Streit der Woche: "Erfolgreiches Schreien ist nicht einfach"

Gegenüber "Lümmeln" könnten Pädagogen auch mal laut werden, schreibt Ursula Sarrazin. Geschrei bringt keinen Lernerfolg, kontert die Leiterin der Eliteschule Schloss Salem.

Braver Schüler in Berlin Neukölln: Hier muss erst mal keiner schreien. : dapd

BERLIN taz | Die Frau des umstrittenen Bestseller-Autors Thilo Sarrazin wehrt sich gegen die Vorwürfe, sie habe Schüler gedemütigt. Schreien schließt Ursula Sarrazin, die in Berlin als Grundschullehrerin arbeitet, als pädagogisches Mittel aber nicht aus. "Der Lehrer wirkt mit seiner Gesamtpersönlichkeit, dazu gehört auch die Stimme. Wenn diese gegenüber einem ausgesprochenen Lümmel mal etwas lauter ist, so kann dies durchaus pädagogisch geboten sein", schreibt Sarrazin im Streit der Woche der sonntaz. Dabei komme es jedoch immer darauf an, in welchem Kontext die Stimme eingesetzt werde.

Der Berliner Berufschullehrer Stephan Serin geht noch einen Schritt weiter: "Natürlich sollten Lehrer schreien dürfen", schreibt Serin, der den Bestseller "Föhn mich nicht zu" über seinen Alltag als Lehrer veröffentlicht hat. "Alle anderen Menschen tun das schließlich auch." Er ziehe den Hut vor schreienden Kollegen: "Erfolgreiches Schreien ist nämlich gar nicht so einfach. Dafür braucht man nicht nur ein kräftiges Organ, sondern obendrein das nötige Timing.“ Seine Schüler würden ihn manchmal regelrecht ermahnen, zu schreien, wenn es in der Klasse zu unruhig sei. „Ich habe jedes Mal Besserung gelobt, doch tue mich bis heute schwer, meinen Worten Taten folgen zu lassen.“

Im Elite-Internat Schloss Salem, sieht man das anders. Die Schulleiterin Eva Marie Haberfellner positioniert sich klar gegen schreiende Lehrer: "Ein respektvoller Umgang, ebenso wie das Erkennen, Nutzen und Fördern persönlicher Stärken sind elementare Aspekte für den Lernerfolg. Wer schreit, unterbindet dies alles." Ein guter Lehrer verstehe es stattdessen, bei den Schülern Begeisterung für das eigene Schulfach zu wecken.

Auch Helmut Meckel, der 37 Jahre lang als Schulpsychologe gearbeitet hat, glaubt, dass Schreien die Situation für Lehrer nur komplizierter macht: "Durch Schreien werden die MitschülerInnen zur Parteinahme angeregt. Der Lehrer schadet sich selbst, wenn er damit eine Solidarität der Klasse für den Schüler provoziert." Opfer solcher verbalen Angriffe seien meistens jene Schüler, die sowieso schon verunsichert sind, schreibt Meckel: "Im Sinne der eigenen Risikoeinschätzung ist damit zu rechnen, dass Lehrer eher sozial schwächere anschreien als in der Klasse einflussreiche Schüler."

Im Streit der Woche in der sonntaz äußern sich außerdem Bernd Althusmann, der neue Präsident der Kultusministerkonferenz, Hans Peter Vogeler, Deutschlands oberster Elternvertreter. Jörg Rupp vom Grünen-Vorstand Karlsruhe beschreibt, wie sein Sohn unter einer schreienden Lehrerin litt.

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