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Wirtschaftskrise in KubaRevolution auf dem Arbeitsmarkt

Die kubanische Regierung muss sparen. Millionen Kubaner im öffentlichen Dienst und in staatlichen Betrieben sollen in den nächsten Jahren entlassen werden.

Rund 1.8 Millionen Staatsdiener sollen entlassen werden. Bild: dpa

HAMBURG taz | Zum Jahresauftakt haben Kubas Betriebe das Tempo bei den Entlassungen spürbar angehoben. Bis Ende März soll die erste Etappe der "Neuordnung des Arbeitsmarktes" abgeschlossen sein. Die Vorzeichen dafür sind allerdings zwiespältig.

Kubas Gewerkschaft bürge für die Neuordnung der Arbeit im Land, erklärte Salvador Valdés in dieser Woche in Havanna. Das Interview mit dem Generalsekretär der CTC, des einzigen Gewerkschaftsverbands der Insel, war der Auftakt für die bereits im September angekündigte Entlassungswelle. Seit Dienstag erhalten nun mehr und mehr Kubaner ihre Papiere.

Begonnen werde, so die Gewerkschaften, im Ministerium für Zucker, Landwirtschaft, Bau, Gesundheit und Tourismus. Insgesamt 500.000 Staatsbedienstete sollen bis zum 1. April vom staatlichen Lohnzettel gestrichen werden, und so viele wie irgend möglich sollen im Privatsektor der kubanischen Wirtschaft unterkommen.

Das ist das erklärte Ziel der kubanischen Regierung, und Finanzministerin Lina Pedraza hat bei der letzten Parlamentssitzung kurz vor Weihnachten bekannt gegeben, dass es damit noch lange nicht getan ist.

Bis 2015 sollen insgesamt 1,8 Millionen Kubaner ihre Anstellung bei Vater Staat verlieren und in der Privatwirtschaft unterkommen. Angesichts von gerade 4,9 Millionen Erwerbstätigen hat die Reform revolutionäre Ausmaße.

Dem gegenüber steht ein Privatsektor, der offiziellen Zahlen zufolge Ende 2009 gerade 144.000 Kubaner beschäftigte, die auf eigene Rechnung arbeiten, wie es in Kuba heißt. Deren Zahl hat sich in den letzten Monaten zwar um 80.000 erhöht, wie in der Zeitung der kommunistischen Partei, der Granma, im Dezember zu lesen war.

Aber selbst kubanischen Experten ist schleierhaft, wo das Heer der Arbeitssuchenden unterkommen soll. "Die Liste der Berufe, in denen die Menschen eine Lizenz für die selbständige Arbeit beantragen können, ist viel zu knapp gehalten", erklärt Omar Everleny Pérez. Der Ökonom von der Universität Havanna plädiert gemeinsam mit seinem Kollegen Pavel Vidal für eine Ausweitung der Kriterien für die Selbständigkeit.

Die lässt aber auf sich warten; interne Widerstände sind dafür verantwortlich, wie Staatschef Raúl Castro in einer Rede vor dem Parlament Ende Dezember deutlich machte. Er forderte die Skeptiker und Widerständler in der politischen Führung zu Mentalitätswechsel oder Rücktritt auf.

Castro verwies auf die ersten Erfolge der Reformen. So konnte die Wirtschaft der Insel im Jahr 2010 um 2,1 Prozent wachsen. Weitaus wichtiger ist jedoch, dass die Staatspleite vorerst abgewendet werden konnte. Castro kündigte an, dass auch die letzten der 2009 eingefrorenen Konten von Investoren und Geschäftspartnern 2011 freigegeben werden sollen - ein Indiz für eine erfolgreiche Sparpolitik.

Dabei kommt den Selbständigen eine wachsende Bedeutung zu, denn sie sollen 2011 mindestens 1 Milliarde kubanische Peso in die Staatskassen bringen. Zusätzliche Entlastung bringt die Entlassungswelle. Doch die birgt ein Risiko. "Wenn es kaum Alternativen auf dem Arbeitsmarkt gibt, wächst auch die Unsicherheit", mahnen Ökonomen aus dem Regierungslager genauso wie Kritiker.

Zu Letzteren gehört der ehemalige Vizeminister für Arbeit, Lázaro González Rodríguez. In einem Blog-Beitrag kritisierte er, dass den Entlassungen keine technischen Studien zugrunde lägen und dass sie mit dem Artikel 454 der Verfassung kaum zu vereinbaren seien. Der besagt, dass jeder Bürger der sozialistischen Gesellschaft ein Recht auf Arbeit habe.

