US-Streit um Netzneutralität: Attacke auf die Gleichbehandlung
Bislang wurde die Durchsetzung der Netzneutralität von den Telekom-Dienstleistern abgebügelt: es gebe kein Problem. Nun ist in den USA ein handfester Streit ausgebrochen.
Das Thema Netzneutralität wirkte in den letzten Jahren manchmal abstrakt. Dass Internet-Provider nur noch gegen Bezahlung die Daten in voller Geschwindigkeit an ihre Kunden weitergeben und möglicherweise Konkurrenten ausbremsen, galt vielfach als rein theoretische Möglichkeit. Dabei kündigt sich schon seit längerem an, dass dieses eherne demokratische Grundprinzip des Netzes aufgeweicht werden könnte.
Nun zeigt ein Fall aus den USA ganz praktisch, was das bedeuten kann. Die Streithähne sind der Kabel-TV-Anbieter Comcast, der über 15 Millionen Menschen über sein Leitungsnetz online bringt, sowie der Internet-Dienstleister Level 3, der große Datenmengen für Online-Firmen überträgt und weiterleitet.
Bei dem Konflikt geht es um die Frage, ob Level 3 seine Kunden an Comcast anbinden darf. Insbesondere der Videoanbieter Netflix, der mittlerweile rund ein Fünftel des gesamten Datenverkehrs hin zu privaten Breitbandanschlüssen in den USA stellt.
Comcast ist das aus bislang ungenannten Gründen zu viel. Das Unternehmen wies Level 3 darauf hin, dass es ab November eine "neue Gebühr" zu zahlen habe, wenn es Daten weiterhin an Comcast-Kunden ausliefern wolle: "Damit es keine Ausfälle gibt." Level 3 zahlte unter Protest. "Da wird von Comcast letztlich eine Mautstation aufgebaut an den Grenzen seines Breitbandnetzwerkes", sagte Level 3-Justiziar Thomas Stortz. Comcast nutze seine dominante Stellung und bedrohe das offene Internet.
Das Kabel-TV-Unternehmen, das selbst eigene Videodienste für seine Kunden anbietet, ließ Berichte zurückweisen, es handele sich um eine Verletzung der Netzneutralität. Stattdessen gehe es hier um eine Vertragsverhandlung zwischen zwei Providern. Level 3 wolle auf dem Rücken Comcasts ein eigenes Netz aufbauen und schicke viel mehr Daten in Richtung Comcast als Comcast in Richtung Level 3. Dafür müsse gezahlt werden.
Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten zunächst gleich behandelt werden: Egal ob der Videostrom eines Medienkonzerns den Nutzer erreichen soll oder das Blog des Nachbarn, niemand hat Vorfahrt. Bezahlt wird dabei nicht für den Zugang zum Nutzer, sondern für den Anschluss des eigenen Servers ans Internet mitsamt dem darüber abgewickelten Datenverkehr. So sind viele Innovationen von der Internettelefonie bis hin zum sozialen Netzwerk entstanden - große und kleine Firmen hatten dieselben Chancen.
Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen versuchen nun Firmen wie Comcast, die Netzneutralität aufzuweichen. Auch bei der Telekom denkt man laut darüber nach. Zu den Szenarien gehört, dass bestimmte Kunden bevorzugt werden könnten und "neue Dienste" oder garantierte Bandbreiten nur noch gegen eine Extra-Bezahlung bereitstünden. Im Mobilfunknetz soll die Netzneutralität gar nicht gelten. Hier drosseln alle Provider den Anschluss schon heute nach dem Verbrauch weniger Gigabyte. Daneben sperren sie mit Vorliebe die kostengünstige Internettelefonie, damit die Kunden weiter brav teure Minutenpreise zahlen.
In den USA gibt es schon länger Streit zu der Frage, wer die Netzneutralität regeln soll. Gesetzesinitiativen zur Festschreibung scheiterten bislang, die zuständige Regulierungsbehörde versucht nun, ein eigenes Modell zu entwickeln. Wer letztlich in diesem Kampf gewinnt, ist offen. Vorfälle wie der Streit zwischen Comcast und Level 3 könnten dafür sorgen, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit erhält. Spätestens wenn Comcast-Kunden keine Netflix-Videos mehr sehen können, dürften Nutzer aufwachen.
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