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: Ein ungezähmtes Leben

Die Gesetze der Schwerkraft sind einfach: Je größer die Masse, desto heftiger der Aufprall. So gesehen, hätte Lasse Hallström vielleicht Physiker werden sollen und nicht Filmemacher. Denn Hallström liebt schwer überladene Geschichten, er liebt die Problem-Akkumulation: Je mehr man reinpackt, so scheint sein Motto, desto größer die Wirkung. So war das in seinen früheren Filmen „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“ oder bei seiner Adaption von John Irvings „Gottes Werk und Teufels Beitrag“. Und so ist das auch in „Das ungezähmte Leben“, Hallströms neuem Film.

Robert Redford spielt den Aussteiger Einar Gilkyson, einen kauzigen Typen, der auch nach vielen Jahren den Tod seines Sohnes nicht verkraften kann. Seiner Schwiegertochter Jean (Jennifer Lopez) gibt er die Schuld am Tod des Sohnes, denn sie hat damals den Unfallwagen gefahren. Zurückgezogen lebt Gilkyson auf einer Ranch in den Weiten Wyomings, einzig sein alter Freund Mitch ist bei ihm geblieben.

Eines Tages steht Jean mit Tochter und Sack und Pack vor Gilkysons Tür; widerwillig nimmt der alte Griesgram sie auf. Jean ist vor ihrem prügelnden Freund geflohen, doch der spürt sie auf der Ranch auf. Derweil gerät Jean in Streit mit ihrer Tochter, denn die hat keine Lust, mit dem mürrischen Großvater zu leben. Später freunden sich Großvater und Enkeltochter an, aber verprellen Jean – sie verlässt schließlich die Farm und zieht als Kellnerin in die Stadt. Dort geht es munter katastrophal weiter, denn auch Jeans Arbeitskollegin hat vor einigen Jahren ihr Kind verloren.

Das ergibt einen Film über Tod, unverarbeitete Trauer, Welthass, Schuldzuschreibungen, prügelnde Ehemänner, Mutter-Tochter-Konflikt und noch einmal Tod – und damit ist nicht zu viel verraten. Schon klar: das alles soll lakonisch wirken, unsentimental, aber dennoch sensibel. Doch wenn Hallström lakonisch sein will, wirkt das spröde. Und wenn er witzig sein will, wirkt das so, als nehme er seine eigenen Figuren nicht ernst. Ganz zu schweigen von der süffigen Musik und dem grenzwertigen Kitsch der Naturaufnahmen.

Dass Gylkisons Männerfreund Mitch von Morgan Freeman gespielt wird, verdeutlicht Hallströms Dilemma nur noch mehr: Denn dieses Duo erinnert unweigerlich an Clint Eastwoods Film „Million Dollar Baby“. Doch während Eastwood mit kargen Mitteln eine große Geschichte erzählt, ist Hallströms Film gnadenlos überfrachtet: Es bleibt bei so vielen Handlungssträngen schlichtweg keine Zeit, sich auch nur für eine seiner Figuren zu interessieren. SEBASTIAN FRENZEL

„Ein ungezähmtes Leben“, Regie: Lasse Hallström. Mit Robert Redford, Morgan Freeman u. a., USA 2004, 108 Min.