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Mehr Transparenz an Berliner SchulenZöllner bringt Schwung in die Schule

Berlin Bildungssenator will den Unterricht an Schulen verbessern: Leistungen und Mängel sollen veröffentlicht werden, Lehrkräfte müssen sich künftig mehr fortbilden. Der Grundschulverband reagiert empört.

Hier ist alles Klasse! Bild: ap

Noch sind es nur Vorschläge, die Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) am Mittwoch der Öffentlichkeit präsentierte. Aber Anfang nächsten Jahres will er Entscheidungen treffen über das von einer Expertenkommission ausgearbeitete Maßnahmenbündel, "Qualitätspaket" genannt. Verbessert werden soll damit der Unterricht in den leistungschwächsten 20 Prozent der Schulen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es heftige Auseinandersetzungen mit Teilen der Lehrerschaft geben wird, wenn Zöllner sein Vorhaben wahr macht. Denn er tastet damit Tabus an.

Da sind zu einen die Schulinspektionsberichte. Seit 2006 werden alle Berliner Schulen von Schulinspektionsteams auf den Prüftstand gestellt. Der erste Durchlauf soll Ende 2010 abgeschlossen sein. Die Zusage des früheren Schulsenators Klaus Böger, die Ergebenissse würden vertraulich behandelt, soll für den kommenden Durchlauf nicht mehr gelten. Zöllner kündigte am Mittwich an, dass er die Berichte in Zukunft veröffentlichen will.

Aber nicht nur das. Auch die Leistungsdaten der Schulen möchte er der Allgemeinheit zugänglich machen: Die Ergebnisse von Mittlerem Schulabschluss (MSA) und Abitur sollen ab dem nächsten Schuljahr veröffentlicht werden. Die Resultate der Vergleicharbeiten, die in den dritten und achten Klassen geschrieben werden - VERA 3 und VERA 8- sollen ab 2012/13 auf den Hompages der Schulen einsehbar sein.

Die Elternsicht

Eltern fordern schon lange die Veröffentlichung der Schulinspektionsberichte, sagt die neue Qualitätsbeauftragte Ruby Mattig-Krone. Sonst verschwinden diese gern unbeachtet in der Schublade.

taz: Frau Mattig-Krone, der SPD-Bildungssenator Jürgen Zöllner hat Sie zur Qualitätsbeauftragten für die Schulen ernannt. Was qualifiziert Sie eigentlich für den Job?

Ruby Mattig-Krone: Ich habe einen umfassenden Einblick in die Berliner Schullandschaft. Ich habe drei Söhne, war 18 Jahre Elternvertreterin und habe in allen Gremien vom Bezirkselternausschuss Steglitz-Zehlendorf bis zum Landeselternausschuss mitgearbeitet. Dort war ich zuständig für die Beantwortung von Fragen von Eltern. Als ehrenamtliches Mitglied der Berliner Schulinspektion habe ich 33 Schulen mit inspiziert: von Grundschulen über Förderschulen bis zu Gymnasien.

Was genau wird bei einer Schulinspektion untersucht?

Wir betrachten die Schulqualität und -kultur. Damit ist die Einbindung von Eltern und Schülern in die Schularbeit gemeint. Es geht auch um Fragen wie: Welche Kooperationspartner hat eine Schule? Gibt es ein IT-Konzept?

Ob die Klos sauber sind, ist nicht von Interesse?

Danach schauen wir auch. Im Vordergrund der Inspektion steht aber das Unterrichtsprofil. Ob die Schule zum Bespiel einen binnendifferenzierten Unterricht macht oder nicht.

Zöllner will die Inspektionsberichte und Leistungsdaten der Schulen veröffentlichen, der Grundschulverband ist empört. Verstehen Sie das?

Ich finde es gut, dass die Berichte veröffentlicht werden sollen. Der Elternausschuss fordert das seit vielen Jahren. Die Schulinspektionsberichte sind ja sehr vorsichtig formuliert. Es wird herausgestellt, was die Schulen schon machen, wo sie gut sind. Die Mängel werden natürlich auch aufgezeigt. Ziel ist es ja, es besser zu machen. Es kann nicht angehen, dass ein Schulleiter einen Bericht in die Schublade steckt und die Ergebnisse nicht mal mit seinem Kollegium bespricht.

