piwik no script img

WahlkampfHamburger Grüne im Höhenflug

Das Aus für Schwarz-Grün beschert der GAL Zustimmung bei Mitgliedern und Umfragewerte auf Rekordniveau. Christa Goetsch verzichtet auf erneute Spitzenkandidatur. Die neue Frau der GAL heißt Anja Hajduk.

Ein Bild aus längst vergangenen Zeiten: Grüne-Mitglieder, die im August gegen die Koalition mit der CDU demonstrieren. Bild: dpa

Die Schuldzuweisung für das Ende von Schwarz-Grün ist intern klar. Partei und Wählerbasis stehen mehrheitlich hinter der Hamburger GAL-Spitze, die die Koalition mit der CDU am Wochenende überraschend beendet hatte. Auf einem internen Mitgliederabend der GAL am Dienstagabend gab es von den rund 300 Anwesenden breite Zustimmung für die Aufkündigung der Koalition.

Explodiert sind gar die Umfragewerte der GAL: Konnte die Partei Mitte November nach einer Repräsentativ-Erhebung des Psephos-Instituts mit zwölf Prozent der Wählerstimmen rechnen, so würden laut ZDF-Politbarometer nach dem Koalitionsbruch 21 Prozent der Hamburger die GAL wählen - wäre heute Bürgerschaftswahl.

Die bislang abgehängten Grünen haben sich damit binnen einer Woche wieder an den grünen Bundestrend angekoppelt. Zum Vergleich: 2007 zog die GAL mit gerade einmal 9,6 Prozent ins Hamburger Landesparlament und damit in die schwarz-grüne Koalition ein.

Es grünt so grün

"Das Umfrageergebnis von 21 Prozent im ZDF-Politbarometer überrascht uns sehr", kommentierte die grüne Hamburger Landesvorständlerin Katharina Fegebank das ZDF-Politbarometer.

Für ein Senatorenamt im Gespräch ist neben den bisherigen GAL-SenatorInnen Anja Hajduk, Christa Goetsch und Till Steffen auch GAL-Fraktionschef Jens Kerstan

Für ein Bürgerschaftsmandat bewerben wollen sich Katharina Fegebank und der GAL-Vizeparteivorsitzende Anjes Tjarks.

Bekräftigt hat SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz im ZDF seinen Wunsch nach Rot-Grün: "Genau das wollen wir. Und dafür kämpfen wir"

Da auch die SPD noch einmal knapp zulegte - von 40 auf 41 Prozent - kündigt sich für die am 20. Februar stattfindenden Hamburg-Wahlen, eine satte rot-grüne Mehrheit an. Abgestürzt hingegen ist die CDU. Mit 42,8 Prozent der Wahlstimmen 2007 in die Koalition gestartet, sank sie bis Mitte November auf 35 Prozent ab um anschließend in den freien Fall überzugehen und bei jetzt 22 Prozent aufzuschlagen.

Da die Linke bei sieben Prozent stagniert und die FDP sich mit vier Prozent konstant vergebens nach der Fünf-Prozent-Hürde streckt, winken glasklare Verhältnisse. Einzig eine Unbekannte bleibt: Die Partei des Schulreform-Verhinderers Walter Scheuerl, die erst kommende Woche entgültig über ihren Wahlantritt entscheidet und somit noch nicht von den Demoskopen erfasst wird. Alle Analysen prophezeien jedoch, sie werde ihre Wähler vornehmlich aus den Reihen von CDU und FDP rekrutieren. Der CDU droht damit gar der Absturz auf Rang drei hinter der GAL, der FDP die Existenz auf Splitterparteiniveau.

Der eigene demoskopische Höhenflug war den rund 300 GAL-Mitgliedern allerdings noch nicht bekannt, als sie sich am Dienstagabend von ihrer Fraktions- und Parteiführung über die Hintergründe des Endes von Schwarz-Grün informieren ließen. Parteichefin Katharina Fegebank und die abgetretene Vize-Bürgermeisterin Christa Goetsch mussten viele Fragen zu den Gründen des Koalitionsausstiegs beantworten und auch dazu, warum die Parteibasis nicht in die Entscheidung mit einbezogen worden war.

Doch nur einzelne Mitglieder äußerten ihren prinzipiellen Unmut über den Ausstieg aus dem Regierungsbündnis, anderen war der Zeitpunkt zu früh, wieder anderen zu spät. Mehrheitlich, so berichten mehrere Teilnehmer der Runde, habe aber "Erleichterung" vorgeherrscht. Eine "hohe Einigkeit, dass wir den richtigen Schritt zum richtigen Zeitpunkt gemacht haben", sieht etwa der GAL-Landesvorständler Anjes Tjarks als Ergebnis des Mitgliedertreffs.

Besiegelt wurde dann auch ein Wechsel an der Spitze der Partei. Schulsenatorin Christa Goetsch, seit dem Volksentscheid gegen ihr Konzept eines sechs- statt bislang vierjährigen gemeinsamen Lernens vom Verliererimage gezeichnet, nutzte die Chance von sich aus, den Staffelstab der Spitzenkandidatin an Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk weiterzugeben, bevor die Partei sie dazu gedrängt hätte. Als Dank für diesen auch für sie gesichtswahrenden Abtritt bekam Goetsch minutenlang Standing Ovations und darf dem Vernehmen nach auch im Falle einer rot-grünen Koalition erneut ihren Anspruch erheben, die Bildungsbehörde zu führen. Über Hajduks Spitzenkandidatur muss jetzt noch eine Mitgliederversammlung der GAL am 13. Dezember entscheiden.

