Frigge-Abgang: Der Nächste, bitte
Nach dem fünften Rücktritt innerhalb eines Dreivierteljahres zeigt sich Hamburgs CDU personell ausgeblutet, die Regierungskoalition ist uneins. Doch von Neuwahlen will niemand etwas hören.
Ein Abgang im Chaos. Weil sie von ihrem Fraktionschef Frank Schira nicht rechtzeitig über den bevorstehenden Rücktritt von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) informiert worden waren, ballten am Mittwochnachmittag einige Hamburger CDU-Abgeordnete die Faust in der Tasche. Die christdemokratischen Parlamentarier waren ausgerechnet von ihren SPD-Kollegen - die früher und direkt von einem Senatsmitglied ins Bild gesetzt worden waren - über den bevorstehenden Rücktritt aufgeklärt und der kompletten Ahnungslosigkeit überführt worden.
Derweil biss sich die Senatssprecherin Kristin Breuer auf der Pressetribüne der Bürgerschaft verzweifelt auf die Lippen, durfte den Abgang Frigges, den eine Zeitung längst vermeldet hatte, weder bestätigen noch kommentieren. Szenen eines geräuschvollen Abgangs, die das aktuelle Politikmanagement der schwarz-grünen Koalition in Hamburg eindrucksvoll beleuchten.
Schon lange hatte Frigge auf der Abschussliste gestanden. Obwohl seit März die Staatsanwaltschaft gegen den 47-Jährigen wegen Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit mutmaßlichen Geldschiebereien der rheinland-pfälzischen CDU im Landeswahlkampf ermittelte, wurde Frigge noch im vergangenen April Hamburger Finanzsenator. Ein Senator unter Straftat-Verdacht - offener kann eine Flanke für eine Landesregierung nicht sein. Und obwohl die Mainzer Staatsanwaltschaft mehrfach verkündete, die Verdachtsmomente gegen Frigge würden sich weiter erhärten, schleppte Neu-Bürgermeister Christoph Ahlhaus Frigge mit durch - bis dieser nun selbst die Reißleine zog.
Der designierte Frigge-Nachfolger Rüdiger Kruse (49) sitzt seit 2009 im Bundestag. Als Direktkandidat gelang es ihm in Hamburg-Eimsbüttel knapp Krista Sager (GAL) und den innerparteilich umstrittenen SPD-Kandidaten Danial Ilkhanipour hinter sich zu lassen.
Haushaltsexperte der CDU-Fraktion war Kruse in seiner Hamburger Zeit, saß später auch im Bundestag im Haushaltsausschuss.
Kruse ist grün-kompatibel. Der bisherige Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ist umweltpolitisch firm und stimmte im Bundestag als Abweichler in den Reihen der CDU gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
Der personelle Verschleiß der Hamburger CDU ist immens. Mit Frigge (CDU) warf - innerhalb nur eines Dreivierteljahres - das fünfte von der CDU gestellte Senatsmitglied die Brocken hin. Erst ging Frigge-Vorgänger Michael Freytag im Frühjahr, im Sommer folgten dann ein amtsmüder Bürgermeister Ole von Beust und mit ihm Wirtschaftssenator Axel Gedaschko samt Kultursenatorin Karin von Welck und nun - nach nur acht Monaten Amtszeit - komplettiert der herbstliche Abgang des Carsten Frigge den personellen Aderlass. An ihre Stelle traten als Bürgermeister-Darsteller der blasse Christoph Ahlhaus (CDU), ein parteiloser Wirtschaftssenator namens Ian Karan, der seine eigene Biografie frisiert hatte und ein hoffnungslos überforderter Kultursenator Reinhard Stuth (CDU). Schon spricht die Opposition vom "letzten Aufgebot", vom "Grusel-Kabinett" des Christoph Ahlhaus und auch beim grünen Koalitionspartner findet sich niemand, der da kraftvoll widersprechen mag.
Reflexhaft forderten SPD und Linkspartei direkt nach dem Rücktritt sofortige Neuwahlen - ein durchschaubares und wenig originelles Manöver. Auch die Hamburger Medien studierten nicht minder berechenbar den Abgesang auf die schwarz-grüne Koalition ein. "Das schwarz-grüne Experiment in Hamburg … ist faktisch beendet", befindet die Welt, und die Hamburger Morgenpost attestiert: "Der Laden bricht auseinander."
Die Koalition hingegen übt sich in Durchhalteparolen - zu schlecht sind derzeit die Umfragewerte von CDU und GAL, als dass Neuwahlen willkommen wären. Ein Personalwechsel ist doch kein Grund, eine Koalition platzen zu lassen, heißt es unisono aus der Regierungsriege. Doch von dem Elan, der Aufbruchsstimmung der ersten Jahre ist nichts mehr zu spüren.
Weiterwurschteln heißt die Devise. Bestach die schwarz-grüne Koalition zwei Jahre lang vor allem durch ihr Politikmanagement - intern streiten, öffentlich kuscheln - tragen CDU und GAL seit von Beusts Abgang ihre Konflikte häufiger über die Medien aus. Ob HSH-Nordbank, Ausländerintegration oder Schulnotenreform - stets prügeln Schwarze und Grüne effektvoll aufeinander ein, bemüht ihr eigenes Profil zu schärfen - auch auf Kosten des Koalitionsfriedens. Dass auch im Bund CDU und Grüne zunehmend voneinander weg treiben, in Berlin niemand mehr an einem gelungenen schwarz-grünen Experiment in Hamburg Interesse zu haben scheint, verstärkt da nur den Trend.
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