Ist das so?

Zum Teil schon. Gerade bei den leistungsschwachen Schulen, die es dringend nötig hätten, wurde gar nicht damit gearbeitet.

Ein Fünftel der Berliner Schulen gilt als leistungsschwach. Woran liegt das?

Schulen, bei denen ein erhöhter Entwicklungsbedarf festgestellt wird, haben sehr häufig Schulleiterprobleme. Das heißt, die Leitung funktioniert nicht.

Für wen genau wollen Sie in Zukunft Ansprechpartnerin sein?

Vor allem für die Eltern, aber ich würde ich mich freuen, wenn auch Schulen das nutzen. Ich denke, ich könnte viele nützliche Hinweise und Tipps geben.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE

Der Grundschulverband reagiert empört. "Ein medienwirksames Veröffentlichen von Ergebnissen kommt einem Ranking gleich" aber viele Misstände lägen nicht in der Hand der Schulen, krititisiert die Vorsitzende des Verbandes, Inge Hirschmann. Sie wirft Zöllner vor, "eine Misstrauenskultur zu pflegen".

Zöllner sagte, es gehe darum, jede Schülerin und jeden Schüler optimal zu fördern. Das sei nur durch Transpranz, Motivation und Kontrolle erreichbar. Zu seinen weiteren Vorschlägen gehört, dass Fortbildung für Lehrer und angehende Schulleiter verpflichtend sein soll. Alle Lehrkräfte sollen mindestens sechs Doppelstunden an fachbezogenen Fortbildungen pro Schuljahr absolvieren. Die Schulleiter sollen den Fortbildungsbedarf festlegen. Neu eingestellte Lehrer möchte Zöllner von ausgebildeten Moderatoren begleiten lassen.

Auch bei den Schulleitern sieht Zöllner Nachholbedarf. Nur wer sich in Personalführung oder Management qualifiziert hat, soll sich künftig für das Amt bewerben können. Ungeeignete Schulleiter - die Rede ist von einer Handvoll - will er ablösen. An die Einführunge eines Rotationsverfahren ist aber nicht mehr gedacht: Die Schulverwaltung hatte erwogen, schwache und starke Schulleiter auszutauschen oder als Tandem zusammenarbeiten zu lassen. "Aber ein nicht erfolgreicher Schulleiter wird nicht dadurch erfolgreich, dass er an eine andere Schule kommt", sagte Zöllner.

Stärken möchte er auch die Anerkennungskultur. Schüler aus bildungsfernen Schichten sollen für schulische Leistungen mit Preisen belobigt werden. Gleichzeitig soll der Druck auf die Eltern erhöht werden, wenn Schüler dem Unterricht allzuoft unetschuldigt fern bleiben. In einem Schulhalbjahr bleiben rund 3.300 Schüler in der Sekundarstufe I mehr als zehn Tage unentschuldigt dem Unterricht fern.

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6 Kommentare

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  • EL
    Enttäuschter Leser

    Zu Beginn des laufenden Schuljahres waren die Berliner Schulen nicht einmal zu 100% mit LehrerInnen ausgestattet. Förderstunden mussten aufgelöst werden, um die Basisausstattung an Unterricht zu ermöglichen. Von einer Vertretungsreserve ganz zu schweigen. Unter diesen Bedingungen muss sich niemand wundern, wenn die Qualität des Unterrichts sinkt. Besonders an Brennpunktschulen, die mit ihren Problemen vom Senator alleine gelassen werden.

     

    Davon redet aber niemand. Stattdessen zaubert Zöllner ein "Qualitätspaket" aus dem Hut. Kontrolle und Druck von oben. Kein Wort darüber, wie Schulen konkret geholfen werden soll. Der Tenor des "Qualitätspakets" ist vielmehr: Wenn Schulen schlechte Ergebnisse bringen, dann sind sie irgendwie selbst daran schuld.

     

    Von der taz hätte ich erwartet, dass sie dieses Ablenkmanöver kritisch hinterfragt. Stattdessen reproduziert Frau Plarre die Propaganda des Senators: "Zöllner bringt Schwung in die Schule". Ich gratuliere zu einer Sternstunde des Journalismus!

