von Forschern in Labors und als Marken der Luxusindustrie anbot.

Natürlich verstand er sehr schnell, dass er mit seinen „Bio“-Produkten voll im Trend war. Er stiftete auch einen speziellen Umweltpreis, mit dem exklusiv Frauen für ökologische Erfindungen und Initiativen belohnt werden.