Bürgerbeteiligung: Die Demokratie ergrünt
Senat und Bezirk laden zur Abstimmung über die Ahorne auf dem Gendarmenmarkt. Fans direkter Demokratie sind erfreut - einigermaßen
Es ist keine Bürgerentscheidung im üblichen Sinne. Aber das tut der Bedeutung der Sache keinen Abbruch. Jeder und jede - egal ob wahlberechtigt oder nicht, Berliner, Zugereister oder Tourist - kann mit entscheiden. Es geht um den Erhalt der 140 Ahornbäume auf dem Gendarmenmarkt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und das Bauamt Mitte sind seit Langem der Meinung, der Platz müsse grundsaniert werden - und das gehe nur, wenn die Bäume gefällt würden. Der Förderverein Gendarmenmarkt fordert dagegen: Lasst die Bäume stehen, repariert den Platz behutsam. Am Dienstag wird abgestimmt. Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, "wir werden es akzeptieren", kündigt die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, Petra Rohland, an.
Der Verein Mehr Demokratie begrüßt das Vorgehen. "Direkte Bürgerbeteiligung ist das, was wir uns wünschen", sagt Pressesprecherin Lynn Gogolin. "Nicht als Ersatz für repräsentative Demokratie, aber als Ergänzung, da, wo sich Leute engagieren und mit entscheiden wollen."
Das Beispiel Gendarmenmarkt zeigt indes: Einfach ist es für Bürger nicht, die Dinge in ihrem Sinne zu bewegen. Die Senatsverwaltung verfolgt nach wie vor den Plan, sämtliche auf dem Gendarmenmarkt stehenden Ahornbäume zu fällen. Der marode Boden soll von Grund auf erneuert, dann sollen einzelne, höhere Bäume gepflanzt werden. "Früher hätte wir einen Planungsentwurf gemacht, ihn umgesetzt - und fertig", sagt Pressesprecherin Rohland. Dass es im konkreten Fall anders kommt, liegt am Engagement des Vereins der Freunde und Förderer des Gendarmenmarkts. Er hat 23.000 Unterschriften für den Erhalt der Bäume und eine behutsame Sanierung gesammelt. Nach diversen Diskussionen und Bürgerforen hat sich die Senatsverwaltung entschlossen, alle Interessierten an der Entscheidung zu beteiligen.
Zur Abstimmung gestellt wird allerdings nur die Gestaltung der Nordseite des Platzes rund um den Französischen Dom. Von der Südseite, wo der Deutsche Dom steht, sei keine Rede, berichtet die Vereinsvorsitzende Ada Withake-Scholz. Die Senatsverwaltung halte offensichtlich daran fest, die Ahornbäume auf der Südseite fällen zu lassen. "Das darf nicht sein", empört sich Withake-Scholz mit Verweis auf die 23.000 Unterschriften. Die Südseite, wo weniger Bäume als auf der Nordseite stehen, sei schon jetzt die "reinste Steinwüste". Wenn sich Senatsbaudirektorin Regula Lüscher durchsetze, werde auch die Nordseite des Gedarmenmarkts zu Stein. "Das muss man sich mal im Sommer bei Hitze vorstellen", stöhnt sie.
Den Termin der Abstimmung habe die Senatsverwaltung übrigens erst letzte Woche bekannt gegeben - extrem kurzfristig also. "Die Leute haben doch alle Termine." Ob sie dahinter Kalkül vermutet? Darüber möchte sie lieber nicht öffentlich spekulieren, sagt die Vereinsvorsitzende.
Die Abstimmung findet kommenden Dienstag, 25. 1. um 18 Uhr im Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt. Vier Varianten stehen zur Wahl. JedeR kann sich beteiligen. Ab 16 Uhr kann man sich über die Pläne informieren
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