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Klimaverändernde EnergiepflanzenSchädlicher Verdrängungseffekt

Auch wenn Energiepflanzen Regenwälder und Moore nur indirekt vernichten, schaden sie dem Klima. Das hat die EU erkannt – und denkt über Konsequenzen nach.

Die Abholzung des Regenwaldes schreitet voran. Bild: dpa

BERLIN taz | Ist es möglich, wirklich umweltfreundlichen Pflanzentreibstoff herzustellen? Die EU-Kommission hat nach einer Antwort auf diese Frage gesucht - mittels einer öffentlichen Anhörung. Zwar schreibt das Gesetz ab dem 1. Januar vor, dass nur noch solche Pflanzenöle Diesel oder Benzin beigemischt werden dürfen, die nachhaltig erzeugt wurden: Sie müssen 35 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als Sprit aus Erdöl, und für den Anbau der Pflanzen dürfen keine Regenwälder oder Moore vernichtet werden.

Das klingt gut, ist es aber nicht. Das Problem trägt den komplizierten Namen "indirekte Landnutzungsänderung", ist jedoch leicht erklärt: Für Biosprit dürfen im Regenwald von Indonesien keine Palmölplantagen angelegt werden. Also liefern bereits bestehende Plantagen den Stoff für den Tank.

Doch nebenan werden, in für den Klima- oder Artenschutz wichtigen Wäldern, neue Plantagen angepflanzt, deren Öl in die Fabriken der Lebensmittel- oder Waschmittelindustrie fließt. Indirekt vernichtet der wachsende Hunger nach Biosprit also weiterhin wertvolle Natur, trotz Nachhaltigkeitsverordnung.

Nachdem die EU-Kommission sich in ganz Europa nach Lösungen für das Problem umgehört hat, stellt sie nun fest, dass der Beitrag von Agrosprit zum Klimaschutz durch die indirekte Landnutzung tatsächlich geschmälert wird. Damit hat die Position von Umweltorganisationen Einzug gefunden in den Bericht der Kommission.

Friends of the Earth, das European Environmental Bureau oder Greenpeace hatten sich vehement dafür eingesetzt, dass die Biokraftstoffe die Schäden durch indirekte Landnutzung in ihrer Klimabilanz aufgebrummt bekommen. Die Landnutzungsveränderungen verursachten Kohlendioxidemissionen aus Vegetation und Boden, "die Biokraftstoffe zu einer größeren Gefahr für das Klima werden lassen als die fossilen Brennstoffe, die sie ersetzen sollen", schreiben die Umweltschützer in ihrer Stellungnahme.

Sie hatten sich die Pläne der Regierungen für Energie und Verkehr angeschaut und danach berechnet, dass der Verbrauch von Agrardiesel und Benzin in den nächsten zehn Jahren deutlich zunehmen wird.

"Daraus resultiert eine weltweite Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche", vermerkten Greenpeace und Co nüchtern; 69.000 Quadratkilometer würden umgebrochen, so ihre Prognose. Doch ihre Forderung, einen Faktor für indirekte Landnutzungsänderungen einzuführen, der es den Biokraftstoffen erschweren würde, die vorgeschriebenen 35 Prozent weniger CO2 auszustoßen, ist nicht unumstritten.

Ein solcher Faktor "wäre doch nur eine Scheinlösung", sagt Uwe Lahl, ehemals im Bundesumweltministerium für Emissionsschutz zuständig und heute Berater für Umwelttechnik und Klimaschutz.

Im Auftrag der Biokraftstoffindustrie hat er die indirekte Landnutzung untersucht und ist zu dem Schluss gekommen: Sie ist ein Problem, stellt sich in unterschiedlichen Regionen aber unterschiedlich dar. So wäre zum Beispiel gegen Ethanol aus ukrainischem Weizen auf heute brachliegenden Flächen ökologisch überhaupt nichts einzuwenden. Palmöl aus Indonesien hingegen sei hochproblematisch. Diesen Unterschieden werde ein allgemeiner Faktor für indirekte Landnutzungen nicht gerecht.

Außerdem machten die Biokraftstoffe nur einen geringen Teil der Agrarproduktion aus. "Nur 10 Prozent gehen in die Energiegewinnung, davon wird 1 Prozent zu Biokraftstoff verarbeitet", betont Lahl.

Auch dies müsse natürlich ökologisch sinnvoll geschehen. "Aber wenn wir so tun, als wäre dies eine Prozent die eigentliche Ursache für den Regenwaldverlust, führt das zu falschen politischen Prioritäten bei der Problemlösung." Sein Vorschlag: den ganzen Agrarsektor in den Blick nehmen. #

Jegliche Biomasse - egal, ob wir sie essen, auf die Haut schmieren oder unsere Kleider damit waschen - sollte nach nachhaltigen Kriterien hergestellt werden. Nur so könne verhindert werden, dass Moore oder Wälder in Ackerland umgewandelt würden.

Die EU-Kommission wird nun folgende Handlungsoptionen prüfen: zunächst gar nichts zu tun, die Anforderungen an die Treibhausgasreduktion von Kraftstoffen generell zu erhöhen oder einen Faktor für die indirekte Landnutzung einzuführen. Den Vorschlag der Umweltorganisationen hat sie damit nicht aufgegriffen: die Förderung der Biokraftstoffe generell zurückzufahren und stattdessen auf weniger Individualverkehr und mehr Energieeffizienz zu setzen.

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6 Kommentare

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  • JD
    Jörg Dürre

    Die Frage im Artikel: "ist es möglich, wirklich umweltfreundlichen Pflanzentreibstoff herzustellen?" ist irreführend.

