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Posse beim DeutschlandfunkRechts der Isar

Ein Deutschlandfunk-Redakteur soll für seine alte Burschenschaft ein Gespräch mit dem Chef des rassistischen Magazins "Zuerst!" moderieren. Er sagt, nichts davon zu wissen.

Die pflichtschlagende Münchner Burschenschaft Danubia in München lädt ihre alten Herren mal wieder aufs Podium. Darunter DLF-Redakteur Bernd Kallina und Günther Deschner, Chef der rassistischen "Zuerst!". Bild: dpa

Es ist eigentlich ein durchaus respektables Thema, das Bernd Kallina, Redakteur des öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunks (Dlf) mit Sitz in Köln, am Sonntag moderieren darf: "Jüdische Patrioten in Deutschlands Geschichte". Weniger respektabel ist hingegen der Rahmen: Es ist die pflichtschlagende Münchner Burschenschaft Danubia, die ihren "Alten Herrn" wieder mal aufs Podium bittet.

Und gar nicht respektabel ist dabei der im Danubia-Semesterprogramm angekündigte Gesprächspartner Kallinas: Günther Deschner, früher Ressortleiter bei der Welt, jetzt Chefredakteur der rassistischen Monatszeitschrift Zuerst!.

Krude Thesen

Zwar hat Deschner früher einen Dokumentarfilm zum Thema gemacht - politisch aber ist er nachhaltig disqualifiziert. Sein mit der Januar-Ausgabe 2010 gestartetes Magazin kommt nämlich ungeheuer plump daher. So findet sich auf vier der ersten dreizehn Zuerst!-Titelseiten folgendes Thema: eine angebliche "Türkenlobby" in Deutschland.

Wer etwa den EU-Beitritt der Türkei befürwortet, bediene die Interessen des Auslands und nicht die Deutschlands, poltert Zuerst!. Eines Beweises für ein tatsächliches Netzwerk dieser Lobby bedarf es angesichts der überwiegend türkischen Herkunft der Kritisierten dem Magazin zufolge nicht, denn "Blut ist dicker als Wasser".

Noch krasser tritt der Rassismus in einem Buch zu Tage, das das Magazin in der ersten Ausgabe als Aboprämie anbot und für das in der aktuellen Ausgabe auf der kompletten Rückseite geworben wird: "Irrweg Einwanderung. Die weiße Welt am Abgrund" vom US-amerikanischen Politiker Patrick Buchanan ("Amerikas schärfste Feder gegen die Vernichtung der weißen Kultur").

Auf geradezu paranoide Weise schwadronieren sowohl Chefredakteur Deschner als auch Herausgeber Dietmar Munier immer wieder von "Fremden" und "Masseneinwanderung".

Falsche Freunde

Zuerst! dient sich auch Neonazis an, und zwar nicht nur der NPD. Die aktuelle Ausgabe eröffnet ein Interview mit einem Vertreter der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen, die jedes Jahr im Februar einen Neonaziaufmarsch anmeldet, mittlerweile einer der größten europaweit, nämlich den in Dresden gegen den "alliierten Bombenterror" (Zuerst!).

Mit diesem Milieu will sich Kallina, Redakteur im Ressort "Hintergrund Innenpolitik", aber auch seit Jahren Autor für ultranationalistische Publikationen, gemein machen? Ist er dümmer als sein Dlf-Kollege Jürgen Liminski, der zwar zur ersten Zuerst!-Ausgabe einen Text beisteuerte, dem aber seitdem das "Umfeld" der Zeitschrift missfällt, wie er auf taz-Anfrage sagt?

Anruf in der Dlf-Redaktion am Mittwoch. Als Kallina hört, worum es geht, entfährt ihm ein leiser Seufzer. Er bestreitet vage, erklärt jedoch, "jetzt nicht reden" zu können, und will zurückrufen. Zum "Reden" kommt es dennoch nicht, denn drei Stunden später hat der Alt-Danube nur mitzuteilen, er wisse von nichts. Er habe hin und wieder dort Podien moderiert, deshalb sei von den Burschen wohl davon ausgegangen worden, er würde es wieder tun. Die Zuerst! kenne er nur vom Namen.