  • E
    EnzoAduro

    Seien wir doch mal ehrlich: Viele Lehrer sind auch einfach nur faul und andauernd Krank weil es keine Konsiquenzen hat. Es liegt nicht immer nur an zuwenig Geld.

    Sicher in Berlin kommen viele Schüler schon mit defiziten in die Schule, aber Berlin pumpt pro Schüler auch mehr Geld ins System als jedes anderes Bundesland. Das die Lehrerschaft da unschuldig sein soll, glaube ich nicht. Gerade die älteren verbeamteten Lehrer sind oft Faulpelze. Sorry. Da muss man schon mehr Druck auf Lehrer machen. Lieber weniger gut bezahlte und aufgrund Nichtbeamtung unter normalen Arbeitsdruck setzbare als lauter Beamte.

  • A
    anke

    Wie genau man durch erzwungene "Transparenz" und unqualifizierte "Kontrolle" zu mehr Motivation der davon Betroffenen und indirekt zu einer optimalen Förderung von Schülerinnen und Schülern zu kommen gedenkt, hätte ich dann doch ganz gern erklärt gehabt. Allerdings nicht von einem der üblichen "Experten für Personalführung oder Management", sondern von Senator Zöllner persönlich. Mir scheint nämlich, dass er den Inhalt des "Qualitätspaketes" das ihm da (gewiss für richtig viel Geld) verkauft worden ist, gar nicht wirklich beurteilen kann. Ich nehme an, dem Mann genügt es, dass seine Erwerbung teuer war um zu wissen: das MUSS ja gut sein!

  • D
    Daniel

    Ja super... ein bisschen Konkurrenzdruck für die Schüler und ein bisschen Konkurrenzdruck für die Schulen.

    Das ist so hirnrissig, führt es doch dazu, dass diejenigen Grundschulen, an denen viele Schüler aufgrund ihrer Herkunft nicht so gut bei den Tests abschneiden, von bürgerlichen Eltern gemieden werden. Das Ergebnis kann sich jeder selbst ausmalen.

     

    Bei den Schülern führt es wiederum dazu, dass diejenigen, die eh schon schlechte Startbedingungen haben, noch zusätzlich "bestraft", indem alle guten Schüler, die es eh immer leicht hatten, belohnt werden.

    Aber man sollte Kinder ja schon frühzeitig daran gewöhnen, dass die Schwachen unterdrückt und die Starken belohnt werden. Leistungsgesellschaft eben. Und der Berliner Senat kennt sich auch bestens damit aus, Konkurrenzsituationen zu schaffen, wie bei den Finanzen der Bezirke zum Beispiel.

     

    Das wäre eh noch eine gute Möglichkeit, einfach die Gelder der Schulen noch von den Noten abhängig zu machen. Dann noch privatisieren, fertig ist die Laube.

  • P
    petersson

    Eine wunderbare Idee Zöllners, Kinder in Brennpunktschulen für Leistungsanstrengung zu belohnen, nicht nur wie bigotte Hirschmanns mit verbalem Lob (das ist wichtig und richtig und selbstverständlich), sondern auch mit dem, was Kinder in Brennpunkten eben nicht bekommen: Taschengeld, eine Kinokarte, ein Buch (das sie sich wünschen).

    Damit üben sie früh ein, dass Leistung sich materiell lohnt und gerade nicht, dass man nichts tun muss und dann automatisch Hartz IV fließt.

    In Zehlendorf bekommen die Kinder von ihren begüterten Familien selbstverständlich materielle Anerkennung für gute Noten.

    Lehrer haben hier eine Chance, die Belohnung vor der Klasse monatlich zu zelebrieren, vielleicht eine kleinen Lobbrief zu verfassen, vielleicht für die Eltern?

    Daraus kann viel gemacht werden!

  • S
    Seim

    Amüsant. Da hat die "antiautoritäre" Erziehung wohl genau das Gegenteil bewirkt.

     

    Weniger Freiheiten für alle - mehr Bürokratie für jeden

     

    Man muss sich in diesem Land nicht wundern, wenn immer mehr rebürokratisiert wird, wenn der gute Glauben an den Menschengeist verkommt.