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Mehr Geld für StraßenWirtschaftslobby in der Sackgasse

Der ADAC und die Wirtschaftskammern fordern Millionen Euro für den Bau neuer Straßen. Die A 100 sei ein Muss und Radfahrer vor allem ein Übel: Sie sollten auf Seitenstraßen abgedrängt werden.

Bitte mehr davon, so wünscht es sich - na klar, der ADAC. Bild: dapd, Michael Gottschalk

Wirtschafts- und Autolobbyisten haben den Senat zu Millioneninvestitionen in den Straßenbau aufgefordert. "Wir brauchen mehr Geld für die Infrastruktur", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Christian Wiesenhütter, am Donnerstag. Der Ringschluss der A 100 sei ein Muss, ebenso die Tangentialverbindung Ost, die Marzahn mit Köpenick verbinden soll. Außerdem müsse die Verwaltung den steigenden Pendlerzahlen vom Umland in die Stadt gerecht werden, so Wiesenhütter. Gemeinsam mit dem regionalen ADAC und der Handwerkskammer plädierte er dafür, den Bedürfnissen von Autofahrern auch künftig Rechnung zu zollen.

"Für eine lebenswerte Stadt brauchen wir ein vernünftiges Straßennetz", bekräftigte das ADAC-Vorstandsmitglied für Verkehr, Dorette König. Auch Autofahren zähle zur Lebensqualität. "Prinzipiell unterstützen wir das Leitbild der umweltgerechten Stadt", sagte König. Der ADAC wehrt sich allerdings dagegen, dass Autofahrern Raum genommen wird: So ist der Lenkrad-Club gegen die weitere Ausweisung von Fahrradstreifen. Ansonsten würde Autos 50 Prozent des Straßenraums genommen. Besser sei daher eine räumliche Trennung, so König. Radfahrer sollten auf ausgewiesenen Fahrradstraßen fahren.

Auch weitergehende Prämissen von ADAC und Kammern richten sich nach den Bedürfnissen des motorisierten Verkehrs: So solle Investoren nicht vorgeschrieben werden, wie viele Autostellplätze auf einem Grundstück vorgesehen werden. Innerstädtische Straßen dürften nur verengt werden, wenn zugleich der Ringverkehr verbessert und neue Verbindungsstraßen gebaut würden. Lieferanten und Handwerker sollten leichter Sondergenehmigungen für die Umweltzone und für Viertel mit Parkraumbewirtschaftung erhalten.

Finanziert werden sollen die Vorstellungen der Wirtschaft durch eine andere Prioritätensetzung. "Wir sollten auf den Rückbau der Leipziger Straße verzichten", sagte Wiesenhütter. Damit spare das Land schon einmal 35 Millionen Euro. Außerdem drängte er Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) zu offensiveren Verhandlungen mit dem Bund. "Die Pendlerzahlen steigen weiter, wir werden wachsende Verkehrsströme in die Stadt haben", so der IHK-Geschäftsführer. "Da müssen wir beim Bund nachhaken."

Die Lobbyisten hatten zuvor mit dem Senat über einen neuen Stadtentwicklungsplan (Step) Verkehr diskutiert. Die Verwaltung stellte einen Entwurf vor einigen Wochen vor; darin hatten die Wirtschafts-Forderungen wenig Widerhall gefunden. Während ADAC-Vorstandsmitglied König auf weitere Gespräche hofft, reagierte die Verkehrsverwaltung gelassen.Wer den Step Verkehr richtig lese, wisse, dass die Forderungen der IHK auf unrichtigen Annahmen beruhen, erklärte Sprecher Mathias Gille. "Weder stimmen die Annahmen zum Radwegenetz noch die Behauptung, wir wollten mehr Tempo 30."

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7 Kommentare

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  • C
    Chrischan

    Würde man die Autofahrer so fahren lassen wie jetzt, gibts dämnächst Platzprobleme, Feinstaubprobleme.

    Dass das Velo bis 5km schneller ist als das ach so geliebte Auto, ist noch nicht bekannt. Wie schön wär eine Welt ohne Privatpkw? Kein Lärm, keine Verkehrstoten, wenig Schadtstoffe in der Luft, fittere Menschen.

  • SS
    Stefan Seum

    Ringschluß? Sind die Herren noch ganz bei Trost? Die A100 ist wohl Berlins S21: intransparente Planung, versteckte Ziele, scheibchenweises durchboxen, gegen Vernunft und Erkenntnis aus Verkehrsplanung.