Das lässt immerhin einen interessanten Rückschluss auf die Arbeitsweise dieser Burschenschaft zu. Solch ein Organisationsablauf wäre wohl eher anarchisch-losen Studi-Gruppen unterstellt worden: Seit Semesterbeginn im Herbst wird ein Alter Herr für eine Veranstaltung in München angekündigt, der seinen Arbeitsplatz in Köln hat und vier Tage vor dem fraglichen Termin noch gar nichts von seinem Glück weiß.

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9 Kommentare

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  • RH
    Ralf Hutter

    Zu Regors kommentar:

    Regor hat sich, wie viele andere hier, mit seinem fast argumentationsfreien eintrag wohl genug disqualifiziert (von wegen "wenn so inflationär der Rassismus-Vorwurf erfolgt"). Zum besseren verständnis, aus welcher ecke diese dumpfnase kommt, sei hinzugefügt, wer mit "röpke und speit" gemeint sind. Das sind leute, von denen unlängst in der Zuerst! fotos erschienen, weil sie journalistische antifa-arbeit machen.

  • R
    Regor

    Also wenn so inflationär der Rassismus-Vorwurf erfolgt, fragt man sich, was "Rassismus" in Zukunft bedeuten wird, wahrscheinlich schlichtweg "politisch nicht erwünscht". Einer der üblichen Artikel "für die gute Sache", es drängt sich das Gefühl auf, dass man als TAZ ab und zu dem Antifa-Milieu zeigen will, dass man gar nicht so verbürgerlicht ist usw. Dazu sind dann Elaborate von Röpke, Speit und nun Hutter gerade recht, die an der Satiregrenze entlangschrammen. In München führen Rechte im Haus der Danubia Veranstaltungen durch, in der Urania führen Linke Veranstaltungen durch ... das es beide Seiten ungehindert tuen können, das nennt man Freiheit bzw. Pluralismus.

  • HH
    @ Heile Welt

    Ich finde auch, dass die Gesinnung und der tagtägliche Umgang von Menschen viel mehr ausgeforscht werden sollte. Das hat sich auch schon anderswo bewährt, es war ja nicht alles schlecht.

  • AB
    alles beim Alten

    Geht es hier um eine Informationsveranstaltung oder um ein Streitgespräch?

     

    Für ein Streitgespräch benötigt man mindesten zwei verschiedene, nach Möglichkeit entgegengesetzte Meinungen. Also, was genau ist das Problem?

  • AH
    Alter Herr

    Na und, alles eine Definitionsfrage. Und wenn die taz mit Rassismusvorwürfen um sich schmeisst, dann wird das schon stimmen. Haben wir ja in der Vergangenheit schon häufiger erlebt.

    Germania, vivat, crescat floreat!

  • H
    Holkan

    @Matthias und "Entmündigung des Lesers".

    Sie sehen das falsch: Die Artikel in der taz sind immer vom Autor/Autorin gefärbt und für den Leser/Leserin vorverdaut. Man sollte das nicht als Unvermögen interpretieren, ernsthaften Jounalismus zu betreiben. Wenn man für eine gute Sache kämpft, bedarf es keiner neutralen Sichtweise.

  • RH
    Ralf Hutter

    An matthias: Um kallinas vergangenheit geht es hier doch gar nicht.

    Im internetzeitalter müssen auch gar nicht alle möglichen hintergrundinfos reingepackt werden, wenn sie relativ leicht nachgeschlagen werden können.

    Unterschätze nie wikipedia!

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Kallina

  • M
    Matthias

    Statt dieser Anwürfe nach dem Gießkannenprinzip wäre es hilfreich gewesen, ein paar links zu setzen, oder zumindest aufzuzählen, für welche "ultranationalistischen" Publikationen Kallina geschrieben hat... so ist das doch eine Entmündigung des Lesers.

  • HW
    Heile Welt

    Burschenschaften sind mir generell zuwenig im Fokus. Ein ganzes Land ist durchzogen von unsichtbaren Verbindungen, die Intransparenz und Gemauschel zur Folgen haben. Warum z.B. führt man keine Transparenzpflicht für Burschis im Staatsdienst ein (also Offenlegung des Verbindungsnetzwerks zur Transparenzsicherung)?? Auch wenn dieser Fall natürlich anders gelagert ist.