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3 Kommentare

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  • D
    desillusioniertetazleserin

    Mal wieder ein sehr manipulativer Artikel der taz. Liest man den Artikel von Kurt Henkel, denkt man, dass Millionen Kubaner auf der Strasse stehen werden.

     

    Dabei ist dem nicht so:

    [...]Zudem dürfe am Ende des Prozesses kein kubanischer Arbeiter arbeitslos sein. Die kubanische Regierung hat versprochen, die Gekündigten in anderen Unternehmen unterzubringen. Auch wenn die Arbeiter den neuen Job ablehnen, erhalten sie abhängig von der Zahl der Berufsjahre weiter ein Gehalt. [...]

     

    http://www.welt.de/politik/ausland/article11982860/Kuba-entlaesst-eine-Million-staatliche-Angestellte.html

     

    Warum schafft es die Welt, ihre Aufgabe als 4. Säule der Demokratie wahrzunehmen und ihre Leser möglichst wahrheitsgetreu zu informieren und die taz mal wieder nicht?

  • E
    Eu-geger

    Wieder einmal ein Beispiel dafür das moderne Gesellschaften heute das bedingungslose Grundeinkommen brauchen, da Arbeit die einem das Leben finanzieren kann, einfach nicht mehr genügend vorhanden ist.

    Finanziert nur noch über eine kräftige und damit sozial gerechte Konsumsteuer.

    Fast alle heutigen Wirtschafts und Sozialprobleme könnten damit abgeschaft werden. Die Frage ist nur warum das viele nicht wollen.

  • S
    Schulz

    Wenn mehr als 30 Prozent entlassen werden, ohne vermittelt zu werden...

    und gleichzeitig vom entlassenden Staat

    aus diesem Pool eine Einnahme von mehr als 1 Milliarde Dollar erwartet wird,

    waren die Leute entweder vorher bestraft

    (Einfrieren von Auslandskonten/Geldwaesche?)

    ist es eine Amnestie

    oder der Kollaps eines kapitalist. Sozialismus,

    also jedes Land hat doch sowieso

    dieselben Muster.

     

    Wenn in Deutschland Schweine Schweine fressen (das sind normalerweise Pflanzenfresser) entsteht

    die Schweinepest, Menschen sterben an sogenannter

    Influenza, die in Wirklichkeit 75 Prozent

    Schweinegrippe darstellt.

    Wenn ein Friedtier ein Raubtier wird, aufGrund

    chem. Praeparate im Futter....

    ist die Menschheit Schuld.

    Also keine Schweinegiftnahrung mehr.

     

    Oder wenn eine Massenkeulung von Gefluegel durchgefuehrt wird, ist dies Monate/Wochen/Tage/Stunden vorher bekannt. Die betr. Betriebe koennen Notschlachtungen Stunden/Tae/Wochen vorher anordnen, um einen Gewinn aus dieser Notlage zu ziehen, bei der anschliessenden Massenkeulung

    trotzdem die Mindestzahl (geschaetzt nicht gezaehlt) und Staatsgewinnausfalldeckungen erhalten.

    Damit wird ein Unternehmen in ein anderes umgewandelt, sogar vermehrt, die natuerliche Population von Wirtschaftsunternehmen im Inland, Ausland und Politik.

    Die Armen werden aermer... und die Reichen reicher.

    Wer das nicht schafft, ist nicht politikfaehig.

     

    Also doch globaler Zwang zur Kriminalitaet?

    Oder muss alles ganz anders definiert werden?

     

    Milch wird taeglich im Labor untersucht...

    wenn der ganze Container auf Grund eines Zulieferers vernichtet wird, steht das Ueberleben des Hofes auf dem Spiel. Niemand im Bauernverband macht das mit...

     

    Wieso sind nur in der Milchkuhhaltung besondere taegl. Hygienekontrollen ...

    Shampooduschen von Eutern vor der Milchgewinnung,

    Freiheit von Medikamenten und anderes?

     

    Auch Futtermittel koennen taeglich untersucht werden, wenn neue Vorraete benutzt oder geoeffnet

    werden.

     

    Wir brauchen keine Stichprobenkontrollen, sondern eine flaechen-tier-hof-Dauerkontrolle fuer alles.