Anja Hajduk, die neue starke Frau der GAL, gilt als durchsetzungsstark, kompetent und strategisch versiert, kann präzise formulieren, wirkt dabei aber oft unterkühlt. Die 47-jährige ehemalige Bundestagsabgeordnete hatte bis 2008 als Parteivorsitzende die Fäden bei der GAL gezogen und diese in die Koalition mit der CDU geführt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • M
    Mahnbescheid

    Sehr geehrte taz-Redaktion,

    auch bei der Bebilderung Ihrer Artikel sollte journalistische Sorgfalt an erster Stelle stehen. Auf dem Foto welches Sie zum Artikel von Herrn Carini benutzen sind keineswegs Grüne-Mitglieder zu sehen, die gegen die Koalition mit der CDU im Hamburger Senat demonstrieren. Es handelt sich hierbei um Mitglieder der Bürgerinitiative "Engagierte Wilhelmsburger", die gegen die Politik der Grünen und deren Verkehrs-, Stadtentwicklungs-, und Umweltpolitik protestieren. Hierzu: www.engagierte-wilhelmsburger.de

    Rüffel auch an die Deutsche Presseagentur (dpa) die diese Bildunterschrift verbreitet.

  • S
    sel

    Gerade den Grünen in Hamburg gönne ich ein paar Jahre in der Opposition. Nicht, dass ich von dieser bürgerlich konservativen Partei etwas anderes erwartet hätte als Klientelpolitik für gutverdienende Lohas, wenn man sich die Entwicklung Hamburgs in den letzten Jahren anschaut hat Schwarz-Grün ohne Korrekturen den Gentrifizierungskurs der CDU ohne Probleme mitgetragen. Wohnungsnot, Mietpreisexplosion, Gentrifiztierung in allen Stadtteilen, eine sg. Kulturpolitik, die ausschließlich auf Großprojekte setzt, von Schoten wie Moorburg und Elbvertiefung mal ganz zu schweigen. Auch der jetzige Höhenflug in Umfragen kann nicht darüberhinwegen täuschen, dass die Grünen ihre Klientel sei Jahren verraten haben.

  • L
    Lexa

    Peter Pommes konnte nur eine unvollständige Aufzählung geben. Die Vollständige bekomme ich auch nicht ganz hin, aber einige Ergänzungen für das Traumpaar Olaf von Scholz und Anja H. Ulrich kann ich anführen:

    - Elbvertiefung; Olaf hat den sofortigen Ausstieg ja schon zur Koalitionsbedingung erhoben und Anja H. Ulrich wird ihren bereits vor 2,5 Jahren vergessenen Protest erneut vergessen.

    - Altona, Bahnhofsgelände: Geht bestimmt voll demokratisch ab. Notfalls mit unterirdischer Schlichtung.

    - Kraftwerk Moorburg; Der Trassenverlauf durch Grünflächen könnte doch noch mal im Kontext mit der Stadtbahnerweiterung nach Altona diskutiert werden.

    - U4; Mit der Umbenennung zur S21 ist sicherlich ein revolutionärer sprunghafter Brückenschlag über die Elbe möglich. Ein weiters halbes Milliärdchen wäre noch drin, zumal das S von S21 auf Stadtbahn hinweist.

    - Elbtunneldeckel; die Schreber können ihre Gärten endlich unterirdisch bauen. Dann hört man sie auch nicht mehr.

    - Wilhelmsburg: Nach der IBA/IGA würde sicherlich ein interessantes Gelände für eine Flughafenerweiterung (City-Airport) entstehen. Bäume und Grünzeug stören jedenfalls nicht mehr.

    - Buchenhof-Wald; Bürgerentscheide werden mit dem verbliebenen Restwald zu Gunsten neuen bezahlbaren Wohnraumes (bald kommt der Weihnachtsmann) abgeschafft.

    - Titel "Ewige Umwelthauptstadt"; Mit diesem Titel bricht der Boom für ein gesundes und ökologisches Wachstum los. Den Titel erhält unsere Heimatstadt von der begeisterten Weltgemeinde aufgrund überzeugender Konzepte zur maßvollen Wohnraumverdichtung und einem intelligenten PPP-Real-Estate-Management.

    - ...

  • PP
    Peter Pommes

    Eine Scholz-Hajduk-Regierung? Wow, das klingt mitreißend, der Hartz4-Scholzomat und die Architektin von schwarzgrün. Da wird sich bestimmt ne Menge ändern.

     

    -Gentrifizierung gestoppt

    -Privatisierungen rückgängig gemacht

    -Aus für Elphi

    -Kein Geld mehr für Banken

    -Massenweise neue Wohnungen

    -Viel Geld für Kultur

    -Ganz, ganz viel Umweltschutz

     

    ...juchu!

  • K
    klap

    Vorsicht bei bei den Umfragen.

     

    Grün verdoppelt sich

    SPD gestärkt

    CDU geschwächt.

     

    Wo kommen denn da so die Stimmen her?

     

    Von CDU zu GAL? eher nicht

    Von CDU zu SPD, die dann an die GAL abgibt?

     

    Es handelt sich wohl eher um ein Stimmmungsbild, welches nur eine Aussage transportiert:

    Neuwahlen wollen alle.

     

    Was dann bei der Wahl herauskommt dürfte ganz anders aussehen als das was diese Umfrage zeigt.