     

    Ein Ringschluß würde die brachiale Zerstörung von halbwegs intakten Wohnquartieren bedeuten, was ein Blick auf die Berliner Karte belegt. Ein 2-spuriger Zubringer zum Treptower Park wäre eine vernünftige Lösung, die das Adlergestell entlasten würde. Ein 6-spuriger Ausbau wahrscheinlich nur ein Baustein einer größenwahnsinnigen Verkehrsidee - Ringschluß. Man sollte schon Heute eine Mediation beginnen.

     

    ... und zum Thema Fahrrad: getrennte Fahrradwege die sich nicht auf der Fahrbahn und damit außerhalb des Sichtfeldes des Autoverkehrs befinden sind schlichtweg extrem gefährlich. Das hat auch das BVGericht anerkannt und seid 1998 sind die meisten solcher Fahrradwege nicht mehr benutzungspflichtig. Auf der Straße ist meist der sichere Platz, und ein Platz auf den die Fahrradfahrer ein Recht haben. Nur weil einer lauter stinkt ist er/sie noch lange nicht im Recht.

  • R
    reclaim

    Das mit der geforderten Trennung von Rad- und Autoverkehr in Form von separaten Fahrradstraßen finde ich garnicht schlecht.

     

    In Kopenhagen macht man das wohl gerade auch: Dort werden wichtige Hauptverkehrsstraßen für den Radverkehr reserviert und der Autoverkehr auf ausgewiesene Nebenstraßen geschickt: http://www.pressemitteilungen-online.de/index.php/fahrrad-schnellstrasse-in-kopenhagen-ein-paradies-fuer-drahtesel/

     

    Für Berlin würden sich da z.B. als Fahrradstraßen gut anbieten: Kaiserdamm, Unter den Linden, 17.Juni, Frankfurter- und Karl-Marx-Allee, Schönhauser Allee, Prenzlauer Allee, Potsdamer- und Hauptstraße, Kurfürstendamm, Skalitzer Straße... etc.

  • CS
    Carmen Schultze

    Prima Kommentar, Frau Pezzei!

     

    Nicht nur Ökos, Klimschützer und Radfahrer werden die Forderungen der IHK, Handwerkskammer und ADAC hinterwäldlerisch finden.

    Nein, es ist ja schon fast peinlich, wenn in der größten Stadt Deutschlands die Wirtschaftskammer offensichtlich die letzten 20 bis 30 Jahre Mobilitätsentwicklung verschlafen haben. Gerade von der Wirtschaftsseite, erwartet man doch, dass Finanzmittel möglichst effektiv eingesetzt werden, dieses Wirtschaftgebot wird mit den Forderungen grob missachtet.

    Ob die Mehrzahl der Mitglieder auch diese Positionen vertreten, ist sehr zweifelhaft.

     

    Carmen Schultze

  • B
    berndl

    na, na @stephan mirwalt, mit begriffen wie verachtung kommen wir nicht weiter in der diskussion.

    mit dem adac aber auch nicht. ich möchte mal wissen, wie die pendler aus dem umland sich beschweren würden, wenn sie jeden tag so einen lärmigen, aggressiven strom von autofahrern vor der nase hätten, wenn sie einfach nur zu fuss zum einkaufen über die strasse wollen. da wär das geschrei nach der umgehungsstrasse aber laut.

    ich fordere tempo 30 innerhalb des s-bahn-rings, grosse park-and-ride parkplätze davor, freie öffentliche verkehrsmittel und ein verbot sinnloser fahrten in die stadtmitte. autofahren ist weder wesentlicher indikator von lebensqualität noch ein ausdruck freier entfaltung, die findet ja auch ihre grenzen, wenn man andere einschränkt. ergo: bevor ich nicht endlich mehrere zebrastreifen auf der prenzlauer, der greifswalder, der karl-marx-allee, der leipziger usw. sehe(halt alles grosse strassen mit vielen anwohnern, die als stadtautobahn missbraucht werden), sehe ich aauch nicht ein, warum die blöde A100 von meinen steuern mitfinanziert werden sollte. und radwege? wenns nach mir ginge, würden hinreeichend autospuren stillgelegt, damit ein radfahrer ohne lebensgefahr vom frankfurter tor zum funkturm radeln kann. aber trotz zigtausenden radfahrenden pendlern in dieser stadt wird man leider immer noch als exot behandelt.

  • I
    imation

    Es gibt kein Menschenrecht aufs Fahrradfahren.

     

    Ich fahre nur mit dem Auto und empfinde den Fahrradfahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Es gibt kein Menschenrecht aufs Autofahren.

     

    Ich fahre nur mit dem Fahrrad und empfinde den Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.