    Die wesentliche Frage lautet: "Wie kann Transport nachhaltig stattfinden?"

    So merkt man, dass die in der EU Verlautbarung zum Thema gegebenen drei "Alternativen" nur vorgeschoben sind.

    Die wesentliche Europa Richtlinie 2009/28/EG Art.(3) Abs 4 insbesondere c) gib für diesen Artikel in der Rubrik Zukunft einen Hinweis auf die wirkliche Lösung.

     

    Zitat aus der RL:

    "Die Kommission legt, sofern angemessen, bis zum 31. Dezember 2011 einen Vorschlag vor, nach dem es unter bestimmten Bedingungen zulässig ist, die Gesamtelektrizitätsmenge aus erneuerbaren Quellen, die für den Antrieb aller Arten von Fahrzeugen mit Elektroantrieb verwendet wird, zu berücksichtigen."

     

    Jeder ICE und jede U-bahn kann so die benötigte Fläche reduzieren. Schon jetzt könnten Straßenbahnen und Elektrobusse zur Erfüllung der Quote angerechnet werden. Das wurde in der deutschen Gesetzgebung leider vollständig "vergessen".

    Es hört leider keiner auf den www.WBGU.de, der noch vor den NGOs Ratgeber der Regierung sein sollte.

     

    @Michael Lendl

    Hydrocracking, Fraktioniertes Palmöl, 10% Beimschung ausser im Winter ... geht alles

    und geschätzt 99% der Frischöl verwendenden Biodieselanlagen in Deutschland müssen die CO2 Reduktion als Altanlagen ohnehin erst 2013 erfüllen.

  • A
    Alge

    Wie steht es zur Zeit um die Entwicklung von Treibstoff auf Algenbasis ?

  • P
    Paria

    "Die EU - Kommission wird nun folgende Handlungsoptionen prüfen : zunächst gar nichts zu tun"

     

    Das scheint die Lieblingsoption der Politik zu sein, wenn es um den Naturschutz geht...

  • ML
    Michael Lendl

    Sehr geehrte Frau Holdinghausen,

    rein von der technischen Seite ist die Verwendung von Palmöl zur Herstellung von Biodiesel in europäischen Breitengraden nicht möglich, da Palmöl einen Stockpunkt bei ca. plus 25° C hat. Das heißt das Öl welchselt bei 25° C vom flüssigen Zustand zum festen Zustand. Wir stellen Biodiesel aus einem sehr hohen Anteil von ALtspeiseöl, Fetten und Fettsäuren har, also Öl die nicht mehr dem Foodbereich zugeführt werden können. Ich lade sich hiermit zu uns ein um sich zu überzeugen. Ihr Artikel ist zu einseitig und schlichtweg falsch.

    Grüße aus Ochsenfurt

    Michael Lendl

  • V
    vic

    "Das hat die EU erkannt"?

    Und wie verträgt sich diese Erkenntnis mit dem sogenannten e10-Kraftstoff?

  • T
    thiotrix

    Biokraftstoffe sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

     

    Eine Mittelklasse-Limousine nur zwei Mal mit „Bioethanol“ volltanken (und damit max. 2000 km fahren) verbraucht die Jahresration Getreide, die im Durchschnitt für jeden Menschen pro Jahr zur Verfügung steht!

    Es bleibt völlig unverständlich, wie Bioethanol als ernsthafte Alternative für Brennstoffe auf Erdölbasis gelten kann. Eine kurze Rechnung: Pro Jahr werden 2 Mrd. t. Getreide geerntet, das den mit Abstand größten Beitrag zur Ernährung der Menschheit leistet. Diese Menge entspricht (bei 6 Mrd. Erdenbürgern) 330 kg/Kopf. 80 % dieser Menge sind vergärbare Kohlenhydrate, also 264 kg. Eine Vergärung zu Bioethanol ergibt ca. 130 kg Ethanol = 163 l (und 130 kg CO2!). Das ist der Bruttoertrag – mindestens 30 % des erzeugten Biosprits wird für die Feldbearbeitung, Aussaat, Düngung, Pestizide, Ernte und Destillation des Ethanols wieder verbraucht. Der Brennwert von Ethanol liegt ein Drittel unter dem von Benzin oder Diesel. Wird also die Getreidemenge, die ein Mensch im statistischen Mittel pro Jahr verbraucht, zu (sogenanntem) Bioethanol umgesetzt, reicht es gerade einmal aus, um das besagte Mittelklasseauto zwei Mal vollzutanken! Schon die Verwendung vergleichsweise geringer Mengen von Nahrungsgetreide, vor allem Mais, zur Bioethanolgewinnung führte in Mexiko bereits zu einem massiven Preisanstieg für Grundnahrungsmittel („Tortilla-Krise“): für Millionen arme Menschen bedeutet mehr Bioethanol schlicht mehr Hunger.

    Das Ausweichen auf andere Energiepflanzen ist überhaupt kein Ausweg aus diesem Dilemma: auch wenn z. B. Palmöl etwas höhere Erträge pro Flächeneinheit bringt als Getreide, dann stehen diese Flächen eben nicht mehr für den Getreideanbau zur Verfügung. In vielen Teilen der Welt schrumpfen die landwirtschaftlichen Anbauflächen z. T. dramatisch – durch Übernutzung, Erosion, Versalzung, aber auch durch den Bau von Fabriken, Straßen und Häusern für eine wachsende Weltbevölkerung. Der Anbau von „Energiepflanzen“ zur Herstellung von Biokraftstoffen ist daher nicht nur völlig unverantwortlich; er ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!