Wer saß in den 31 Maschinen?

Mallorca, Irland, Deutschland: Der Europarat legt eine Liste mit Flugzeugen vor, in denen möglicherweise Gefangene der CIA transportiert worden sind

VON DANIELA WEINGÄRTNER
(BRÜSSEL) UND ADRIENNE WOLTERSDORF (WASHINGTON)

Der Druck auf die USA, Aufklärung über angebliche CIA-Gefängnisse in Europa zu geben, wächst. Nachdem vor drei Wochen der Europarat in Straßburg Ermittlungen über mögliche Geheimgefängnisse in Rumänien und Polen aufgenommen und einen Zwischenbericht vorgelegt hatte, verlangten am Montag auch die EU-Außenminister Aufklärung von den Amerikanern. Der amtierende Ratspräsident Jack Straw erklärte, er werde im Namen der EU einen Brief an seine amerikanische Kollegin Condoleezza Rice schreiben und um eine Stellungnahme bitten.

Grundlage der Entscheidung der Außenminister ist ein Bericht des Europarats über 31 Flüge von Maschinen, die in „direkter oder indirekter Verbindung zur CIA“ stehen. Mit ihnen sollen Gefangene aus Guantánamo in Geheimgefängnisse in Rumänien und Polen gebracht worden sein. Nach Erkenntnissen des Europarats landeten solche Flugzeuge auch in Palma de Mallorca (Spanien), in Larnaka (Zypern), Shannon (Irland) sowie auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz. Am 21. Januar 2003 soll eine verdächtige US-Maschine vom Frankfurter Flughafen nach Aserbaidschan geflogen sein.

Derartige Flüge müssen nach europäischem Recht den Behörden gemeldet werden, wenn sie militärischen Zwecken dienen. Inzwischen häufen sich auch aus anderen europäischen Ländern entsprechende Meldungen. So berichtete ein isländischer Radiosender von 67 Flügen, aus den Niederlanden wurden 14 Fälle bestätigt. In Spanien ermittelt ein Untersuchungsrichter, da zwischen Januar 2004 und Januar 2005 zehn CIA-Maschinen in Palma de Mallorca zwischengelandet sein sollen. „Wenn sich die Berichte über die Flüge als wahr erweisen, dann ist die Schlüsselfrage, ob die Regierungen informiert waren oder nicht“, sagte Terry Davis, Generalsekretär des Europarates.

Bei der Plenartagung des Europaparlaments vergangene Woche hatten auch die Abgeordneten vom zuständigen EU-Kommissar Franco Frattini Aufklärung verlangt. Es sei beunruhigend, dass die Regierung Bush versuche, das Folterverbot für die CIA außer Kraft zu setzen, sagte die sozialistische Abgeordnete Martine Roure. Von Frattini wollte sie wissen: „Welche Maßnahmen plant die Kommission, um sicherzustellen, dass das Völkerrecht auf dem gesamten Hoheitsgebiet der EU eingehalten wird?“ Die grüne Abgeordnete Helène Flautre stellte fest, dass die EU-Kommission das Problem nun immerhin zur Kenntnis nehme. Ihre Kollegin Kathalijne Buitenweg ergänzte, es reiche nicht, auf Ergebnisse des Europarats zu warten. Die Kommission müsse eigene Untersuchungen anstellen.

Der Chef des US-Geheimdienstes CIA, Porter Goss, hat bisher jeden Kommentar zu den Berichten über Gefängnisse in Osteuropa abgelehnt. Internationale Zusammenarbeit sei sehr wichtig für seine Behörde, sagte Goss der Zeitung USA Today. „Wenn man einen Terroristen überführen will, braucht man die Behörden vor Ort, um zu helfen.“

Zwar wies Goss Vorwürfe, die CIA foltere Gefangene, vehement zurück, deutete aber zugleich die Anwendung neuartiger Verhörmethoden an. „Wir nutzen gesetzmäßige Kompetenzen, um wichtige Informationen zu erhalten, und tun dies auf zahlreichen einzigartigen und innovativen Wegen.“

Nachdem die Washington Post Anfang November über die CIA-Gefängnisse in Osteuropa berichtet hatte, warnte der republikanische US-Senator John McCain vor den verheerenden Folgen für das Ansehen der USA. Der Kongress müsse, so McCain, die Folterung von Gefangenen verbieten. Zwar seien Terroristen „die Quintessenz des Bösen“, erklärte der Hardliner, „aber es geht nicht um sie, es geht um uns. Wir befinden uns in einem Kampf um die Werte, für die wir stehen.“ Dazu gehöre die Einhaltung der Menschenrechte, „ganz gleich, wie schrecklich unsere Gegner auch sein mögen“.

Der Senat hatte daraufhin auf Initiative McCains gegen den Willen des Weißen Hauses ein Antifoltergesetz gebilligt, das grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Gefangenen in US-Gewahrsam verbietet. Die Abstimmung im Abgeordnetenhaus steht noch aus. Vizepräsident Dick Cheney fordert Ausnahmeregelungen für die CIA beim Verhör von und im Umgang mit Terrorverdächtigen. Das Weiße Haus hat mit einem Veto gedroht. Ein solches Gesetz würde die Möglichkeiten von Präsident Bush einschränken, die Amerikaner zu schützen und Terroranschlägen vorzubeugen, hieß es.

Ein ehemaliger CIA-Direktor hat in einem Interview mit einem britischen Fernsehsender unterdessen schwere Anschuldigungen gegen Cheney erhoben. Cheney sei der „Vizepräsident für Folter“, sagte Admiral Stansfield Turner, der die CIA in den 70er-Jahren leitete. Der Vizepräsident beaufsichtige die Foltermethoden, die bei Terrorverdächtigen angewendet würden und beschädige damit das Ansehen der USA. „Wir haben die Linie überschritten und ein gefährliches Gebiet betreten“, sagte Turner. „Ich bin beschämt, dass die USA einen Vizepräsidenten für Folter haben. Das ist verwerflich.“