die wahrheit: Müsli Maus räumt auf
Vergnügungsparks: Disneyland bei Paris soll grüner als grün werden.
Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, mit welcher Wucht das grüne Paradigma unsere Epoche prägt, Euro Disney hat ihn geliefert. In einer Ende November veröffentlichten Pressemitteilung verkündete die Betreibergesellschaft des Vergnügungsparks ihre Absicht, auf dem 2.300 Hektar großen Gelände bei Paris nicht nur ein ökologisch vorbildliches Feriendorf zu errichten, sondern den Gesamtpark nach umweltgerechten Standards aufzumotzen.
Der Vertrag mit dem französischen Staat wurde gerade bis 2030 verlängert, der lokale Partner Pierre & Vacances, spezialisiert auf Urlaubsdomizile, ist mit von der Partie. Der wunderbarsten amerikanisch-französischen Freundschaft seit Rick Blaine und Captain Renault in "Casablanca" steht nichts mehr im Weg, auch wenn die Pressemitteilung in der Sprache der berüchtigten Kulturimperialisten verfasst ist.
Da ist viel von "sustainable development", "zero carbon" und "natural habitat" die Rede, aber trotz der Verwendung von geothermischem Heißwasser zur Wärmeversorgung haben die Fans weltweit noch andere brennende Fragen. Einige lassen sich durch die mutige Arbeit von MickeyLeaks beantworten.
So werden sich die Speisepläne ändern. Im Moment wird den jährlich mehr als zehn Millionen Besuchern in den siebzig Restaurants zumeist klassisches Junk Food verabreicht. Mit belgischen Pommes frites kommt man "Zielvorgabe 5" für den Ökopark ("Verwendung lokaler Lebensmittel") schon nahe, aber Disney will mehr.
Das Café des Cascadeurs, heute noch "ein authentisches amerikanisches Diner im Stile der 50er Jahre (Hotdogs, Salate, Eiskrem)" wird als The Bratling authentischen Freiburger Mensakitzel der achtziger Jahre (Grünkern, Soja, Hafer- Nuss) bis vor die Tore der Gourmetkapitale tragen. Nebenan im Rainforest Cafe® muss auch in Zukunft niemand auf seine saftigen Steaks verzichten, allerdings wird dort einmal am Tag mit der Kettensäge ein bisschen gerodet, damit im Magic Kingdom die Ökosystemkritik nicht auf der Strecke bleibt.
Auch die Müllentsorgung ist bereits geklärt. Als Alternative zu langwierig vermodernden Verpackungen wird durch eine simple genetische Modifizierung Menschen das Verdauen von Pappe ermöglicht. Von den avisierten 70.000 neuen Arbeitsplätzen entfallen dann 69.000 auf sogenannte "Eaters", die Becher, Tüten und Verpackungen Tag für Tag aufessen und die Ergebnisse ihrer Bemühungen als Pellets wieder von sich geben. Die Pellets werden schließlich im Weltspeicher gelagert, wo Baumarktmogul Dämmstoff Duck täglich nach Solarzellen taucht.
Müsli Maus jagt die Panzerknacker, die als Müllferkel alles auf einen Haufen werfen, ehe ihnen unterm Denkkäppchen von Umweltminister Gabriel Düsentrieb die Geburt von Tonne, Sack und Container aus dem Geiste der Analfixierung sinnlich erfahrbar gemacht wird.
Im Discoveryland, traditionell der Ort, an dem Disney den Blick in die rosige Zukunft wagt, zeigt Peter Pan den Besuchern das einsturzsichere Endlager, während Michael Jacksons heiße Grooves die künstliche Lagune Lake Disney zum Kochen bringen. Oder sind es am Ende etwa doch die Brennstäbe?
Es mag bedauerlich sein, aber das neue Konzept hat weder für fliegende Elefanten noch lebendige Holzpuppen Verwendung. Dumbo wird von Wilderern erledigt, seine Ohren landen bei eBay. Das tropenhölzerne Bengele Pinocchio endet als Zahnstocherpaket in einem Showroom für Designermöbel.
Wer einen aufregenden Stunt in der Filmstadt am eigenen Leib erleben möchte und größer als 1,40 Meter ist, kann sich an einen Walfänger ketten. Die kleinen Besucher werden ins Gleisbett einbetoniert, damit die alte Dampflok-Dreckschleuder im Schuppen bleibt. Aber keine Sorge, es ist nur Salzteig.
Um die lokale französische Kultur stärker zu integrieren (Ziel 8, "culture and heritage"), gibt es regelmäßige Traktorblockaden, und Rollkommandos mit Baskenmützen hauen reihum die Schnellimbissrestaurants mit altbackenen Baguettes zu Klump.
In den Jahren 2009 und 2010 hat der schmutzige, alte Park mit dem ökologischen Fußabdruck von der Größe eines Flugzeugträgers einen Verlust von 95 Millionen Euro eingefahren. Das liegt sicherlich auch an der defensiven Preisgestaltung. Mit 54 Euro für Erwachsene und familienfreundlichen 49 Euro für Kinder für einen Tag kommt man als Betreiber auf keinen grünen Zweig.
Um den weiteren Verfall der Aktie zu verhindern, die seit Frühjahr 2008 von 11 auf 4 Euro abgesackt ist, haben die Visionäre von Euro Disney noch ein Ass im Ärmel. Bei der großen Traditionsparade vor dem Zauberschloss mit allen Figuren aus allen Filmen und Comics, wird Müsli Maus prominente Verstärkung erhalten.
Claudia Roth höchstpersönlich soll dem Mäuserich zur kongenialen Partnerin werden, sobald sie sich bereit für die neue Herausforderung fühlt, vermutlich also in der kommenden Woche. Philippe Gas, der CEO von Euro Disney, meint dazu: "Claudi ist eine Ikone der europäischen Populärkultur, die unser Anliegen glaubwürdig repräsentiert. Und alles, was sie sagt, ist abbaubar."
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